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"Bezaubernde Jeannie": Die Bauchnabel-Frage

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"Bezaubernde Jeannie": Die Bauchnabel-Frage

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    Der Astronaut und sein Flaschengeist: Larry Hagman und Barbara Eden sind das ideale Paar in „Bezaubernde Jeannie“.
    Der Astronaut und sein Flaschengeist: Larry Hagman und Barbara Eden sind das ideale Paar in „Bezaubernde Jeannie“. Foto: Foto: Imago

    Es war in der jüngeren Menschheitsgeschichte christlicher Prägung – sagen wir seit 1500 Jahren – immer ratsam, gute Gründe zu haben, wenn man nackte Haut darstellen wollte. Sonst hatte man schnell Ärger am Hals. Man denke nur an Goyas „Maja“, die dem Künstler 1815 eine Vorladung der Inquisition einbrachte. Oder an Manets Gemälde „Frühstück im Grünen“ und „Olympia“, die 50 Jahre später handfeste Skandale auslösten.

    Nacktheit und Erotik einfach so, das geht eigentlich erst, seit durch Internet und Bezahlfernsehen alle Schranken gefallen sind. Vorher war es nicht schlecht, wenn man auf mythologische oder biblische Motive verweisen konnte. Tizian hat bereits 1538 eine liegende unbekleidete Frau ohne erkennbare mythologische Attribute gemalt, Vorbild übrigens für Manets Olympia. Der Titel hat ihn gerettet: Das Bild ist heute als „Venus von Urbino“ bekannt, von einem Skandal ist nichts überliefert. Aphrodite, Diana, Venus, Hermes, Adam und Eva, David, Lucretia oder Susanna nach dem Bade – Personal gibt es genug, und die Künstler aller Jahrhunderte haben sich immer gern bedient.

    Kurioserweise scheint die Regel auch für das ansonsten obsessiv prüde amerikanische (und deutsche) Fernsehen der Mitte des 20. Jahrhunderts zu gelten, wenn auch in abgewandelter Form. Während im Kino längst Sexbomben wie Marilyn Monroe, Lana Turner oder Jane Russell zugange sind, ist das Fernsehen die Domäne patenter Hausfrauen mit hochgekrempelten Ärmeln gewürfelter Blusen und dem Herzen auf dem rechten Fleck, nämlich hinter der gestärkten Schürze. In Gestalt von Gaby Dohm, Thekla Carola Wied oder Mutter Beimer hat der Typus bis in unsere Tage überlebt.

    Hier nun die Ausnahmefälle, die es in den 1960er Jahren offenbar möglich machen, auch im Fernsehen Haut zu zeigen – nicht viel und unter strengen Auflagen, aber immerhin: Science-Fiction und das, was man heute Fantasy nennt. Einige der grün- und blauhäutigen Wesen, mit denen sich Captain Kirk so vergnügt, sind definitiv heißer, als die Zensur hätte erlauben dürfen. Aber bei Außerirdischen ist das wohl in Ordnung.

    Den Fantasy-Sector besetzt von 1965 bis 1970 „Bezaubernde Jeannie“, im Original „I Dream of Jeannie“, wobei das Wortspiel mit „Djinn“ und „Genie“ im Englischen besser funktioniert.

    Die Ausgangssituation ist angelegt wie ein Märchen: Major Tony Nelson (Larry Hagman) ist der beliebteste Ritter (Astronaut) bei Hofe (der Nasa). Sogar die Tochter des Königs (des Generals) ist ihm versprochen.

    Nach einem missglückten Flug ins All muss Tony auf einer Insel notlanden, findet eine verkorkte, exotisch aussehende Flasche, öffnet sie und reibt daran. Schon ist er der Meister eines Flaschengeists, der ihm fortan jeden Wunsch erfüllen muss. Jeannie (Barbara Eden) aus dem fernen Persien (Hauptstadt: Bagdad) war 2000 Jahre in ihrer Flasche eingesperrt und ist nicht mehr ganz auf dem Laufenden. Da macht es keinen allzu großen Unterschied, ob sie nun ein Ritter oder ein Astronaut befreit.

    Jeannie ist blond, trägt ein luftig bauchfreies pseudoorientalisches Ensemble mit viel Décolleté und Pluderhosen, die mehr erahnen lassen als sie verhüllen. Nach heutigen Maßstäben würde das Outfit wohl kaum jemand als unschicklich bezeichnen, in Zeiten des allgemeinen Exhibitionismus ist es allerdings immer noch bemerkenswert sexy. Die Verlobung Tonys mit der – brünetten – Königstochter ist also schnell hinfällig, nicht zuletzt, weil Jeannie schon in der ersten Folge nur mit einem von Tonys Hemden bekleidet in dessen Schlafzimmertür erscheint. Es siegt hier das Prinzip Marylin (Monroe) gegen das Prinzip Jacky (Kennedy).

    Dass Jeannie ihrem Meister gehorchen muss, unterscheidet ihre Lage auf den ersten Blick nicht vom Rollenmodell anderer Ehefrauen dieser Zeit. Nur, dass sie in den ersten vier Staffeln eben nicht mit Tony verheiratet ist.

    Was wiederum ein Problem für die Anstandswächter des Senders NBC war. Also durfte Jeannies Flasche niemals in Tonys Schlafzimmer stehen. Und: Ihr Bauchnabel hatte immer bedeckt zu sein. Abgesehen davon, dass er in einigen Szenen dennoch zu sehen war, weil einfach das Kostüm verrutschte, war die Frage, wer wann Barbara Edens Bauchnabel sehen dürfen sollte, zeitweise Gegenstand landesweiter Debatten.

    Larry Hagman, der spätere Dallas-Fiesling J. R., und Barbara Eden („Wo bitte geht?s zum Militär?“) sind in dieser Konstellation das ideale Paar: Er im Grunde ein fantasieloser, spießiger Streber, sie impulsiv, eifersüchtig, schnell gelangweilt und risikobereit. Es ist allein schon bewundernswert, wie konsequent die von dem Schriftsteller und Drehbuchautoren Sidney Sheldon („Hart aber herzlich“) erfundene Serie über fünf Staffeln und 139 Folgen ihrem Strickmuster treu bleibt: Jeannie richtet mit irgendeinem Zauber ein Riesendurcheinander an (nicht selten, weil sie einen Befehl ihres Meisters allzu wörtlich genommen hat), das irgendwie vertuscht und wieder hingebogen werden muss.

    Wobei immer wieder die vorgeblichen Machtverhältnisse auf den Kopf gestellt werden. Die harmlosen und mäßig komischen Verwicklungen laufen nämlich immer darauf hinaus, dass Tony und seine Nasa-Kollegen wie große unreife Jungs dastehen, deren Düsenjäger und Mondraketen auch nur Spielzeug sind. Jeannie wiederum trotzt mit souveräner Unbedarftheit ein ums andere Mal dem allgegenwärtigen Sexismus dieser Zeit. Zum Schluss ist es immer sie, die ihre Würde bewahrt. Die anderen sorgen für ihre Entlarvung als Trottel schon ganz alleine.

    Ganz nebenbei stellt sie übrigens ihr nichtmagisches Umfeld regelmäßig auch noch vor erkenntnistheoretische Probleme. Als sie einmal mit Tonys Auto in falscher Richtung in eine Einbahnstraße fährt und angehalten wird, belehrt der Polizist sie: „Hier darf man nur in eine Richtung fahren.“ Jeannie: „Aber ich fahre doch nur in eine Richtung.“

    Lesen Sie in der nächsten Folge: „Verliebt in eine Hexe“ oder Jeannies züchtige Schwester.

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