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FRANKFURT: Friedenspreisträger denkt an militärische Schritte

FRANKFURT

Friedenspreisträger denkt an militärische Schritte

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    Navid Kermani
    Navid Kermani Foto: Foto: dpa

    (dpa/KNA) Der deutsch-iranische Autor Navid Kermani hat eindringlich an die internationale Gemeinschaft appelliert, die Kriege in Syrien und dem Irak zu beenden. Dazu seien weit entschlossenere diplomatische und möglicherweise auch militärische Schritte notwendig, sagte der 47-jährige Orientalist bei der feierlichen Entgegennahme des mit 25 000 Euro dotierten Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche vor fast 1000 Besuchern.

    „Erst wenn unsere Gesellschaften den Irrsinn nicht länger akzeptieren, werden sich auch die Regierungen bewegen“, sagte Kermani, der als Sohn iranischer Einwanderer in Siegen geboren ist und heute in Köln lebt. Der Krieg könne nur von den Mächten beendet werden, die hinter den befeindeten Armeen und Milizen stehen. Dazu gehörten der Iran, die Türkei, die Golfstaaten, Russland und auch der Westen.

    „Wahrscheinlich werden wir Fehler machen, was immer wir jetzt noch tun“, sagte Kermani. „Aber den größten Fehler begehen wir, wenn wir weiterhin nichts oder so wenig gegen den Massenmord vor unserer europäischen Haustür tun, den des ,Islamischen Staates' und den des Assad-Regimes.“ Kermani bezeichnete es als „beglückend“, dass sich vor allem in Deutschland so viele Menschen für Flüchtlinge einsetzten. Er forderte aber zugleich eine Debatte über die Ursachen des Terrors und der Fluchtbewegung. Dazu gehöre auch die Frage, wie die Politik in Deutschland die Katastrophe „vor unseren Grenzen“ befördert hat. „Wir fragen nicht, warum unser engster Partner im Nahen Osten ausgerechnet Saudi-Arabien ist“, kritisierte Kermani, der dem Land die Finanzierung des Dschihadismus vorwarf.

    Der Friedenspreis gehört zu den bedeutendsten Kulturpreisen in Deutschland und wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels seit 1950 verliehen. Im vergangenen Jahr hatte US-Internetpionier Jaron Lanier die Auszeichnung erhalten. Kermani sei „eine der wichtigsten Stimmen“, die zwischen den Erfahrungswelten von Menschen unterschiedlichster nationaler und religiöser Herkunft vermittelten, so die Begründung des Stiftungsrats des Friedenspreises. Der Literaturwissenschaftler Norbert Miller hielt die Laudatio und hob hervor: „Die Jury hat den Friedenspreis in einem Augenblick, da die Fluchtbewegungen das Ausmaß einer Völkerwanderung erreicht haben, an Navid Kermani vergeben. Ich bin stolz und glücklich, in unser aller Namen ihm zu gratulieren.“

    Zuvor war Miller unter anderem auf Kermanis Reportagen auch über das Flüchtlingsdrama eingegangen. Der Autor lebe und denke in zwei Kulturkreisen. Kermani studierte Islamwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft. Vor etwa zehn Jahren habilitierte er sich im Fach Orientalistik mit „Der Schrecken Gottes – Attar, Hiob und die metaphysische Revolte“.

    Zuletzt erschien von ihm in diesem Jahr „Ungläubiges Staunen – Über das Christentum“, in dem er sich in die christliche Bildwelt versenkt. Schon vor dem Friedenspreis war Kermani mehrfach ausgezeichnet worden: etwa 2011 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille, die für die Verständigung zwischen Christen und Juden verliehen wird, oder 2014 mit dem Joseph-Breitbach-Preis.

    Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, gratulierte Kermani. „Dialog ist gut. Dialog ist anstrengend. Dialog macht stark“, so Mazyek. Navid Kermani habe „diesen Weg des unermüdlichen Einsatzes zur Versöhnung der Religionen und Kulturen literarisch und intellektuell in seinem Schaffen aufbereitet“. Die Verleihung des Preises an ihn sei auch Ausdruck eines „Deutschlands der neuen Vielfalt“.

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