„Ich hab' nicht mehr dieses Gen, im Musikalischen irgendetwas zu versäumen. Diesen Druck hab' ich nicht mehr“, sagt Quasthoff über die ausgleichende Wirkung seines Privatlebens. Seit 2006 ist er verheiratet, und er betont: „Ich hab' nicht geheiratet, um nur noch Gastrollen zu Hause zu geben. Dafür habe ich zu viele Künstlerehen in die Brüche gehen sehen.“
Preise und Auszeichnungen hat Quasthoff unzählige gesammelt – nationale und internationale, darunter den ersten Preis beim Mozartfest-Gesangswettbewerb 1987 in Würzburg, mehrere Klassik-Echos und drei Grammys, die Oscars der Musikbranche. „Thomas Quasthoff besitzt eine der intelligentesten und fesselndsten Stimmen klassischer Musik“, lobte etwa der Brite Graham Sheffield im Mai, als der Bariton den renommiertesten britischen Musikpreis erhielt.
Die nächste Auszeichnung erhält er am 20. November in Baden-Baden. Der Karajan-Musikpreis ist mit 50 000 Euro dotiert, die zweckgebunden in die musikalische Nachwuchsarbeit investiert werden müssen – ein Bereich, der Quasthoff seit Jahren immer stärker am Herzen liegt.
Volksmusikprogramm mit Raabe
So rief der Sänger neben seiner Arbeit als Professor an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ einen Liedwettbewerb ins Leben, der in diesem Jahr erstmals in der Hauptstadt ausgetragen wurde. Künftig soll er auch durch eine eigene Akademie ergänzt werden. „Ich will mich verstärkt um die Erhaltung von Liedgesang kümmern. In Zeiten von kaum noch stattfindenden Liederabenden müssen wir Künstler darüber nachdenken, was wir tun können, damit die Leute wieder in diese Konzerte gehen. Da müssen wir auch über neue Präsentationsformen nachdenken.“
Oper reizt ihn kaum noch. „Vielleicht wird es noch mal Oper geben. Aber keine, die mich zwei Monate oder länger von zu Hause weg bringt, das gibt es nicht mehr.“ Stattdessen ist eine neue Jazz-CD für nächsten Mai geplant, ein Volksmusikprogramm mit Max Raabe, Angela Winkler und Udo Samel und eine halbszenische Matthäus-Passion mit Simon Rattle. „Ich möchte auch verstärkt Lesungen machen“, sagt Quasthoff, der sechs Jahre lang als Sprecher beim NDR in Hannover arbeitete.
Und was hört der Bariton privat derzeit am liebsten? „Das ist schwer zu beantworten, meine Hörinteressen sind variabel“, sagt Quasthoff und zählt John Coltrane, Joni Mitchell, James Brown und George Adams auf. „Gerade hab' ich mir eine CD von Edith Piaf runtergeladen“, berichtet er und gesteht: „Ich bin auch so ein iTunes- Freak.“ Tochter Lotte, die seine Frau mit in die Ehe gebracht hat, mag der Sänger allerdings nicht mit seinen musikalischen Vorlieben traktieren. „Sie wird sich das holen, was sie will. Das kommt früh genug und dann wahrscheinlich auch laut genug. Ich wohne, Gott sei Dank!, im Keller, da krieg' ich das nicht so mit.“
Eine große Party im nächsten Jahr
Und dann wäre da noch die Sache mit seiner Contergan-Behinderung, oft geschrieben, oft erzählt; in der Autobiografie „Die Stimme“ schreibt Quasthoff, der in Hildesheim aufwuchs, dazu viel, das unter die Haut geht, aber auch viel Selbstironisch-Unterhaltsames. Von den Kinderjahren im Streckbett, dem Behinderten-Internat, ersten Erfolgen und vielen Rückschlägen – an der Musikhochschule Hannover wurde er zunächst abgelehnt, weil er wegen seiner Behinderung nicht Klavier spielen konnte.
Seinen Zweitwohnsitz hat Quasthoff dennoch noch in der niedersächsischen Landeshauptstadt – und dort will er auch im nächsten Sommer mit einer großen Party seinen 50. Geburtstag, den er vor wenigen Tagen begangen hat, nachfeiern. „Meine Frau wird im Mai 40, wir planen eine richtig große Fete.“