Wenn ein Künstler eine Maschine erfindet, die selbst wiederum ein Kunstwerk gestaltet – droht dann der Künstler von der Maschine ersetzt zu werden, überflüssig gemacht durch die eigene Schöpfung? Was kann der Roboter, was der Künstler nicht kann – etwa bis ins Unendliche und mit einer schier unmenschlichen Präzision immer neue Formen und Linien schaffen? Und welche Fähigkeiten bleiben dem Menschen noch, bei denen ihn die immer intelligenter werdenden Roboter nicht bald überflügeln? Schließlich gibt es schon maschinelle Arbeits- und Pflegekräfte, ja sogar Haustiere und Liebhaber.
Der philosophische Ansatz der Ausstellung „Künstler und Roboter“ im Pariser Grand Palais erscheint gewollt und regt sogar zu den ganz großen Fragen an: Was ist (moderne) Kunst überhaupt und welche Rolle spielen bei ihrer Umsetzung die technischen Mittel? Wird der Künstler zum Ingenieur – oder umgekehrt?
Summen und rauschen
Ein ständiges Summen und Rauschen begleitet den Besucher durch die Schau. Als Pionier gilt der Schweizer Jean Tinguely, bei dessen Werk „Méta-Matic“ aus dem Jahr 1959 kleine, elektrisch betriebene Gefährte farbige Linien auf einen weißen Untergrund zeichnen, indem sie, vom Zufall geführt, darüberfahren. Videofilme erklären die Entwicklung solcher „Schöpfungsmaschinen“, die aus heutiger Perspektive recht simpel erscheinen mögen und doch einmal Sensationen waren. Auf eine Leinwand werden bunte Pusteblumen projiziert, davor ein kleines Gerät mit der Aufforderung: „Pusten Sie!“ Tut man's, wirbeln die virtuellen Samen herum, bis sie sich flugs zur ursprünglichen Blumenform zusammenfinden – immer wieder neu.
Rund 30 unterschiedliche Werke werden gezeigt, Skulpturen, Licht-Installationen, großflächige Gemälde. In einem schwarzen Raum sehen sich die Menschen selbst im Spiegel, während weiße Zahlenreihen unaufhörlich auf ihre Körper projiziert werden. Einen Bereich hat der Österreicher Peter Kogler für das Grand Palais komplett mit einer Tapete ausgelegt, deren schwarz-weiße Formen maschinell gestaltet wurden und den Eindruck eines Labyrinths entstehen lassen. Es handele sich um „ein riesiges Künstler-Atelier, wo man die Mechanismen der Schöpfung beobachten kann“, beschreibt Kurator Jérôme Neutres die Idee hinter der Ausstellung.
Künstliche Intelligenz
In allen Epochen, selbst in der Steinzeit, haben sich Künstler den jeweils verfügbaren technischen und später technologischen Mitteln bedient. Seit den 1950er Jahren spreche man mit dem ersten Roboter „CYSP 1“ von Nicolas Schöffer, einem anderen Pionier in dem Bereich, von künstlicher Intelligenz, erklärt die zweite Kuratorin, Laurence Bertrand Dorléac: „So kam die Frage auf, ob ein Roboter ein Kunstwerk schaffen und Prozesse realisieren kann, indem er die menschliche Intelligenz imitiert.“
Mit der Zeit wurden die Maschinen immer autonomer und die Roboter unsichtbar, konnten, gelenkt durch informatische Systeme und Algorithmen, unendlich erneuerbare, beliebige und bewegliche Formen schaffen. Das Werk „Brain“ des Multimedia-Künstlers Pascal Haudressy zeigt ein menschliches Gehirn in 3-D-Form, aus dem durch einen bewusst gemachten Programmierfehler farbige Datenlinien in alle Richtungen verlaufen; ein vorgeschobener Plexiglas-Kasten lässt den Eindruck eines Hologramms entstehen.
Virtuelle Fliegen
Eindrucksvoll ist auch die interaktive Installation „Portrait on a fly“ von Laurent Mignonneau und Christa Sommerer mit virtuellen Fliegen auf einem Bildschirm: Stellt sich ein Betrachter davor, formen sie dessen Silhouette nach. In Wahrheit handelt es sich um eine einzige, tausendfach multiplizierte Fliege – also um eine Illusion.
Aber was ist schon Realität? „Die Dinge brauchen nicht echt zu sein, solange sie es zu sein scheinen“, so drückte es Isaac Asimov, der Großmeister der Science Fiction aus, Autor der „Drei Gesetze der Robotik“.
Öffnungszeiten des Grand Palais in Paris: Donnerstag bis Montag 10–20, Mittwoch 10–22 Uhr. Die Ausstellung „Künstler und Roboter“ ist bis 9. Juli. zu sehen.
T T