Man stelle sich vor: Ende der Show, dunkle Bühne, der Puppenspieler geht noch mal hinter den schwarzen Vorhang, klappt einen Papp-Turm auf – und schon jubelt und johlt der ganze Saal. So ist das in Zeiten von Youtube, MySpace und anderen Videoplattformen im Netz. Jeder weiß, was gleich kommt: „Rapante, Rapante!“ Das Märchen von Rapunzel, so lustig erzählt wie nie. Der Königssohn ist ein Maulwurf mit Sprachfehler, als schöne Maid mit güldenem Haar muss eine Barbiepuppe herhalten. „Rapante, Rapante“!, ruft der Maulwurf, nicht nur vor Liebe zur „Barbe“ ganz blind – und die Zuschauer lachen sich scheckig.
Sonntagabend, Mainfrankensäle in Veitshöchheim. René Marik, der Puppenspieler, ist da. Und gibt nach zwei Stunden Miniatur-Theater mit Musik als Zugabe eine der ollen Kamellen, die im Internet schon millionenfach geklickt und angeschaut sind. Der blinde, Vokale und Konsonanten verschluckende Maulwurf ist ein Star – und der Handlanger dazu, der jahrelang über die Dörfer tingelte und sich durch kleine Clubs schlug, jetzt eben auch.
Ist das Comedy? Trash? Subkultur? Schwachsinn? Puppen-Kabarett? René Marik nennt's „Kasper-Pop“, und man mag nicht widersprechen. Der diplomierte Schauspieler, der für die Kunst das Mathestudium abbrach, erzählt entzückend abseitige Figurenfabeln mit dem stotternden und permanent „Nee, nee, nee, nee, nee“ nölenden Maulwurf, einem eloquenten Frosch namens Professor Falkenhorst und dem Eisbären Kalle.
Keine knuffige Kinderei
Wer glaubt, das sei knuffige Kinderei, der irrt. Der Maulwurf gräbt sich in Afghanistan aus der Erde, schlürft Cocktails und ballert – als Sand spritzt – mit dem Maschinengewehr herum. Manchmal reichen Marik auch weiße Tücher, um Katastrophen zu erzählen. Treffen sich zwei in New York und nähern sich an. „Oh, 'n Flugzeug“, sagt das eine Laken. „Wo?“, fragt das andere und blickt nach oben. „Da“, sagt das erste und zeigt nach unten. Crash!
Und dann gibt es noch – als neue Figur – den Hasskasper, der das Publikum beschimpft, sich über die hässliche Halle auskotzt, Giftspritzen verteilt und aus dem Professor Froschschenkel macht. Also von wegen harmlos, da ist nix mit Happy End.
Keyboarder „Professor Inge“ Ingo Günther macht die Musik dazu. Der 39-jährige Wahlberliner René Marik greift ab und an zur Gitarre und schrammelt und singt mehr oder weniger begeisternd herum. Seinen Ruhm verdankt er allein dem Figurenspiel, das zwischen Beinahe-Philosophie und Albernheit pendelt.
„Mein lieber Freund, beiß niemals die Hand, die dich füttert“, warnt der Frosch ironisch mahnend Richtung Puppenspieler, als der dem grünen Kollegen ein paar Klammern zu viel ins Gesicht geklemmt hat. Autschn, würde der Maulwurf da sagen. Und: Nee, nee, nee, nee. Großer Applausn!