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Der rätselhafte Christus-Rivale

Kultur

Der rätselhafte Christus-Rivale

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    Schema eines Mithräums.
    Schema eines Mithräums.

    Zweitausend Jahre alt ist das Dokument – und spektakulär. Die Sandsteinplatte im Römermuseum Osterburken zeigt den Kampf des Gottes Mithras mit einem Stier. 1,20 mal 1,20 Meter misst das Relief. Die Fläche quillt fast über vor Symbolik. Die lässt sich weitgehend deuten – und dennoch: „Über die Glaubensinhalte dieser Religion wissen wir fast nichts“, sagt Museumsleiter Jörg Scheuerbrandt. Dass die Quellenlage „dürftig“ ist, liege auch daran, „dass der Mithraismus ein Geheimkult war“, erklärt der promovierte Archäologe.

    Mithras war nicht irgendein unwichtiger Kleingott im übervölkerten Pantheon der Antike. Ursprünglich aus dem persischen Kulturraum stammend, trat er um die Zeitenwende seinen Siegeszug durchs römische Reich an. 800 Mithras-Kultstätten soll es allein in Rom gegeben haben. „Im zweiten, dritten Jahrhundert nach Christus hatte jede Garnison ein Mithräum“, erklärt Scheuerbrandt. In Stockstadt bei Aschaffenburg wurde solch eine Kultstätte gefunden – und eben auch in Osterburken, knapp 40 Kilometer südwestlich von Tauberbischofsheim. Der Limes, einst Schutzwall gegen die „Barbaren“, ist nur einen Steinwurf entfernt von dem Städtchen, in dem Grundmauern eines Römerkastells und Reste eines Badehauses noch heute erhalten sind. „Hätte ein tödliches Missgeschick den Siegeszug des Christentums aufgehalten, dann hätte die Welt dem Mithras gehört“, schrieb Ernest Renan (1823 bis 1892). Experten halten diese Aussage des französischen Schriftstellers, Archäologen und Religionswissenschaftlers mittlerweile für zu stark zugespitzt. Tatsächlich aber war der Mithraskult eine ernst zu nehmende Konkurrenz des frühen Christentums und der Stierkämpfer-Gott im übertragenen Sinn ein Rivale von Jesus Christus. „Der Mithraismus war zunächst die überlegene Religion“, so Jörg Scheuerbrandt.

    Zwischen Christentum und Mithraismus gibt es Parallelen. Sie befriedigten offenbar ein damals neues spirituelles Bedürfnis: Beide boten dem antiken Menschen eine neue Form persönlicher Religiosität. Sie versprachen individuelle Erlösung. Beide sind auf ein Jenseits ausgerichtet. Jupiter und Co., die alten, sehr diesseitigen Götter, konnten derlei nicht bieten.

    Mithras' Geburtstag wurde am 25. Dezember gefeiert – wie der des christlichen Gottessohnes Jesus. Beides hat mit der Wintersonnenwende und dem Geburtstag des alten Sonnengottes zu tun. Wie Jesus musste auch Mithras Leiden durchstehen. Am Ende seines irdischen Wirkens feierte er ein Abschiedsmahl mit seinen Getreuen – wie Jesus das letzte Abendmahl. Auch der Mithraismus war in Gemeinden organisiert, die sich zu Gottesdiensten trafen. Analog zur Taufe war ein Initiationsritus nötig. Ein Schweigegelübde gehörte dazu: Nichts sollte über die Mysterien nach außen dringen.

    Nach der Aufnahme in die Gemeinde konnte der Mithras-Jünger in sieben Weihestufen vom „Raben“ über den „Löwen“ bis zum „Pater“ aufsteigen. Davon erzählt das Relief im Römermuseum. Und es verrät noch mehr. Mithras trägt eine phrygische Zipfelmütze. Das kennzeichnet ihn als Mann aus dem Osten. Typisch ist die Darstellung als Stiertöter. Das Tier steht für das Böse, der siegreiche Kampf ist ein Akt der Erlösung. Mithras bringt den Menschen Licht, Heil und Fruchtbarkeit.

    Kleinere Bilder umgeben die zentrale Darstellung. Auch sie weisen auf das Heilsgeschehen hin: Links unten hält eine Figur ihre Fackel nach unten, die Figur rechts hält sie hell leuchtend nach oben; links oben steigt der Sonnengott auf seinem Wagen empor, gegenüber taucht die Mondgöttin ab.

    Das Relief – beziehungsweise das Original, das im Badischen Landesmuseum Karlsruhe steht – war Zentrum des Osterburkener Mithräums. „Gefunden wurde es 1861 am Bahnhof, als man dort eine Scheune bauen wollte“, so Jörg Scheuerbrandt. Das Heiligtum war wohl planmäßig verlassen worden. „Das Relief lag in einem Sandbett“, erklärt der Archäologe – mit der Bilderseite nach unten. Offenbar hatte man es regelrecht bestattet. Das Gesicht des Mithras wurde abgeschlagen, die Figur damit profaniert. Vielleicht von Gläubigen, die keine geweihte Figur zurücklassen wollten.

    Das Museum vermittelt in etwa die Situation in einem Mithräum: Der Besucher läuft auf das Relief zu, das sich früher, dem Eingang gegenüber, an einer der Schmalseiten des Raumes befand, der einer Höhle nachempfunden war. Auf Bänken an den Längsseiten saßen oder lagen die Gläubigen, ausschließlich Männer. „Frauen waren nicht zugelassen“, sagt Jörg Scheuerbrandt. Ein Grund dafür, dass sich der Mithraskult nicht durchsetzen konnte?

    Dass sich auf dem Osterburkener Relief die noch heute gebräuchlichen Sternkreiszeichen in einem Bogen über das zentrale Bild spannen, ruft immer wieder Astrologen auf den Plan. Doch esoterische Spekulationen braucht's gar nicht, um den „sprechenden Stein“ (Scheuerbrandt) spannend zu finden – und geheimnisvoll.

    Römermuseum Osterburken

    Als Zweigmuseum des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg ist das Römermuseum in Osterburken ein Informationszentrum am Unesco-Weltkulturerbe Limes.

    Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10–18 (Sommerzeit), 10–17 Uhr (Winterzeit).

    Im Erdgeschoss des Museums werden die Kulturen beiderseits des Limes präsentiert: römische Steindenkmäler und Kunstgegenstände sowie Stücke germanischer Herkunft.

    Das Obergeschoss widmet sich der Religion des Römischen Reiches und ihrer Vermischung mit anderen Kulten. Prunkstück ist das Mithras-Relief (Kopie).

    Die Ruinen eines römischen Bades sind in einer separaten Halle zu besichtigen.

    Wenige Kilometer außerhalb von Osterburken befindet sich ein rekonstruierter Limes-Wachturm. Der kann bestiegen werden, dafür muss man sich spezielle Münzen im Museum besorgen.

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