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WÜRZBURG: Hofkirche: Neuer Glanz für altes Würzburger Juwel

WÜRZBURG

Hofkirche: Neuer Glanz für altes Würzburger Juwel

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    Damals rief der Residenzverwalter Fachleute aus München nach Würzburg. Was sie in luftiger Höhe entdeckten, verhieß nichts Gutes. Ein Konservierungskonzept musste her. In der Kirche selbst wurde als erste Maßnahme ein feines Netz gespannt, damit Kirchenbesuchern nichts auf den Kopf fällt. Doch nicht nur die brüchige Kuppelmalerei macht dem Verwalter der Residenz Sorgen. Der gesamte obere Bereich der Hofkirche bedarf dringend einer umfassenden Restaurierung.

    Für Kirchenbesucher sind die Schäden kaum erkennbar. Aus der Nähe betrachtet, fallen sie jedoch schnell ins Auge. Die üppigen Zierdekorationen bröseln an unzähligen Stellen, die gemalte Oberfläche des Stuckmarmors hat Risse. Deshalb wird ab Oktober 2009 die Hofkirche für mindestens drei Jahre ihre Pforte schließen. So lange dauern die aufwendigen Rettungsmaßnahmen. 3,5 Millionen Euro wird der Freistaat Bayern investieren.

    Die Zerstörung Würzburgs 1945

    „Ursache der Schäden ist die Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945“, sagt Leitender Baudirektor Joachim Fuchs, Amtschef des Staatlichen Bauamtes Würzburg und gesamtverantwortlich für die Restaurierungsarbeiten. Glück im Unglück war, dass bei der Bombardierung Würzburgs „nur“ die Dachstühle abbrannten, die Gewölbe dem Angriff standhielten. „Dennoch ist durch die Löscharbeiten und wegen des über eine lange Zeit fehlenden Daches viel Wasser in Gewölbe und Mauerwerk und in die Ausstattung aus Kalk und Gips eingedrungen.“ Diese Mineralien enthalten Salze. „Wenn sie mit Wasser in Berührung kommen, dann vergrößern die sich massiv. Das führt zu extremen Spannungen, Ausdehnungen und Sprengungen.“

    Wegen dieser Salzausblühungen muss beispielsweise in den Kuppeln Schicht für Schicht überprüft werden, ob sie noch miteinander verbunden sind: die Malschicht mit dem Untergrund (Putz), der Untergrund mit dem Gewölbe. Das ist, so Fuchs, sehr diffizil, arbeits- und zeitaufwendig. Die Restfeuchte ist das eine Problem. Das andere hat seinen Ursprung in der Nachkriegs- beziehungsweise Wiederaufbauzeit. Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre haben Restaurateure zwar „nach bestem Wissen und Gewissen“ die beschädigten Stuckdekorationen von Antonio Bossi wiederhergestellt. „Sie hatten jedoch nicht die Laborkenntnisse wie wir heute“, erläutert Fuchs die damaligen Möglichkeiten, ohne sie zu kritisieren. Denn sonst hätte man sicher anders gehandelt.

    Vor rund 50 Jahren wurde für die Fehlstellen an den Zierelementen Gips aus der Gegend verwendet. Er enthält einen hohen Anteil an Magnesiumsulfat. In Verbindung mit Wasser führt dies zu einer Kristallisation und letztlich zu Auflösungserscheinungen des einst festen Materials. Im Bereich der Emporen und des Gewölbes platzen deshalb die Vergoldung oder die Oberfläche des bemalten Stuckmarmors ab. Was darunter hervorquillt, sieht nicht mehr wie harter Gips aus, sondern wie ein weicher Wattebausch. Bei geringster Berührung fällt er in sich zusammen. Bei diesem Zustand helfen nur noch radikale Lösungen. „Wir haben uns dazu entschieden, den ganzen Gips aus den 1960er Jahren zu entfernen“, sagt Joachim Fuchs. An einigen Stellen wurde bereits der Ernstfall geprobt und ein sogenannter Opferputz auf die freigelegte Originalsubstanz aus dem 18. Jahrhundert aufgebracht, um sie zu entsalzen.

    Der Name ist bezeichnend: „Wenn sich der Opferputz vollgesaugt hat, wird er abgenommen“, erläutert Fuchs den Vorgang. Anschließend wird mehrfach neuer Gips aufgetragen, „um dem Original in der formalen Wirkung so nahe wie möglich zu kommen“. Der Experte vermutet, dass auch unter den Vergoldungen, deren Oberflächen noch intakt aussehen, der Gips bereits „blüht“. Deshalb werden die Restaurateure chemische, elektrische und elektromagnetische Methoden wie die Infrarot-Spektroskopie und Röntgenstrahlen einsetzen, um zu sehen, wie es unter der glänzenden Schicht aussieht. „Dabei müssen wir sehr vorsichtig sein, damit nicht noch mehr zerstört wird.“ Jeder Quadratzentimeter wird wie mit Samthandschuhen angefasst und untersucht.

    Außergewöhnlicher Raumentwurf

    Der enorme Aufwand wurde bereits bei den Arbeiten im Treppenhaus sowie im Kaisersaal der Residenz betrieben. Er ist auch bei der Hofkirche gerechtfertigt. Schließlich ist sie exponierter Teil eines Meisterwerks barocker Baukunst. Über zehn Jahre lang dauerten die Planungen, bis 1731 der berühmte Baumeister Balthasar Neumann zu seinem außergewöhnlichen Raumentwurf fand. Bis dahin sahen die Planungen, etwa von Maximilian von Welsch, Johann Dientzenhofer, Germain Boffrand oder Lukas von Hildebrandt, aber auch von Neumann selbst, ganz anders aus. Ursprünglich sollte der Kirchenraum ein Oval sein. Auch die vorgesehene Lage war woanders: in der Mitte des Nordflügels am Rennweger Ring. Als der 1729 zum Fürstbischof gewählte Graf Friedrich Karl von Schönborn beschloss, lieber im Südflügel zu wohnen, waren alle Entwürfe und Vorstellungen seiner Vorgänger passé. Die Privatgemächer des Kirchenfürsten lagen üblicherweise in unmittelbarer Nähe seiner Hauskapelle. So wanderte sie vom Nordflügel in den Südflügel der Residenz.

    Überraschung im Inneren

    Neumanns Planung liegt eine geniale, die starren Grenzen des Raums sprengende Idee zugrunde, die sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick erschließt. Von außen ist die Hofkirche nicht erkennbar. Lediglich die kleine Freitreppe zum Portal unterbricht den symmetrischen Aufbau der Residenz. Im Innern jedoch erwartet Kirchenbesucher eine Überraschung. Neumann löste den rechteckigen Kastenraum in Rundungen auf. Fünf Rotunden reihen sich aneinander: eine große, zwei kleinere sowie dazwischen eingestellte sogenannte sekundäre ovale Raumkörper, die zu den anderen vermitteln und sie verbinden. So ergibt sich eine schwungvolle Binnenstruktur.

    Gekurvte Wandstücke ragen in den Raum. Die Säulenkolonnade samt dem umlaufenden Gebälk geben ihm Rhythmus und Bewegung. Drei aufeinanderfolgende Kuppeln schließen die zweigeschossige Hofkirche nach oben hin ab. Auch dies ahnt der Besucher nicht. Von außen deutet nichts darauf hin.

    Die prächtige Innenausstattung, gefertigt von Antonio Bossi, Johann Wolfgang von der Auwera und Johann Rudolf Byss, besteht aus grauem, rötlichem und hellgelbem Stuckmarmor, aus runden und gedrehten Säulen, aus vergoldetem Dekor in Hülle und Fülle sowie figürlichem Schmuck und Malereien. Der Raumeindruck ist überwältigend. Das soll er auch in Zukunft sein. Schließlich gibt es ihn so kein zweites Mal. „Die Hofkirche zählt zu den bedeutendsten barocken Kirchenbauten im süddeutschen Raum“, betont Weiler. Und Residenz samt Hofkirche gehören ja auch zum Weltkulturerbe der UNESCO.

    Der Leiter der Schlösserverwaltung bedauert, dass die Hofkirche für längere Zeit geschlossen wird. „Sie ist nicht nur die Lieblingskirche der Würzburger, sondern auch ein begehrter Trauort.“ Doch einer, der seinen Glanz stückweise verliert, „insofern steht das Interesse an der Erhaltung über anderen Interessen“. Und Fuchs orakelt, dass eine geschlossene Hofkirche vielleicht weniger Scheidungen bedeuten könnte . . .

    Sicher ist sich der Baudirektor, was die Hofkirche für ihn und die Restaurateure bedeutet. Sie ist neben der bereits abgeschlossenen Erhaltungsmaßnahme im Treppenhaus und der im Frühjahr 2009 beendeten Restaurierung des Kaisersaals der Residenz ein weiterer Höhepunkt in der beruflichen Laufbahn, denn: „Was gibt es Wichtigeres in Würzburg?“

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