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First Lady der Klarinette

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First Lady der Klarinette

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    „Ich wollte nie etwas anderes“: Sabine Meyer, Klarinettistin von Weltruf.
    „Ich wollte nie etwas anderes“: Sabine Meyer, Klarinettistin von Weltruf. Foto: Foto: T. Rabsch

    Deutschlands „First Lady der Klarinette“ besticht außer mit ihrem brillanten Spiel vor allem durch ihre Natürlichkeit: Locker und unkompliziert präsentiert sich Sabine Meyer im Gespräch, immer wieder huscht ein Lächeln über ihr Gesicht, aus dem sich häufig ein herzliches Lachen entwickelt. Allein bei den Stichworten Berlin und Karajan reagiert die 51-Jährige noch immer etwas unwirsch: 1984 kam es ihretwegen zum Zerwürfnis zwischen Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern. Am 19. Juni gastiert Sabine Meyer beim Kissinger Sommer mit dem „Trio di Clarone“ und dem Pianisten Christian Ruvolo (das Konzert ist ausverkauft). Ein Gespräch über Karajan, die Philharmoniker und die Fantasie der Musikindustrie.

    Frage: Wer Ihre Konzertprogramme und CDs durchstöbert, hat den Eindruck, als hätte es einer Sabine Meyer bedurft, viele längst vergessenen Stücke wieder ins Rampenlicht zu holen. Auch beim Kissinger Sommer spielen Sie wieder einige Raritäten – sind Sie so neugierig?

    Sabine Meyer: Ich bin keine, die Stücke ausgräbt und unbedingt Sachen spielen will, die keiner kennt. Aber diese Werke besitzen wir nun mal, und immer mehr Veranstalter fragen, ob ich nicht noch etwas Neues im Repertoire habe – und sind dann auch bereit, solch ein Experiment einzugehen.

    Nun erreichen solche zeitgenössischen Werke nur selten die Lebensdauer eines Mozarts, sondern verschwinden oft spätestens nach 30 Jahren wieder in der Versenkung.

    Meyer: Na, warten wir mal ab, noch sind die 30 Jahre ja nicht vorbei (lacht). Im Übrigen gab es auch zu Mozarts Zeiten Hunderte anderer Komponisten, über die heute keiner mehr ein Wort verliert. Doch bin ich sicher, dass zeitgenössische Komponisten wie Rihm, Eötvös, Isang Yun oder György Ligeti die kompositorische und musikalische Substanz haben, um sich dauerhaft durchzusetzen.

    Ein großer Teil des Publikums tut sich dennoch sehr schwer mit diesen ungewohnten Klängen . . .

    Meyer: . . . natürlich. Das ist ja auch keine Musik, bei der man sich zurücklehnen kann und die man gleich beim ersten Mal begreift. Aber wenn sie gut komponiert ist, hört ein interessierter Zuhörer auch die Originalität heraus und erkennt, dass es sich um gute Musik handelt – selbst Menschen mit einem traditionell geschulten „Hörvermögen“, die mit Neuer Musik beim ersten Hören vielleicht nichts anzufangen wissen. Beim zweiten oder dritten Hören kommt schon ein gewisses Aha-Erlebnis. Und überhaupt: Wer hat denn schon zur Zeit ihrer Entstehung die späten Beethoven-Streichquartette begriffen? Die verstand seinerzeit auch keiner, das war modern, und die Leute waren schockiert . . .

    Ihnen werden ja häufig Stücke von jungen, mehr oder minder hoffnungsvollen Komponisten angetragen – was sind K.o.-Kriterien für Sie, die ein Werk für eine Aufführung ausschließen?

    Meyer: Es gibt zwei Richtungen: Das eine sind diejenigen, die sehr traditionell komponieren – das klingt wie Skrjabin und könnte vor hundert Jahren geschrieben worden sein. Das hat nichts mit Neuer Musik zu tun, das lehne ich auch ab. Das andere Extrem ist, wenn es allzu experimentell wird. Ich habe einfach keine Lust, die Klarinette auseinanderzubauen, nur noch zu singen oder mich zur Hälfte ausziehen zu müssen (lacht) . . .

    Aufmerksamkeit erregen um jeden Preis – ein Mittel, auf das ja auch die Musikindustrie in den letzten Jahren zunehmend zurückgreift.

    Meyer: Oh ja, die fantasievollen Gedanken der Musikindustrie – die kenne ich zur Genüge! Die kommen auf die Idee: „Sabine Meyer spielt Weihnachtslieder aus allen Kontinenten“, das vermarkten wir dann, große Klasse . . . Oder ich spiele das Mozart-Konzert in Fußballstadien zusammen mit Cecilia Bartoli, denn das ließe sich dann a la Netrebko richtig groß aufziehen . . . Nein, danke schön, das muss ich nicht haben. Als Künstlerin habe ich da auch noch eine Verantwortung, ich würde mich dafür nicht hergeben und in einer Riesenhalle mit Mikrofon einen langsamen Mozartsatz abspielen. Das muss ich dem Stück nicht antun – und mir auch nicht.

    Sie teilen also nicht das gern benutzte Argument, dass sich auf diese Weise ein neues Publikum für die Klassik gewinnen ließe?

    Meyer: Das stößt mindestens ebenso viele ab, die sich nämlich fragen: Warum macht sie das bloß? Nein, da sollte man auf sein Mitspracherecht als Künstler pochen.

    Liegt das Klarinettenspiel in Ihrer Familie eigentlich in den Genen? Ihr Großvater war ebenso Klarinettist wie Ihr Vater, und auch Ihr fünf Jahre älterer Bruder Wolfgang spielt das Instrument.

    Meyer: Ich habe nie überlegt: Was werde ich mal in meinem Leben machen? Das war für mich immer klar: Ich wollte Musik machen. Und mit elf Jahren stand für mich fest, dass ich Klarinettistin werden wollte.

    Sie haben mit fünf Jahren begonnen, Geige und Klavier zu spielen, mit acht kam die Klarinette hinzu. Haben Sie jemals darüber nachgesonnen, durch diese frühe Konzentration auf die Musik in Ihrer Kindheit anderes versäumt zu haben?

    Meyer: Nein, das Gefühl hatte ich nie. Natürlich hat man mir oft gesagt: Um Gottes willen, wie konntest Du nur solch ein auf die Musik zugeschnittenes Leben führen. Aber ich wollte auch nie etwas anderes! Wohl war ich nur zweimal in meinem Leben in einer Discothek, aber dem trauere ich nicht nach. Rein, nach zwei Minuten war ich wieder draußen. Insofern habe ich bestimmt etwas versäumt, weil ich meine Zeit nicht nächtelang dort verbracht habe . . . (lacht)

    Ihr Name ist seit über 25 Jahren nicht nur einer eingeschworenen Klassikgemeinde ein Begriff.

    Meyer: Natürlich kennt man in Deutschland, Europa und auch darüber hinaus meinen Namen, herrührend von der Publicity, die ich damals hatte. Dabei spielen mein Bruder oder mein Mann nicht schlechter Klarinette als ich, wir sind alle gleich gut, haben beim selben Lehrer studiert und dieselben Vorstellungen vom Musizieren. Nur bei ihnen gab's eben nichts Spektakuläres . . .

    . . . wo Sie den Krach nun schon indirekt selbst andeuten, den es 1984 zwischen Karajan und den Berliner Philharmonikern um Ihre Anstellung gab: Wie reagieren Sie denn heute auf die Worte Karajan und Berliner Philharmoniker?

    Meyer: Da müssen wir jetzt aber nicht drüber reden. Da kann ich sehr ungemütlich werden . . .

    . . . auch nach 26 Jahren noch?

    Meyer: Was heißt noch immer? Was wollen Sie denn um Himmels willen hören? Natürlich habe ich inzwischen eine Distanz zu den Geschehnissen entwickelt und kann damit auch umgehen. Nur finde ich es schade, dass einen die Journalisten immer wieder darauf ansprechen. Auch wenn das hohe Wellen geschlagen hat damals: Die Zeit ist einfach lang vorbei, man muss das doch nicht immer wieder aufwärmen. Irgendwann habe ich einfach genug davon . . .

    . . . weshalb ich diese Frage ja auch nicht an den Anfang unseres Gesprächs gestellt habe.

    Meyer (lacht): Ja, Sie haben nicht damit angefangen. Sehr lobenswert! Deshalb springe ich Ihnen auch nicht an die Gurgel.

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