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Die bunte Welt des Jeff Koons

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Die bunte Welt des Jeff Koons

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    Die unbekanntere Seite von Jeff Koons: Sein Gemälde „Lips“ (2000) aus der Reihe „Easyfun“, das derzeit in der Frankfurter Schirn zu sehen ist.
    Die unbekanntere Seite von Jeff Koons: Sein Gemälde „Lips“ (2000) aus der Reihe „Easyfun“, das derzeit in der Frankfurter Schirn zu sehen ist. Foto: Fotos: Schirn/Copyright Jeff Koons, dpa

    Jeff Koons liebt, was man aufblasen kann. Er spricht von „Inflatables“, aufblasbaren Objekten, sieht darin Symbole für Optimismus und erfreut sich am Blasgeräusch „Schschsch“. Allerdings hat er seine Konstrukte auch in Stahl gießen lassen, in rostfreien Edelstahl. Das „proletarische Material“ gebe seinen Arbeiten Stärke, glaubt der 53-jährige achtfache Vater. Noch nie hatte der weltweit erfolgreichste Künstler und Multimillionär, der nach Ideen-Serien arbeitet, Gelegenheit, große Teile seiner Skulpturen und Bilder gemeinsam auszustellen. Das geschieht nun fast zeitgleich in der Schirn Kunsthalle und dem Liebieghaus in Frankfurt sowie in der Fondation Beyeler in Basel.

    Der Sohn eines perfektionistischen Innendekorateurs lernte mit 19 den Surrealisten Salvador Dalí in New York kennen, der Spanier wurde zum Vorbild. Kunstproduktion im großen Stil empfindet Koons als organisch, zeitweise beschäftigt er bis zu hundert Spezialisten, darunter auch Glasbläser aus Murano und Herrgottsschnitzer aus Oberammergau. Kunsthandwerk und Geld passen für den dauerlächelnden Strategen perfekt zusammen. Sein Grundsatz: „Kunst anzusehen, sollte ein wenig sein wie geküsst zu werden.“ Aber auch erotisch-sexuelle Lustgefühle sind erlaubt. In seiner Kurzzeit-Ehe mit „Cicciolina“, der italienischen Pornodarstellerin und Abgeordneten im römischen Parlament, Ilona Staller, hat Koons laszive Gegenständlichkeit demonstrativ präsentiert – bis zum Ausziehen des letzten Hemds. Seitdem gilt der wohl höchstbezahlte Künstler der Welt – die meisten seiner Arbeiten werden für zweistellige Millionensummen abgesetzt – den einen als Kitsch-Gestalter und maßlos überschätzt, andere orten eine Bedeutung in seinen gigantisch überhöhten Exponaten des Alltags. Der Frankfurter Museumsmanager Max Hollein nennt Koons einen „der radikalsten und wichtigsten Konzeptkünstler unserer Zeit“. Er darf am Main zeitgleich zwei Museen bespielen.

    Der smarte New Yorker weiß sich bestens zu verkaufen, in der Art eines Hollywoodstars. Immer geschniegelt, ausgewählte Interviews, vorbereitete Statements. Dabei erweist sich Koons, der Picassos und Courbets besitzt und eine Heiligenfigur des altdeutschen Holzschnitzers Tilman Riemenschneider als einen seiner größten Schätze preist, als versierter Kenner der Kunstgeschichte. Im Frankfurter Liebieghaus korrespondieren seine tonnenschweren gigantischen Skulpturen mit solchen aus mehreren Tausend Jahren Kunsthistorie. Koons behauptet, er spüre eine direkte Verbundenheit mit Künstlern der Antike, es gebe „gar nicht so viele Unterschiede zu den Emotionen der Menschen in der Vergangenheit“. „Das ist es, was Kunst uns zeigen kann“, so sein Credo. Flakons, bronzene Schlauchboote, Chromeiskübel und Modelleisenbahnen, Whiskey-Sets sowie Schwein, Ziege, Hund und Vogel – Koons' Arbeiten feiern die Banalität und wollen sie überhöhen. Der antiken Göttin Aphrodite etwa, seiner Lieblingsnackten, der ersten Liebesgöttin europäischer Kunst überhaupt, geschaffen vom griechischen Bildhauer Praxiteles, stellt Koons ein Pin-up-Girl in feinen Dessous vor die noble Nase, kleckst Striche drauf und nennt es „Antiquity 3“. So „küsst“ seine Kunst. In Basel und im Frankfurter Liebighaus mit 44 Installationen, in der Schirn mit 45 Gemälden aus mehreren Jahrzehnten.

    Im Liebieghaus sind auch Michael Jackson und sein Schimpanse „Bubbles“ noch einmal traut vereint – in einer lebensgroßen Koons-Skulptur aus vergoldetem Porzellan. Dort hat das 1988 entstandene Werk aber eigentlich gar nichts zu suchen. Das Museum bietet zwar einen Überblick über 5000 Jahre Bildhauerei, aber die 3000 Werke reichen nur von der Antike bis zum Klassizismus. Nach 1840 ist also Schluss. Doch Koons kennt und liebt das Liebieghaus. Er weilt oft in Frankfurt, seine riesigen Metallskulpturen werden in der Nähe angefertigt. Sein „Michael Jackson and Bubbles“ steht in der Ägypten-Abteilung des Museums – neben Takait aus dem 13. Jahrhundert vor Christus, die Priesterin von Amun-Re, des obersten Gottes. Eine Begegnung von Takait und Michael Jackson über 3300 Jahre hinweg. Selten hat ein Ausstellungskonzept das Werk eines Künstlers derart bereichert wie diese Idee: die knallbunt-poppigen Riesenskulpturen von Koons – im Wortsinne – mitten in die Kunstgeschichte zu stellen. Ein kuratorischer Geniestreich, von dem der stets unter Kitschverdacht stehende Amerikaner ebenso profitiert wie die jahrhundertealten Meisterwerke des Museums, mit denen sich seine Skulpturen überraschend angeregt unterhalten.

    Bis 23. September zeigen die zwei Museen in Frankfurt fast 90 Werke des Popkünstlers. „Sein Werk fußt unmittelbar auf der Kunstgeschichte“, sagt Vinzenz Brinkmann, Leiter der Skulpturensammlung und einer der Kuratoren. Er hat das ungewöhnliche Projekt zwei Jahre lang mit Jeff Koons vorbereitet. „Ich habe sehr viel gelernt über Präzision“, sagt er über den bekennenden Perfektionisten, dessen Arbeiten zwar oft nicht eigenhändig, dafür aber „mit einem Optimum an kunsthandwerklicher Präzision“ entstünden. Sechs Arbeiten im Liebieghaus und zwei Bilder in der Schirn sind zum ersten Mal zu sehen.

    Die nackte junge Blonde schmiegt sich an den rosa Panther, Staubsauger glänzen in Reih und Glied, das pausbäckige Schwein ist aus Südtiroler Holz gefertigt, und die aufblasbaren Hunde, zerbrochenen Eierschalen und überdimensionierten Herzen mit Schleifen zeigen die Überzuckerung der Realität. Dass nun Koons' Gesamtkunstwerk nicht in den USA, sondern in Europa ausgestellt wird, hat auch mit seinen Sammlern zu tun, viele davon reiche Russen.

    Es ist die Harmlosigkeit dieser Ikonografie, die beeindruckt, das Glatte, Perfekte, nie Verletzende und nur milde Provozierende, letztlich die ebenso bunte wie heile Welt, die das Werk dieses ewig freundlichen Künstlers charakterisiert. Jeff Koons ist ein Spaßmacher mit Freude am Handwerk und als Meister der Oberfläche. Seine Objekte sind funny – mehr wollen sie womöglich auch gar nicht sein. Mit Material von EPD und dpa

    „Jeff Koons: The Painter & The Sculptor“ in der Frankfurter Schirn Kunsthalle (Römerberg) und im Liebieghaus (Schaumainkai 71) ist bis 23. September geöffnet. Dienstags und freitags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags von 10 bis 22 Uhr.

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