Das erste Aha-Erlebnis ist ein ganz elementares: Wie riesig doch so ein Elefant ist. Wer die Ausstellung "Elefant – Graue Riesen in Natur und Kultur" im Knauf-Museum in Iphofen (Lkr. Kitzingen) besucht, sieht sich als erstes Auge in Auge mit einem Modell des größten heute noch lebenden Landsäugetiers. Eines afrikanischen Elefanten in diesem Fall, der kann es auf bis zu vier Meter Schulterhöhe bringen.
Verehrt, gejagt, geknechtet, gequält, geschützt, geliebt, ausgebeutet und vielfach künstlerisch und kunsthandwerklich abgebildet: Der Elefant beschäftigt den Menschen seit Jahrtausenden. Die älteste erhaltene Darstellung eines zum Arbeitstier abgerichteten Elefanten, entstanden in der Indus-Kultur in Südindien, stammt aus dem achten Jahrhundert vor Christus.
Die Ausstellung nähert sich dem Elefanten aus vielen Richtungen
Viel älter ist eines der Prunkstücke der Ausstellung, als solches allerdings erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Es ist das Fragment eines Stoßzahns, auf das jemand vor 12 000 bis 16 000 Jahren, also zu der Zeit, als die Malereien in der Höhle von Lascaux entstanden, ein Mammut graviert hat. Gefunden wurde das frühe Kunstwerk 1907 in den Klausenhöhlen über der Altmühl nahe der Gemeinde Essing im Landkreis Kelheim.

Die Ausstellung im Knauf-Museum nähert sich mit Leihgaben unter anderem aus dem Museum Fünf Kontinente in München (vormals Völkerkundemuseum), der archäologischen Staatssammlung und mit wissenschaftlicher Beratung des Allwetterzoos Münster dem Elefanten aus vielen Richtungen. Biologisch, ethnologisch, historisch und kunsthistorisch. Denn spätestens in den letzten 200 Jahren ist die (Kultur-)Geschichte des Elefanten eng mit der des Menschen verknüpft, und das nicht zum Vorteil des Elefanten.
Von zehn Millionen Exemplaren in Afrika sind weniger als 350 000 geblieben
Das zeigt schon die große Karte, auf der die Verbreitungsgebiete einst und jetzt dargestellt sind. Bejagung um des Elfenbeins willen, Zerstörung der Lebensräume durch Rodung, Straßenbau und Zersiedelung und die Abrichtung als Arbeitstiere in Asien (und damit Störung der natürlichen Fortpflanzungszyklen) haben die Bestände drastisch reduziert. Von einst zehn Millionen Exemplaren sind in Afrika weniger als 350 000 geblieben, von 200 000 in Asien weniger als 40 000.

Dass die afrikanischen Elefanten die mit den größeren Ohren sind, wissen die meisten Menschen. Die näheren Verwandtschaftsverhältnisse dieser Angehörigen der Ordnung der Rüsseltiere aber sind wohl weniger bekannt. So ist heute die Seekuh die nächste Verwandte der Elefanten. Eine weitere Verwandtschaft legt auch ein asiatisches Exponat nahe, eine kleine Tonfigur, die einem Tapir ähnlicher scheint als einem Elefanten.
Es ist ein eigenartiges Missverhältnis: So sehr das Tier den Menschen fasziniert, so sehr er dessen Intelligenz und soziale Kompetenz bestaunt, so wenig Rücksicht hat er ihm entgegengebracht. Auch dies eine der Erkenntnisse der Ausstellung, die Museumsleiter Markus Mergenthaler in zweijähriger Arbeit zusammengestellt hat.

Am augenfälligsten wird der Unterwerfungswille des Menschen in einer eigenartigen kleinen Zusammenstellung in einer Vitrine: Es sind verschiedene Versionen des Ankus, des Elefantenhakens, mit dem der Treiber, der Mahout, auf dem Tier sitzend seine Befehle durchsetzt. Dass es auch ohne Gewalt geht, zeigt ein Touchscreen, auf dem Besucher einige der gängigen Befehle antippen können. In kurzen Filmen sehen sie dann, wie die Elefanten im Zoo von Münster diese Befehle ohne Zwang und Schmerz ausführen. Es gibt übrigens auch einen Befehl, auf den hin sich der Elefant sozusagen schnäuzt, also mit einem gewaltigen Luftstoß seinen Rüssel entlehrt. Wie gut das funktioniert, davon konnte sich Markus Mergenthaler selbst überzeugen, als er bei den Dreharbeiten ein wenig zu nah stand...
Werke von Künstlern, die den Elefanten nur vom Hörensagen kannten
Der Elefant hat die Fantasie seit Jahrtausenden beflügelt – übrigens auch die von Künstlern, die noch nie einen gesehen hatten: Weltbekannt ist der nicht ganz naturgetreue Vertreter Afrikas auf Tiepolos Deckenfresko der Würzburger Residenz. In der Ausstellung gibt es ein Räuchergefäß aus China und eine Krippenfigur aus Süddeutschland in Elefanten-Form, denen man deutlich ansieht, dass ihre Schöpfer die Rüsseltiere nur vom Hörensagen kannten.

Das Knauf-Museum zeigt, wie allgegenwärtig die Dickhäuter in Mythen, Religion, Handwerk, Kunst und Kitsch sind. Mit Exponaten von der prachtvollen indischen Schachfigur bis zum Schmusetier, das aus einem Wehrmachtsmantel genäht wurde. Von der frühesten bekannten, noch recht groben Darstellung des liebenswerten Gottes Ganesha aus dem 3. Jahrhundert, den sowohl Hindus wie Buddhisten verehren, bis zu den erstaunlich filigranen elfenbeinernen Schätzen aus der Kunstkammer des bayerischen Kurfürsten Maximilian aus dem 16. Jahrhundert. Und schließlich von den Arbeits-, Tempel- , Kampf- oder Kriegselefanten über die Hauptdarsteller von Umzügen, Völkerschauen und Zirkussen bis hin zu Kinderbuch-, Film- und Fernsehhelden wie Babar, Dumbo, Benjamin Blümchen oder dem kleinen blauen Elefanten aus der "Sendung mit der Maus".
Interessanterweise fällt der Werbung nicht allzu viel zum Thema ein: Abgesehen von der Marke Elefanten-Schuh (Babyboomer erinnern sich möglicherweise an Schuhgeschäfte, die in der Kinderabteilung einen roten Elefanten stehen hatten, dessen Rüssel eine Rutsche bildete) und vereinzelten Zigaretten-, Kaffee- oder Schokoladenmarken scheint die Wirtschaft dem Elefanten keine konsumfördernden Eigenschaften zuzutrauen.
Knauf-Museum, Iphofen: "Elefant – Graue Riesen in Natur und Kultur", bis 11. November. Geöffnet Di.-Sa. 10-17 Uhr, So. 11-17 Uhr. Der ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Begleitband kostet 25 Euro.
In einer früheren Version waren die Verwandtschaftsverhältnisse der Elefanten falsch wiedergegeben. Dies ist nun berichtigt.