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WÜRZBURG: Bilder von Nelson Mandela

WÜRZBURG

Bilder von Nelson Mandela

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    Nelson Mandela (Mitte) 1952 mit ANC-Präsident James Moroka (links) und Yusuf Dadoo, Präsident des Indian National Congress. Es ist das einzige Bild, das den erklärten Nichtraucher Mandela mit Zigarette zeigt.
    Nelson Mandela (Mitte) 1952 mit ANC-Präsident James Moroka (links) und Yusuf Dadoo, Präsident des Indian National Congress. Es ist das einzige Bild, das den erklärten Nichtraucher Mandela mit Zigarette zeigt. Foto: Foto: Jürgen Schadeberg

    Der Fotograf Jürgen Schadeberg, gerade aus Nachkriegsdeutschland nach Südafrika ausgewandert, begegnete 1951 einem jungen Anti-Apartheid-Aktivisten, der die Welt verändern sollte: Nelson Mandela. Schadeberg fotografierte Mandela (1918–2013) über sechs Jahrzehnte hinweg immer wieder und machte ihn so zur Ikone. Unter dem Titel „Mandela – 6 Jahrzehnte“ sind die Bilder von Jürgen Schadeberg (85) bis 30. Juni im Foyer der Uni Würzburg am Sanderring zu sehen. Die Ausstellung ist ein Vorbote des Africa Festivals, das vom 26. bis 28. Mai auf den Talavera Mainwiesen stattfindet.

    Frage: Sie haben Nelson Mandela bereits 1951 kennengelernt. War damals schon erkennbar, welch übergroße Persönlichkeit er war?

    Schadeberg: Das habe ich wahrscheinlich unbewusst erkannt. Wir waren in Bloemfontein, damals das Zentrum des Apartheidsystems. Und da, in der Höhle des Löwen, hat in diesem Jahr der African National Congress ANC seine jährliche Konferenz abgehalten. Ich bemerkte eine gewisse Unruhe, vielleicht sogar Angst unter den Rednern. Nelson Mandela war anders, er hat eine große Ruhe ausgestrahlt. Er konnte sich alle Namen merken, und er hat immer allen die Hand gegeben, bis hin etwa zum Tonmann des Filmteams. Das machen Politiker normalerweise nicht.

    Man sieht Mandela auf den Bildern oft lachen.

    Schadeberg: Ja, er hatte sehr viel Humor und machte sehr gerne Witze. Als er nach seiner Entlassung aus der Haft irgendwo eine Rede gehalten hat, war auch sein Mentor Walter Sisulu da. Sisulu hatte ihn zum ANC gebracht und großen Einfluss auf ihn gehabt. Da sagte Mandela plötzlich: Da ist ja Walter. Walter, es ist alles deine Schuld, dass ich so lange im Gefängnis war.

    Ganz schön deftiger Humor.

    Schadeberg: Ja. Noch ein Beispiel: Albie Sachs war Verfassungsrichter. Vorher hatte er in Mozambique für den ANC gearbeitet und bei einem Attentat einen Arm verloren, als sein Auto explodierte. Und dem rief Nelson einmal zu: Ich mag keine Richter, die haben mich ins Gefängnis gebracht.

    Wie hat er denn anfangs auf Sie reagiert? Sie konnte er wahrscheinlich erst nicht einordnen.

    Schadeberg: Ich glaube, er hatte keine Vorurteile. Er wusste ja auch, dass ich für die schwarze Zeitschrift „Drum“ arbeite.

    Das heißt, Sie haben schnell zu einem freundschaftlichen Ton gefunden?

    Schadeberg: Ja. Wenn er in ein Zimmer kam, rief er immer: Was ist denn mit dir los, warum bist du noch nicht im Ruhestand? Ich habe dann immer geantwortet: Warum bist du noch nicht im Ruhestand? Er war mehr als sympathisch, ein Mensch, mit dem man sich sehr gut austauschen konnte. Er hat auch mit den ehemaligen Gefängniswärtern Freundschaft geschlossen.

    Jemand hat einmal gesagt, Sie hätten mit Ihren Bildern von Nelson Mandela dem Kampf gegen die Apartheid ein Gesicht gegeben.

    Jürgen Schadeberg: Ich hatte vor kurzem eine Ausstellung in Johannesburg, da wurde bei der Eröffnung gesagt, wenn es diese Bilder nicht gäbe, wüssten wir nicht, wie das Leben in den 1950er Jahren aussah, in dieser Zeit der großen Starre. Wie sich die Leute benahmen.

    Sie waren eine Ausnahmeerscheinung in mehrfacher Hinsicht. Heute ist jeder ein Fotograf. Oder stimmt das gar nicht?

    Schadeberg: Das stimmt nicht. Die Leute fotografieren ihr Essen oder sich selbst auf einer Party. Vielleicht noch berühmte Gebäude. Das Interessante dabei ist: Das Leben um sich herum fotografieren die Leute meistens nicht. Das heißt, das ist nicht das, was meine Kollegen und ich gemacht haben. Das sind dokumentarische Fotografien. Wir haben Geschichten erzählt über eine bestimmte Situation, über bestimmte Menschen.

    Sie haben einmal gesagt, man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Ihnen ist das sehr oft gelungen. Kann man das lernen?

    Schadeberg: Das ist ein Instinkt, der sich mit der Zeit entwickelt. Zu meiner Zeit musste man Fotografie noch richtig lernen – mit Schärfe, Belichtungszeit und Blende. Man musste das Licht studieren. Heute braucht man nur noch auf einen Knopf drücken. Wir haben sehr hart gearbeitet, um das alles zu beherrschen. Hinzu kommt ja, dass Sie die Umgebung studieren müssen, in der ein Bild entstehen soll. Es kommt ziemlich selten vor, dass ein Fotograf rückwärts geht, um eine wichtige Person zu fotografieren, und dann in einen Fischteich fällt.

    Der Grund dafür ist, dass man irgendwann unbewusst die Umgebung im Kopf hat. Man lernt, in ein Zimmer zu gehen und genau zu wissen, wo die Tische und die Sessel sind. Das ist ähnlich wie bei blinden Menschen. Ich sollte mal in einer Blindenschule einen Tanz fotografieren. Ich hatte die Kamera auf einem Stativ in die Mitte des Tanzsaals gestellt und stand auf einer Leiter. Plötzlich fing die Kapelle an zu spielen, und alle tanzten los. Ich dachte, oje, jetzt wird meine Kamera umfallen. Aber alle sind einfach um das Stativ herumgetanzt, niemand hat es berührt.

    Und man muss wahrscheinlich auch ein Gespür dafür entwickeln, was der zu Fotografierende als nächstes tut, wie er sich bewegen wird?

    Schadeberg: Genau – in früheren Zeiten war das leichter, die haben sich immer eine Zigarette angesteckt. Da kannte man dann die nächsten Bewegungen. Wenn Sie jemanden mit 24 Bildern pro Sekunde filmen, werden Sie anschließend sehen, dass kein gutes Bild dabei ist. Die sehen alle irgendwie komisch aus. Wenn jemand spricht, ist zum Beispiel immer der Mund verzerrt. Der Fotograf hingegen passt genau den Moment ab, in dem die Person die Person ist, um die es geht. Und das wird mit der Zeit instinktiv.

    Ihr wichtigstes Objekt war Nelson Mandela. Sie sagen, Sie haben ihn nie wütend erlebt. Wie war das bei Ihnen – waren Sie angesichts all der Schikanen nie wütend? Sie sind selbst mehrfach verhaftet worden.

    Schadeberg: Da spielt meine Kindheit eine Rolle. 1941 in Charlottenburg kriegten wir Zehnjährigen alle einen Brief, dass wir als sogenannte Pimpfe dem Jungvolk beitreten mussten. Wir mussten andauernd marschieren und Exerzieren üben. Ich habe damals viele Filme von Charlie Chaplin und Laurel and Hardy und Buster Keaton geschaut. Ich habe vor dem Spiegel ähnlich doofe Gesichter und Bewegungen geübt. Beim Exerzieren habe ich mich dann ganz dumm gestellt. Einmal – wahrscheinlich zu Hitlers Geburtstag – sollten wir vorexerzieren. Ich habe meine Uniform in die Wäsche gesteckt und bin in roten Strümpfen und einer Blümchenbluse meiner Mutter erschienen. Da haben sie mich angeschnauzt und nach Hause geschickt, und ich brauchte nicht zu marschieren. So war mir das schon vertraut: Wenn etwas nicht geht, wird man nicht wütend, sondern versucht, einen Weg drumherum zu finden.

    Sie waren als weißer Fotograf beim schwarzen Magazin „Drum“. Wie war der Arbeitsalltag?

    Schadeberg: Ich habe viel mit Henry Nxumalo gearbeitet, das war einer besten Journalisten. Wenn der über Missstände in einem Gefängnis schreiben wollte, hat er es so angestellt, dass er selbst in dieses Gefängnis kam, und hat dann darüber geschrieben. Einmal saßen wir einem Vertreter der Apartheid-Regierung gegenüber. Man konnte sehen, wie unruhig seine Beine unter dem Schreibtisch zappelten. Er war furchtbar nervös. Der Grund war, dass er mit einer schwarzen und einer weißen Person gleichzeitig sprechen musste. Er musste dauernd seine Stimme ändern: zu dem einen mit Autorität und Härte, zu dem anderen freundlich und auf gleicher Ebene. Das fand er sehr schwierig. Wir haben über solche Sachen hinterher sehr gelacht.

    „Mandela – 6 Jahrzehnte“, Fotografien von Jürgen Schadeberg, Foyer der Universität Würzburg am Sanderring, Montag bis Freitag 8 bis 19.45 Uhr, Samstag 10 bis 18 Uhr. Bis 30. Juni.

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