Der Immobilienhai Carlo schleicht sich in eine Frankfurter Schrebergartensiedlung ein, die einem Vergnügungspark weichen soll. Doch dort entdeckt er die Zen-Meditation, und es kommt alles anders als geplant. Am Mittwoch, 25. April, stellen Bärbel Schäfer und Achim Winter um 19.30 Uhr in der Schweinfurter Stadtbücherei im Ebracher Hof ihr neues Buch „Zen im Gurkenbeet“ (Weissbooks, 14,90 Euro) vor, eine Satire auf den Heuschrecken-Kapitalismus. Bärbel Schäfer, Ehefrau von Michel Friedmann, ist Moderatorin beim Hessischen Rundfunk. Sie schreibt Kolumnen und hat mehrere Romane und Sachbücher veröffentlicht. „Schaumküsse“ wurde in der ARD verfilmt. Achim Winter ist Fernsehmoderator und Entertainer. Bekannt wurde er als stichelnder Vertreter von Nina Ruge in der ZDF-Sendung „Leute heute“ und als scharfzüngiger Straßenreporter in „Hallo Deutschland“.
Frage: Wie schreibt man denn zu zweit ein Buch?
Bärbel Schäfer: Mit viel Humor, Professionalität und ich glaube auch einer großen Kompromissfähigkeit – oder, Achim?
Achim Winter: Absolut. Ich glaube, Kompromissfähigkeit ist mein zweiter Name. Für mich ist es jedenfalls ein Wunder. Wir haben das Konzept sehr genau ausgearbeitet, und dann haben wir gemeinsam geschrieben. Das geht eigentlich nicht, aber bei uns ging's gut.
Aber „Kompromissfähigkeit“ heißt schon, dass jeder von Ihnen hin und wieder zurückstecken musste?
Schäfer: Ich die ganze Zeit und Achim nie.
Winter: Es hat natürlich sehr viel mit Reife zu tun, sage ich mal scherzhaft: Wenn man seine eigenen Ideen nicht immer für die allerbesten hält, dann kann man schon mal zugeben, okay, du hast recht, es ist vielleicht doch witziger so.
Schäfer: Das kennen wir auch aus der sonstigen redaktionellen Arbeit. Da gibt es eben den einen oder anderen Moment, wo man sagt, auf den Satz können wir verzichten.
Winter: Auch wenn's wehtut. Schäfer: Und wenn wir uns nicht einig wurden, hat unser Lektor Rainer Weiss einfach alles gestrichen.
Winter: Genau, bei den Stellen, die uns am besten gefallen haben, hat der Verleger gesagt, also das findet er jetzt überflüssig.
Die Hauptfigur, Carlo, ist ja trotz ihrer leicht soziopathischen Züge eher sympathisch. Hat er Vorbilder?
Schäfer: In Frankfurt viele.
Winter: Ja, massenhaft. Wir hatten eh das Problem, dass wir ihn nicht böse genug gekriegt haben. Ich habe natürlich auch in mich hineingehorcht, aber ich habe in meiner Seele nichts gefunden, was noch böser ist, und da musste ich's eben so lassen. Aber ich bin sicher, dass es in Frankfurt noch ein paar harte Hunde gibt, die ihn noch übertreffen. Die dann aber auch nicht so reformfähig wären wie er.
Schäfer: Also in Achim Winter schlummert nur ein eiskalter Chihuahua, aber kein richtig harter, bissiger Pitbull. Aber in den Hochhäusern der Skyline von Frankfurt gibt es schon den einen oder anderen, der für seinen Bonus auch mal über Leichen gehen würde.
Winter: Aber der macht dann auch keine Zen-Meditation.
Schäfer: Wenn es um deine Boni geht, kannst du dich nicht auch noch um dein Zen kümmern.
Carlo hat einen Hang zum Hochstapeln, er ist ein Egoist, entpuppt sich aber dann doch als ziemlich verletzlich. Klingt wie ein typischer Vertreter der Babyboomer.
Schäfer und Winter: Ja!
schäfer: Gehören Sie dazu, Herr Wiedemann?
Ja, ich gehöre dazu. Es ist ja die große Diskussion, ob die Babyboomer versagt haben in der Übernahme dieses Landes, das nur die Jungen und die ganz Alten regieren. Carlo scheint zwischendrin zu stecken, zwischen den Silberrücken und den jungen Hungrigen.
Schäfer: Vom Alter her ist das richtig, ich glaube aber, dass das eine Seite zeigt, die fernab der karriereorientierten Kälte auch in männlichen Wesen schlummert. Eine weiche Seite, sich dann doch um Familie zu kümmern, andere Werte zu schaffen. Wir wissen ja dank der Immobilienkrise, wohin uns die reine Jagd nach dem Geld auch fast hätte bringen können. Es ist, glaube ich, ganz gut, ab und zu mal aufs Herz und auf die Seele zu hören.
Winter: Außerdem ist das eine klassische Midlife-Krise. Carlo ist zwar ein harter Hund, aber er wird älter, und er merkt schon, dass die anderen von unten hochschnappen, vor allem in weiblicher Form. Das ist eine typische Situation, vor allem für diese harten Hunde, die mit 40 so langsam ausgewechselt werden.
Schäfer: Das Sägen am Stuhl wird lauter.
Winter: Aber die Zeit der ganz harten Hunde, das waren eher die 90er. Die Jungen kommen jetzt eher so piratig daher, irgendwie weichgespült.
Es gibt im Buch auch eine Mann-Frau-Problematik. Carlos Frau Maike macht Yoga, aber wenn sie Erleuchtung will, schaltet sie die Deckenlampe ein, sagt sie. Sind die wahren Yogis doch die Männer draußen im Überlebenskampf?
Schäfer: Ich glaube, beide sind draußen an der Front und versuchen dann den Alltag für das Wir zu meistern. Es gibt ja auch noch die Familie. Beide sind berufstätig und müssen aufpassen, dass sie dabei dieses Wir nicht verlieren – mit oder ohne Yoga.
Winter: Augen auf bei der Partnerwahl. Maike hat ihre spirituellen Seiten, wird aber jetzt von Carlo rechts überholt. Von diesem Cayenne-Fahrer, der die ganze Zeit wunderbar funktioniert und das tolle Eigenheim rangeschafft hat. Dass der plötzlich schwächelt, überrumpelt sie.
Schäfer: Ein Mann, der zwischen der Dreckwäsche sitzt und meditierend an die Wand starrt, das ist erstmal doch irritierend.
Die beiden Kinder heißen bezeichnenderweise Undine und Matthies. Da bekommt wohl auch die eine oder andere „neue/andere“ Familie ihr Fett weg?
Schäfer: Ja, das ist Prenzlauer Berg.
Winter: Der Name stammt aus einer ICE-Fahrt . . .
Schäfer: . . . nach Berlin. . .
Winter: . . . als ich ein Telefongespräch eines Langhaarigen mit Laptop auf dem Schoß mitgehört habe. Das ging so: „Ja, du, Matthies, das tut mir echt leid, dass ich heute nicht zu Hause sein kann. Aber morgen, Matthies, holen wir das alles nach, morgen können wir kuscheln, Matthies.“ Ich habe sofort Bärbel angerufen und gesagt: Er heißt Matthies!
Das Finanz- und Immobiliensystem spielt gar nicht die Hauptrolle. Es geht mehr um die Figuren. Ist das Buch trotz seiner Satire- und Comedy-Züge vielleicht doch ein Entwicklungsroman?
Winter: Absolut.
Eine Art Utopie vielleicht sogar?
Winter: Ja, ja jein, jajaja.
Schäfer: Also das geht mir jetzt ein bisschen zu weit.
Winter: Bärbel geht das zu weit, aber Sie haben natürlich vollkommen recht.
Schäfer: Achim ist der Meinung, Zen für alle, aber ich finde Kommunikation zwischendurch auch ganz wichtig. Nur an die Wand zu schauen . . . (Gerangel am anderen Ende der Leitung) Moment, wir haben hier gerade einen Konflikt – aua, Achim, lass das. (Gelächter) Schweigen kann eine Lösung sein, um die eigenen Worte zu finden, aber zwischendurch muss man auch mal reden.
Winter: Bärbel ist noch nicht so weit. Sie hat den Weg ins Zen noch nicht gefunden, das dauert noch ein, zwei Jahre.
Karten in der Stadtbücherei Schweinfurt (Ebracher Hof), Tel. (0 97 21) 51 79 61.