Die Cellistin Alisia Weilerstein (20), ist regelmäßiger Gast des Kissinger Sommers. Im vorigen Jahr musste sie ihren Autritt wegen Krankheit absagen. Doch ihre Fans können sie 2003 wieder beim Kissinger Sommer erleben (6. Juli). Wir sprachen mit der jungen Künstlerin, die im Jahr 2000 mit dem Luitpold-Preis des Fördervereins Kissinger Sommer ausgezeichnet wurde.
Frage: Sie haben bereits mit viereinhalb Jahren angefangen Cello zu spielen. War das wegen Ihrer Eltern, oder war es einfach Spaß, ihr eigenständiger Wunsch?
Alisia Weilerstein: Meine Eltern sind Musiker und ich bin mit Musik aufgewachsen. Musik war die erste Sprache, die ich lernte. Ich saß immer dabei während sie übten, und ich liebte das. Als die Eltern mal zu einer Aufführung weg mussten, bekam ich die Masern und musste zu Hause bleiben. Da kam meine Großmutter, um auf mich aufzupassen. Sie wusste, wie sehr ich Musik liebte und wie traurig ich war, nicht mitfahren zu dürfen. Als Trost brachte sie mir verschiedene Musikinstrumente mit, die sie aus den Schachteln von Cornflakes und ähnlichem selbst gebastelt hatte. Sofort, ganz intuitiv nahm ich das Cello, das aus einer Rice-Crispiesbox gemacht war. Ich hatte mich auf den ersten Blick in dies Instrument verliebt. Dann, als meine Eltern wieder nach Hause kamen, konnte ich sie auf meinem eigenen Instrument bei ihrem Üben "begleiten". Mit vier Jahren wollte ich ein richtiges Cello und einen Lehrer, was ich nach langem Hin und Her endlich auch bekam.
Welche Besonderheit hat das Cello, dass es für Sie schon als Kind zu ihren Instrument wurde?
Weilerstein: Das kann ich nicht erklären. Instinktiv griff ich zum Cello und wusste, dass es "mein" Instrument war.
Wie oft, wie lange und wie konsequent üben Sie heutzutage ?
Weilerstein: Idealerweise, wenn es so läuft, wie ich es mag, dann täglich drei bis vier Stunden. Aber manchmal, wenn das Studium anstrengend ist, dann muss weniger genügen.
Was ist für Sie wichtiger: das bewusste Erarbeiten eines Stückes, oder die Fähigkeit im Konzert alles hinter sich zu lassen, und einfach inspiriert zu spielen ?
Weilerstein: Natürlich muss man zuerst studieren, um zu erkennen, was der Komponist sagen will. Aber dann im Konzert muss man sich los lassen und nur von der Inspiration führen lassen.
Ist das Cello für Sie auch ein Mittel, um sich verständlich zu machen ?
Weilerstein: Absolut! Aber es ist eine höhere Form der Kommunikation, als Sprechen. Die gesprochenen Sprache hat so viele Grenzen. Die Musik nicht. Sie braucht zum Beispiel nie übersetzt zu werden.
Wie wird man ein Soloinstrumentalist, im Gegensatz zu einem Orchestermitglied ?
Weilerstein: Mir war immer klar: alles, was ich wollte, und wofür ich gearbeitet habe, war immer ausschließlich für eine solistische Karriere. Das war mein Ehrgeiz, solange ich mich daran erinnern kann.
Sie treten zusammen mit ihren Eltern im "Weilerstein Trio" auf. Ist das nicht sehr schwierig? Gibt es da nicht verschärft die ganz normalen Differenzen zwischen Generationen?
Weilerstein: Natürlich gibt's da immer wieder Diskussionen. Besonders schlimm war es, als ich ein Teenager um die 14 war. Aber eigentlich haben mich meine Eltern immer ermutigt eine eigene Meinung zu haben, doch natürlich nur bis zu einem gewissen Grad; denn sie waren halt meine Eltern. Manchmal gab's gleich eine Einigung, manchmal haben wir alle Vorschläge ausprobiert und dann entschieden. Das hat dann etwas gedauert. Heute ist es bei den Proben noch ab und zu etwas kritisch. Spätestens im Konzert aber ist dann alles wunderbar.
Im Booklet Ihrer Debüt-CD sprechen Sie von einer "fieberhaften Intensität" mancher Musikstücke. Was genau verstehen Sie darunter?
Weilerstein: Ich meine damit eine besondere Art von Rhythmus und Harmonien, die sich beinahe schon außerhalb jeder Kontrolle bewegen. Diese Stücke sind sehr intensiv und extrem emotional.
Der Cellist Mischa Maisky wirbt für sich mit dem Slogan: "Geboren, um Bach zu spielen". Haben Sie eine ähnliche Leidenschaft?
Weilerstein: Nein, ich denke nicht. Dazu bin ich zu jung. Ich weiß auch nicht so recht, ob ich so was überhaupt mag. Es würde mir Angst machen, mich selbst in nur eine musikalische Ecke zu stellen.