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BAD BRÜCKENAU: Die sinnliche Seele von BAP

BAD BRÜCKENAU

Die sinnliche Seele von BAP

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    „Ich werde nie auf Computer-Pop abfahren“: Wolfgang Niedecken tritt mit BAP am 26. August in Bad Brückenau auf.
    „Ich werde nie auf Computer-Pop abfahren“: Wolfgang Niedecken tritt mit BAP am 26. August in Bad Brückenau auf. Foto: Foto: dpa

    Er ist Musiker und Schreiber, Maler und Denker. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und Hoffnungsträger für ehemalige Kindersoldaten in Afrika. Er mag Marokko und Radiergummi-Krümel auf dem Schreibtisch. Er braucht sein Handy nur zum Telefonieren, und mit Facebook hat er nichts am Hut. Wolfgang Niedecken, 60, Stimme und Seele der Kölschrock-Band BAP, ist nach eigenen Worten „eher old-school-mäßig unterwegs“, aber voller Ideen und Pläne. Am Freitag, 26. August, gastiert er mit BAP beim Schlosspark-Open-Air in Bad Brückenau.

    Frage: Warum treten Sie nicht mehr in Würzburg auf?

    Wolfgang Niedecken: Die Stadt ist für uns nicht mehr bespielbar, seit die ehemalige Carl-Diem-Halle (Anmerk. d. Red.: heutige s.Oliver Arena) nicht mehr für Konzerte bereitsteht. Schade, ich war gerne in Würzburg. Wir haben in den „Burggaststätten“ auf der Festung immer Apfelstrudel mit Vanillesoße gegessen.

    Muss man sich mit 60 noch eine mehrmonatige Festival-Tour durch die Republik antun?

    Niedecken: Es ist ein Privileg, wenn man es kann. Es tut mir auch nicht gut, wenn ich im Sommer daheimbleibe. Dann werde ich grüblerisch, das mag meine Familie nicht.

    Schickt sie Sie dann weg?

    niedecken: Meine Frau sagt dann, dass ich aussehe, als müsse ich mal wieder nach Marokko. Das war lange mein Traumland, dort kenne ich mich aus. Vielleicht klappt es im Herbst, dass ich mit einem Freund eine Männertour dorthin mache.

    Früher waren Sie Griechenland-Fan.

    Niedecken: Griechenland ist ideal für einen Nicht-Festival-Sommer. In den 80er Jahren habe ich das ganze Land bereist. Dann ist mir meine erste Familie um die Ohren geflogen. Bei griechischen Freunden kannst du nicht plötzlich mit einer neuen Frau auftauchen. Das geht dort nicht. Inzwischen hat der Liedermacher Klaus Hoffmann mir wieder ein paar Wege zurück geebnet.

    „Obwohl ich bemüht war, keine voraussehbare Autobiografie zu schreiben, birgt sie für meine Kinder keine Überraschungen.“

    Wolfgang Niedecken

    Wo ist Ihre Familie jetzt?

    Niedecken: Die beiden erwachsenen Söhne studieren an der Kunsthochschule für Medien. Meine Frau und die Töchter habe ich während der Sommerferien auf Mallorca geparkt. Die Mädchen sind 15 und 17. Vielleicht ist das ihr letzter Urlaub mit Mama und Papa.

    Haben die Mädels Ihre Autobiografie „Für 'ne Moment“ gelesen?

    Niedecken: Die Große ja, die Kleine noch nicht. Ich renne ihnen nicht mit dem Buch hinterher. Obwohl ich bemüht war, keine voraussehbare Autobiografie zu schreiben, birgt sie für meine Kinder keine Überraschungen. Die kennen ja alles, was ich beschrieben habe. Auch die Pleiten und Pannen, über die man heute gut lachen kann.

    Lacht Wolfgang Niedecken gerne?

    Niedecken: Außer über Plattitüden kann man mit mir gut lachen. Ich bin Rheinländer, wir feiern halt lieber, als dass wir weinen.

    Können Sie heute auch wieder mit Klaus „Major“ Heuser, dem langjährigen Gitarristen von BAP, lachen?

    Niedecken: Der Major ist zum richtigen Zeitpunkt zu BAP gekommen und hat aus einem Haufen gutwilliger Dilettanten eine Rockband gemacht. Wir hatten gute Jahre. Aber er wollte, dass BAP eine Rockpopband wird. Nach langem Tauziehen hat er die Band verlassen. Hätte er das nicht getan, wäre ich ausgestiegen. Und BAP ohne mich geht nicht.

    Was macht der Major heute?

    Niedecken: Er spielt mit dem Blues-Sänger Richard Bagel. Ich hoffe, dass er dort angekommen ist, wo er glücklich sein kann.

    Wie lange wollen Sie noch auf der Bühne stehen?

    Niedecken: So lange es Spaß macht. Schauen Sie sich B.B. King an. Der wird demnächst 86. Man setzt ihn auf einen Stuhl, man reicht ihm die Gitarre, zeigt ihm, wo das Publikum ist – und er legt los. Auch Leonhard Cohen, der fast 77 ist, geht noch auf Tour. Ich habe ihn kürzlich in Oberhausen gesehen. Dort hat er von einem Song erzählt, den er geschrieben hat, als er „a crazy Kid of 60“ war, ein „verrücktes Kind von 60 Jahren“.

    Hört Wolfgang Niedecken nur olle Kamellen, oder kann er sich auch mit moderner Musik anfreunden?

    Niedecken: Ich habe meine Wurzeln, und ich werde nie auf Computer-Pop abfahren. Aber Gas Light Anthem, eine amerikanische Punk-Indie-Alternativ-Rockband, gefällt mir gut. Auf die stehen meine Töchter.

    Und wie ist Ihr Verhältnis zu den neuen Medien?

    Niedecken: Ich will nicht transparent sein und lasse mich von niemandem an einem Nasenring herumführen. BAP hat eine Facebook-Seite, die wird aber nicht von mir gepflegt. Ich habe Leute, die sich um so was kümmern. Das lässt mir den Raum, mich auf das Wesentliche zu beschränken: ordentliche Songs zu schreiben und ordentlich zu performen.

    Sind Sie ein sinnlicher Mensch?

    Niedecken: Ein sehr sinnlicher. Ich liebe Bilder, die haptische Qualität haben, die man anfassen kann. Ich schreibe gern mit Beistiften, und ich mag die kleinen Krümel, die entstehen, wenn man etwas ausradiert.

    Als studierter Maler kann man so was ja auch von Ihnen erwarten . . .

    Niedecken: Ich behandele meine Motive flächig, ich arbeite mit Sand und Dreck. Zum letzten Mal habe ich während der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 so richtig groß rumgesaut.

    „Es bricht mir das Herz, wenn ich Zwölfjährige sehe, die auf den Strich gehen müssen, um überleben zu können.“

    Wolfgang Niedecken

    Als bekennender und leidgeprüfter Fan des Fußball-Bundesligisten 1.FC Köln haben Sie während der WM gemalt?

    Niedecken: Ja, aber ich habe kein einziges Spiel versäumt! Und das, obwohl ich in dieser Zeit auch das Cover für unser neues Album „Halv su wild“ entworfen habe. Da habe ich so getan, als sei ich ein naiver afrikanischer Maler.

    Was Ihnen nach Ihren vielen Afrikareisen nicht allzu schwergefallen sein dürfte.

    Niedecken: Ich unterstütze das Projekt „Rebound“, das ehemalige afrikanische Kindersoldaten auffängt, alphabetisiert und einen Beruf erlernen lässt. In Uganda funktioniert das ganz gut. Im Ost-Kongo steht das Projekt leider noch auf wackeligen Beinen. Dort gibt es so viele missbrauchte Mädchen, die von ihren Familien verstoßen wurden. Denen bleibt nichts anderes übrig, als sich zu prostituieren. Es bricht mir das Herz, wenn ich Zwölfjährige sehe, die auf den Strich gehen müssen, um überleben zu können.

    Sie sind ein politischer Mensch. 1998 haben Sie für Ihre führende Rolle bei der Anti-Rassismus-Kampagne „Arsch huh, Zäng ussenander“ das Bundesverdienstkreuz bekommen.

    Niedecken: Ich habe die Auszeichnung stellvertretend für alle Kölner Kollegen entgegengenommen, die an der Aktion beteiligt waren. Ich habe das ja nicht allein auf die Beine gestellt.

    Sind Sie stolz auf den Orden?

    Niedecken: Stolz ja, aber ich bilde mir nichts darauf ein. Man kann nur stolz sein auf etwas, zu dem man etwas beigetragen hat. Deshalb zeugt es auch von höchster Blödheit, wenn sich Nazis den Spruch „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ irgendwohin tätowieren lassen.

    Vielen Dank für das Gespräch. Oder gibt es noch was, was Sie Ihren unterfränkischen Fans schon immer mal sagen wollten?

    Niedecken: Ich danken ihnen für ihre langjährige Treue. Und ich freue mich, dass sie immer so getan haben, als würden sie uns verstehen.

    Karten für den BAP-Auftritt am 26. August, 20 Uhr, in Bad Brückenau: Tel. (0 97 41) 80 2 - 0

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