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WERTHEIM: Berliner Secession in Wertheim: Bilder über das Leben der einfachen Leute

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Berliner Secession in Wertheim: Bilder über das Leben der einfachen Leute

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    Die Jury des akademischen Kunstsalons bestimmte, wer bei der „Großen Berliner Kunstausstellung“ dabei sein durfte. Abgelehnt wurden Werke von Künstlern, die das Auge Kaiser Wilhelms II. beleidigten. Bilder von Max Liebermann (1847 - 1935) etwa, die eine Kartoffelernte oder Netzflickerinnen bei der Arbeit zeigten, die das Leben der einfachen Leute in den Mittelpunkt rückten, erregten seinen Unmut. Sie würden das Elend noch scheußlicher darstellen als es eh schon sei. Ebenso lehnte der Kaiser Landschaftsdarstellungen von Walter Leistikow (1865 - 1908) ab. Die Bilder des „Anarchisten“ hätten ihm den ganzen Grunewald „versaut“. Wilhelm II. verehrte die monumentale Historienmalerei Anton von Werners (1843 - 1915), Direktor der Königlichen Akademie der Künste. Der Hofmaler setzte kaisertreu die monarchischen Vorgaben um.

    Des Kaisers Kunstgeschmack gründete auf dem von ihm postulierten ewigen Gesetz der Schönheit, Harmonie und Ästhetik. Moderne Richtungen würden diese hehren Ideale, diese großen Grundsätze aufgeben, moserte er. Das sei keine Kunst, sondern „Fabrikarbeit“, sagte er in seiner Rede anlässlich der Eröffnung der Berliner Siegesallee 1901. Damals fiel auch die berühmt-berüchtigt gewordene Bezeichnung „Rinnsteinkunst“. Ein Generationskonflikt entbrannte, der 1892 zum Zusammenschluss der „Gruppe der XI“ führte und 1898 in der Gründung der Künstlervereinigung Berliner Secession gipfelte. Abspaltungen vom offiziellen Kunstbetrieb gab es zuvor bereits in Karlsruhe, München oder Wien. In Berlin wurde Max Liebermann zum Präsidenten ernannt, ein Ruf, dem er nur zaudernd folgte, da er mittlerweile auch von offizieller Seite anerkannt wurde.

    Die Vereinigung, der zu Beginn 65 Mitglieder angehörten, verstand sich als stilunabhängige Alternative zum etablierten Kunstbetrieb und zur restriktiven akademischen Ausstellungspolitik unter Anton von Werner, als aufgeschlossen für alle Kunstrichtungen und als liberal gegenüber neuen Strömungen. Ein Schwerpunkt bildetet jedoch impressionistische Tendenzen.

    Allein von Max Liebermann sind sieben Werke in der Wertheimer Ausstellung zu sehen, daneben laut Ausstellungstitel „Bilder norddeutscher Mitglieder“. Ein Teil davon wurde während Liebermanns Präsidentenzeit in den Ausstellungen der Berliner Secession zwischen 1899 und 1911 präsentiert. Wobei vor allem viele Bildthemen norddeutsch sind, nicht immer die Künstler. Zu sehen gibt es Küstenlandschaften, Gischt, Dünen, Häfen; „Badende Knaben“, und „Tennisspieler am Meer“ von Max Liebermann, „Norddeutsche Diele mit Kartoffelschälerin“ von Gotthardt Kuehl, „Worpswede“ von Otto Modersohn, „Standlandschaft bei beginnender Flut“ von Max Beckmann oder „Die Welle“ von Karl Hagemeister.

    Auch ein Werk von Emil Nolde (1867 - 1956) ist im Wertheimer Schlösschen im Hofgarten ausgestellt: sein „Bauernhof“ aus dem Jahr 1910. Zu dieser Zeit eskalierte bereits der nächste Generationenkonflikt; diesmal zwischen den „alten“ Künstlern der Berliner Secession um Liebermann und jüngeren, die den Impressionismus als überwunden und im Expressionismus ihre künstlerische Zukunft sahen. Der Kunsthändler Paul Cassirer bezeichnete Noldes Werke als Kunst, „die auf den Misthaufen gehört“. Nolde kanzelte Liebermann Werke als „süßliche Verkaufspastelle“ ab.

    Die Spannungen führten zum Rücktritt Liebermanns und zur Gründung der „Neuen Secession“. Zum Bruch kam es letztlich, weil die Jury um Max Liebermann Werke von Expressionisten ablehnte. Von den rund ein Jahrzehnt zuvor geäußerten liberalen Gründungsgedanken der Secessionisten schien nicht viel übrig geblieben zu sein. Differenzen über das, was modern und was überholt, was Kunst sei und was eher in den Rinnstein gehöre, sind eben von zeitloser Natur.

    Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 14 bis 17 Uhr (bis 31. Oktober); Tel. (0 93 42) 30 15 11. Internet: www.schloesschen-wertheim.de

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