Es ist immer problematisch, jemanden nach einem einzigen unglücklichen Zitat zu beurteilen. Doch dem fränkischen Reichsritter Gottfried „Götz“ von Berlichingen zu Hornberg geschieht es vermutlich ganz recht, dass alle Welt nur an den Ausspruch denkt, den Goethe ihm in den Mund legte. „Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag's ihm, er kann mich im Arsche lecken“, heißt es in Goethes „Götz von Berlichingen“. Götz war auch im wahren Leben alles andere als ein Edelmann, sondern ein ziemlich übler Raubritter, der sein langes Leben mit zahllosen Fehden, Scharmützeln und Diebeszügen verbrachte. Am 23. Juli 1562, vor 450 Jahren, starb er auf Burg Hornberg im württembergischen Neckarzimmern.
Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen: Herr Kilian aus Berlichingen – einem Dorf im malerischen Jagsttal – gab seinen kleinen Götz in eine Klosterschule und später in den Dienst seines Vetters Konrad, eines angesehenen Ritters und Hofmeisters der Grafen von Brandenburg-Ansbach. Er begleitete seinen Onkel zu Reichstagen und wurde nach dessen Tod Türhüter am Ansbacher Hof.
Die berühmte eiserne Hand
Doch Götz von Berlichingen hatte Probleme mit den höfischen Anstandsregeln. Schon als 17-Jähriger zog er mit König Maximilian I. ins Feld gegen die Franzosen. Und geriet bald auf Abwege: Mit seinem Bruder Philipp schloss er sich dem gefürchteten Raubritter Hans Thalacker an, machte bei Überfällen und Brandschatzungen mit und ließ sich nur zögernd auf den rechten Weg – die Teilnahme an legalen Feldzügen – zurückführen.
Im Erbfolgekrieg zwischen Bayern und der Rheinpfalz verlor er durch einen Kanonenschuss die rechte Hand. Anders als seine Kameraden bei der Infanterie, denen der Feldchirurg in solchen Fällen einen simplen Metallhaken einsetzte, gab Herr Götz bei einem Dorfschmied eine komplizierte Prothese in Auftrag, die sich als technische Meisterleistung erwies: Mit einem System von Zahnrädern und Federn, das per Knopfdruck von der gesunden Hand betätigt wurde, konnte der Haudegen mit gewohnter Kraft sein Schwert führen. Götz von Berlichingen hieß nun „der Ritter mit der eisernen Hand“. In den nächsten Jahren führte er mindestens 15 Fehden, leistete „Freunden und guten Gesellen“ Waffenhilfe gegen Beteiligung an Beute und Lösegeld – und wurde 1512 erstmals mit der Reichsacht belegt, nachdem er mit 130 Reitern rund 100 Kaufleute aus Nürnberg, Augsburg und Ulm überfallen hatte. 1519 kerkerte ihn der Schwäbische Bund für drei Jahre in Heilbronn ein. Während der Bauernkriege ging Götz von Berlichingen einen Bund mit den Bauern ein, geriet 1528 in Augsburg in Gefangenschaft. Nach zwei Jahren freigelassen, verschwand er für mehr als ein Jahrzehnt grollend hinter den Hornberger Mauern. „Uber etlich und achtzig Jahr alt“ soll der Mann mit der eisernen Hand geworden sein, geboren wurde er um 1480. Man setzte ihn im Kreuzgang des Zisterzienserklosters Schöntal bei. Seinen eisernen „Handschuh“ kann man heute noch bewundern, im Schlossmuseum Jagsthausen. Das berüchtigte Zitat hat Goethe übrigens nicht erfunden: Götz von Berlichingen rühmt sich in seiner holprig geschriebenen Autobiografie, einem gewissen Max Stumpf, Amtmann zu Krautheim zugerufen zu haben, „er solle mich doch hinten lecken“.
Friedrich der Große ärgerte sich
Goethe, damals noch ein kaum bekannter Autor, wollte Aufsehen erregen, als er das Zitat in seinem 1774 uraufgeführten Götz-Drama drastischer und gröber fasste, was einen Theaterkritiker zu der pikierten Notiz veranlasste: „Der Dialog ist lebhaft und unterhaltend, doch einige Ausdrücke sind pöbelhaft niedrig.“ Friedrich der Große ärgerte sich ebenfalls über das „ekelhafte Gewäsch“ auf der Bühne, das vom Publikum auch noch mit Beifall bedacht werde. So geschah es in Berlin. In Hamburg ließ die Regie den Götz immer dann, wenn er das ordinäre Zitat herausschmettern sollte, mit Karacho das Burgfenster zuwerfen, so dass die Worte kaum zu hören waren.
Und der Geheimrat Goethe, den das Stück mit einem Schlag berühmt gemacht hatte, ließ das Zitat in späteren Druckfassungen durch die nicht weniger berühmten drei Pünktchen ersetzen, die Generationen von Schülern bei der Lektüre im Unterricht neugieriger machten, als es das komplette Zitat getan hätte.
Wissenschaftler haben inzwischen ermittelt, dass die unanständige Aufforderung auf einen alten schwäbischen Abwehrzauber gegen Hexen und Dämonen zurückgeht: Um sich vor ihren Nachstellungen zu schützen, sollte man ihnen den nackten Hintern zeigen.
Burgfestspiele Jagsthausen
Die Burgfestspiele Jagsthausen im Jagsttal gehen im Jahr 2012 in ihre 63. Spielzeit. Schauplatz der Aufführungen ist die historische Götzenburg. Sie war der Stammsitz des Götz von Berlichingen und ist somit ein Schauplatz der Weltliteratur.
Goethes „Götz von Berlichingen“ ist alljährlich das zentrale Stück. Vor der authentischen Kulisse unter freiem Sommerhimmel verschwimmen dann auf künstlerisch hohem Niveau Dichtung und Wahrheit, Gegenwart und ausgehendes Mittelalter. Angeboten werden auch andere Stücke – vom Musical bis zum Kindertheater.
Infos und Karten: Tel. (0 79 43) 91 23 45 www.burgfestspiele-jagsthausen.de