Übergroße Pornostarbrille, Lockenperücke, Faibles für Cowboystiefel und Porsche, hautenge T-Shirts: Atze Schröder, am Freitag, 26. Oktober (20 Uhr), mal wieder zu Gast in der s.Oliver Arena in Würzburg, gilt auch nach Beendigung seiner RTL-Reihe „Alles Atze“ als einer der erfolgreichsten Komiker Deutschlands. Ein Gespräch mit dem Schöpfer über seine Kunstfigur, über Minderbemittelte im Fernsehen und die immer dümmer werdende deutsche Gesellschaft.
Frage: Warum bekommen Sie eigentlich keine T-Shirts in Ihrer Größe?
Atze Schröder (lacht laut): Für die Bühne kauf' ich die immer 'ne Nummer kleiner, ich weiß ja, was ich meinen Fans schuldig bin: Da muss es hauteng sein. Privat trage ich sie 'ne Nummer größer, zur Beruhigung.
Ihr Programm haben Sie „Schmerzfrei“ getauft – so herumzulaufen wie Sie hat doch auch viel Schmerzfreies.
Schröder: Ja, unbedingt, aber bei mir ist der Titel ja etwas anders gemeint: Ich gucke, wo die Leute zu schmerzfrei sind.
Und? Wo sind sie es?
Schröder: Auf die Idee bin ich in der Nürnberger Fußgängerzone gekommen, da hab' ich 'nen Coffeeshop gesehen, nicht Starbucks oder so, eher selbst gepopelt mit Durchgang zum Dönerladen. Es war draußen ein Schild: „Coffee to go.“ Drunter stand: „Jetzt auch zum Mitnehmen.“ (Er lacht) Es macht mir großen Spaß, so Schmerzfreiheiten zu beobachten. Aber das zieht sich auch ins Große, in die Politik, ins Fernsehprogramm. Wenn man das Nachmittagsprogramm von RTL oder Sat.1 sieht . . . Was da geboten wird, ist auch alles ziemlich schmerzfrei.
Wenn doch immer mehr immer schmerzfreier wird, kann man dann nicht auch behaupten, dass die deutsche Gesellschaft immer dümmer wird?
Schröder: Ja. Das muss man so sehen. Und da ist das Fernsehprogramm auch ein guter Indikator. Man fragt sich ja, wohin das alles noch führen soll. Ich hab' „Berlin – Tag & Nacht“ gesehen, da denkst Du: Das ist jetzt der endgültige Untergang. Aber wahrscheinlich ist das in zwei, drei Jahren noch gesundes Mittelmaß.
Diese Pseudo-Dokusoap ist ein großer Quotenerfolg für RTL II . . .
Schröder: Ja, ein Wahnsinn. Oder hier: „Bauer sucht Frau“, „Schwiegertochter gesucht“ und so. Dat is ja eigentlich nur das Vorführen von Minderbemittelten, nach dem Motto: „Guck mal, der ist noch dümmer als ich.“ Und dann sieht man die Quoten . . . Tja, ich weiß zwar nicht, ob das dann eine Berechtigung hat – aber die Leute wollen's sehen.
Und wie sieht jemand diese Entwicklungen, der wie Sie seinen Erfolg, seine enorme Popularität, vor allem dem Fernsehen zu verdanken hat?
Schröder: Ach, da sehe ich aus heutiger Sicht vor allem, dass ich – Gott sei Dank! – noch im richtigen Moment dabei war. Da konnte man tatsächlich noch ironische Sachen bringen. Ich denke mal, dass wir so etwas wie „Alles Atze“, diese Kioskserie, heute nicht mehr machen könnten.
Warum?
Schröder: A: Weil die Fernsehschaffenden so etwas gar nicht mehr durchwinken würden. Und B: Weil die Ironie heute vielleicht nicht mehr erkannt würde, weil einige das alles für bare Münze nehmen würden.
Im Vergleich zu dem, was heute alles im Fernsehen läuft, wo selbst Bülent Ceylan und Mario Barth eigene Shows bekommen haben, war „Alles Atze“ fast schon große Kunst.
Schröder (lacht): Tja, es war halt alles sehr augenzwinkernd. Okay, wenn man das alles ernst genommen hat, konnte man vielleicht sagen: Wie prollig! Aber das sollte ja der Effekt sein. Mittlerweile ist die Comedy immer mehr zum Popgeschäft geworden. Comedy funktioniert heute wie ein Popsong, geht nicht mehr besonders tief, ist schnell zu konsumieren. Hoch die Tassen – und weg.
Sie sagten mal, Sie seien Kabarettist, im Grunde Ihres Herzens.
Schröder: Ja, unbedingt. Und vielleicht achte ich heute sogar mehr denn je darauf. Wenn ich mich über die Frisur von Ursula von der Leyen lustig mache, gibt's mit Sicherheit den einen oder anderen Seitenhieb in Richtung Arbeitsmarktpolitik.
Kabarett und die Figur Atze Schröder ist für viele erstmal gewöhnungsbedürftig.
Schröder: Na ja, es war sicherlich schwierig, weil ich von vorneherein in einer Ecke stand. Andererseits kann ich mich wirklich nicht beschweren. Ich habe ganz nette Zuhörer – ich sage jetzt bewusst nicht Fans –, die mittlerweile auch bei vielen Themen mitgehen.
Haben Sie es schon mal bereut, sich an diese Figur gekettet zu haben?
Schröder: Nee, wirklich nicht. Mir macht das richtig Spaß, auch wegen der Ironie, die ich auf der Bühne ausleben kann. Und Atze hat sich ja auch weiterentwickelt, er ist nicht mehr der, der er vor 15 Jahren war. Das ist einfach auch die Art des Humors. Man macht ja immer die Comedy am besten, über die man selber gerne lachen würde beziehungsweise lacht. Und da fühle ich mich sehr wohl. Diese Flapsigkeit, diese Volkstümlichkeit finde ich schon ziemlich gut. Und die Bühne ist dat, was mich gefangen nimmt und was mir am meisten Spaß macht. Im günstigsten Fall schaukelt man sich am Abend in der Stimmung auch mit dem Publikum hoch. Und dat is dann besser als Sex. Vor allen Dingen öfter.
Sie engagieren sich gegen die Kindersklaverei in Ghana – auch das als Figur Atze Schröder.
Schröder: Natürlich aus einem privaten Antrieb heraus, aber Atze schafft eine entsprechende Öffentlichkeit. Meine Aufgabe dabei ist es hauptsächlich, Spendengelder einzutreiben, damit dann in Ghana etwas Vernünftiges auf die Beine gestellt werden kann. Und das gelingt natürlich als öffentlicher Atze Schröder besser, dann kommt man schon mal eher ins Vorstandsbüro, um da etwas Budget locker zu machen.
Atze Schröder in Würzburg
Er heißt in Wahrheit gar nicht so: Atze Schröder ist eine mehrfach ausgezeichnete Bühnenfigur der deutschen Comedyszene. Ihr Erfinder und Darsteller tritt mit ihr seit 1995 auf. Seine bürgerliche Identität versucht er verborgen zu halten, gegen die Veröffentlichung seines richtigen Namens ging er schon erfolgreich gerichtlich vor. Nach der fiktiven Biografie wurde Atze Schröder am 27. September 1965 im Essener Stadtteil Kray geboren. Am Freitag, 26. Oktober (20 Uhr), gastiert Schröder in der Würzburger s.Oliver Arena. Karten: Tel. (09 31) 60 01- 60 00 oder Tel. (0 18 05) 60 70 70, im Internet: www.argo-konzerte.de