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MARKTBREIT: Das Bild von Afrika zur Kolonialzeit

MARKTBREIT

Das Bild von Afrika zur Kolonialzeit

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    Der Name klingt positiv, vermittelt Fürsorge: „Schutzbriefe“ wurden die Dokumente in der deutschen Kolonialzeit genannt. Sie waren für die indigene Bevölkerung meist entwürdigend und oft lebensgefährlich. „Schutzbriefe“ bedeuteten für sie Unterdrückung, Ausbeutung, Willkür, Tod. Für die Adressaten – Privatinvestoren oder Kolonialgesellschaften – waren es dagegen Freibriefe. Es ging um Macht und Profitstreben. Die Inhaber sahen sich als „Herrenmenschen“, die Einheimischen als unzivilisierte Wilde. Mit ihnen schlossen sie „Schutzverträge“ und besiegelten damit deren Schicksal. In Afrika kosteten sie Millionen Menschen das Leben.

    1871, nach der Gründung des Deutschen Reiches, sah es jedoch zunächst so aus, als ob diese Form der Expansionspolitik kein Thema werden würde. Otto von Bismarck war gegen koloniale Bestrebungen. Noch 1881 sagte er im Deutschen Reichstag: „So lange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik. Wir haben eine Flotte, die nicht fahren kann, und wir dürfen keine verwundbaren Punkte in fernen Weltteilen haben, die den Franzosen als Beute zufallen, sobald es losgeht.“ Er befürchtete Konflikte mit anderen Kolonialmächten.

    „Kongo-Konferenz“ in Berlin

    Vier Jahre später schwenkte der „eiserne Kanzler“ um, warum, darüber diskutieren Historiker bis heute. „Otto von Bismarck berief im November 1884 eine internationale Konferenz nach Berlin ein“, informiert Simone Michel-von Dungern, Leiterin des Museums Malerwinkelhaus in Marktbreit. „Sie dauerte bis Februar 1885 und ging als Berliner Konferenz, auch Westafrika- oder Kongo-Konferenz genannt, in die Geschichte ein.“ Vertreter von 13 europäischen Staaten, der USA und des Osmanischen Reiches nahmen daran teil. Es ging um die Aufteilung des afrikanischen Kontinents beziehungsweise der noch nicht besetzten Gebiete. Die Menschen, die dort zu Hause waren, wurden allerdings nicht gefragt. Über sie und ihren Lebensraum bestimmten andere, nicht erst seit der Afrika-Konferenz, aber in Berlin wurden die Vorstellungen der Kolonialmächte konkretisiert sowie die völkerrechtliche Anerkennung von Kolonialbesitz festgelegt. Die Versammlung gilt als Geburtsstunde des deutschen Kolonialismus. „In der Folge wurden Togo, Kamerun sowie Deutsch-Südwestafrika (,Lüderitzland‘) und Deutsch-Südostafrika zu ,Schutzgebieten‘ des Deutschen Reiches erklärt“, so Michel-von Dungern.

    Flora, Fauna, Land und Menschen

    Die Münchener Bilderbogen brachten die fremden und fernen und exotisch anmutenden Länder ins heimische Wohnzimmer. „Die Bogen waren ein Massenmedium und vermittelten hierzulande ein Bild von Afrika, von Flora, Fauna, Land, Menschen und dem Leben der Kolonisten“, erzählt Simone Michel-von Dungern. Die Museumsleiterin präsentiert im Malerwinkelhaus etwa 40 Nummern der beliebten Münchener Bilderbogen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Thema Afrika. Sie erschienen jeden zweiten Samstag, waren in schwarz-weißen oder gegen Aufpreis in kolorierten Ausgaben erhältlich.

    Padagogisch wertvoll oder humoristisch

    Die Darstellungen stammten von Künstlerhand. „Illustrierte Reiseberichte einzelner Afrika-Pioniere boten Künstlern wie Wilhelm Busch oder Heinrich Leutemann Anschauungs- und ,Quellen‘-Material, das die Fantasie beflügelte“, so Michel-von Dungern, die sich intensiv in den vergangenen Monaten in die Materie eingearbeitet hat. Sie untersuchte die einzelnen Bogen genau und konnte so rekonstruieren, „warum eine bestimmte Thematik zu einer bestimmten Zeit gewählt und in die jeweils entsprechende Bildsprache umgesetzt wurde“.

    Darunter finden sich neben „pädagogisch wertvollen“ auch „humoristische“ Bilderbogen.

    „Landungsplatz einer deutschen Station am Victoria-See“ heißt eine der Zeichnungen (siehe großes Bild oben). Zu sehen ist eine über das Wasser gereiste Gruppe, die am Ufer empfangen wird, beschreibt Simone Michel-von Dungern die Szene. „Neben Gepäck werden Mann und Vieh von afrikanischen Trägern durch das Wasser an Land getragen; im Hintergrund sind Boote mit wehender Reichsflagge zu sehen.“

    Ins Herz von Afrika

    Dieser Bilderbogen aus dem Jahr 1894/95 wurde von Heinrich Leutemann gestaltet. Simone Michel-von Dungern vermutet, dass der kurz zuvor erschienene Reisebericht von Franz Stuhlmann „Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika“ den Künstler inspiriert hat. Stuhlmann beschreibt darin die Boote der „Waganda“, führt die Museumsleiterin aus, sie waren damals das einzige Verkehrsmittel auf dem Viktoria-See. Im 1991 veröffentlichten Bericht „Die Deutsche Emin-Pascha-Expedition“ des umstrittenen Afrikaabenteurers Carl Peters sind zudem Abbildungen der Boote zu sehen.

    „Der Schiffsschnabel dieser Kanus ragte weit aus dem Wasser, das Ende war mit Antilopenhörnern geschmückt und durch ein mit Palmfasern behangenes Seil mit dem Kanu verbunden“, schreibt Michel-von Dungern in der sehr informativen und lesenswerten Ausstellungsbroschüre.

    Die Suche nach Emin Pascha

    Emin Pascha war der 1840 in Schlesien geborene Arzt und Forschungsreisende und zum Islam konvertierte Eduard Schnitzer. „Nach dem Mahdi-Aufstand war er verschollen“, informiert die Malerwinkelhaus-Leiterin. Carl Peters wurde mit der Suche beauftragt und nutzt sie für seine eigenen Bestrebungen, weitere Gebiete an Deutsch-Ostafrika einzugliedern. Die blutige Expedition brachte Peters viel Kritik ein. Dies ist jedoch nur ein dunkles Kapitel innerhalb der deutschen Kolonialgeschichte.

    Deutscher Kolonialismus Die Ausstellung „Afrika in Bildern und das Bild von Afrika – Tiere, Menschen, Sitten und Kolonialmotive im Münchener Bilderbogen des 19. Jahrhunderts“ im Museum Malerwinkelhaus in Marktbreit ist bis 5. November zu sehen: Donnerstag 14 bis 20 Uhr, Freitag, Sonntag und an Feiertagen 14 bis 17 Uhr. Zugleich wird in der Ausstellung an den gebürtigen Marktbreiter August Ziegler (1885-1937) erinnert. Er leitete im Dienste des Reichskolonialamts als landwirtschaftlicher Sachverständiger die Landeskulturanstalt Nuatjä (Togo, Westafrika). Hierzulande ist er als Züchter des Rieslaners bekannt. Info im Internet: www.malerwinkelhaus.de Im Historischen Museum in Berlin ist noch bis 14. Mai die Ausstellung „Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart“ zu sehen (täglich 10 bis 18 Uhr). Anhand von über 500 Exponaten können sich Besucher verschiedenen Aspekten der kolonialen Vergangenheit von 1884 bis 1918 nähern. Am Ende des Ersten Weltkriegs mussten die Deutschen ihre Kolonien in Afrika, China (Tsingtao) und in der Südsee (Neuguinea/Samoa) aufgeben. Die Auswirkungen der Fremdherrschaft dauern bis heute an. So fordern die Herero Entschädigung für den an ihnen ab 1904 bis 1908 begangenen Völkermord. Erst 2016 hat Deutschland den Genozid in der damaligen Kolonie Südwestafrika, heute Namibia, offiziell anerkannt. Info zur Ausstellung im Internet: www.dhm.de Im Fokus stehen immer wieder auch die Objekte, die damals aus den Koloniegebieten nach Deutschland geholt worden. Aktuell untersuchen Wissenschaftler der Universität Hamburg die Afrika-Sammlung im Bremer Übersee-Museum auf ihre koloniale Herkunft. Das Projekt „Koloniale Spuren“ ist auf vier Jahre angelegt. CJ/KNA

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