Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

FERNSEHEN: Im Paradies - mit "Flipper"

FERNSEHEN

Im Paradies - mit "Flipper"

    • |
    • |
    „Man ruft nur Flipper, Flipper, gleich wird er kommen“: Luke Halpin und sein Delfin in der Serie „Flipper“ aus den 60ern.
    „Man ruft nur Flipper, Flipper, gleich wird er kommen“: Luke Halpin und sein Delfin in der Serie „Flipper“ aus den 60ern. Foto: Foto: Cinetext

    Es gab einmal eine Zeit, da waren Fernsehserien wie „Flipper“, „Daktari“ oder „Bonanza“ Legenden im ursprünglichen Sinn des Wortes. Sie waren selige Kindheitserinnerungen, die in immer neuen Nacherzählungen zu authentischen Erlebnissen verklärt wurden. Irgendwie war jeder mit diesen Serien aufgewachsen, und irgendwie waren sie untrennbar mit den ersten Phasen der Weltwahrnehmung verbunden. Und so kam dem Austausch darüber die Funktion der Spurensuche nach den Anfängen der eigenen Identität zu – vergegenwärtige dir, was du einst empfunden hast, wenn Flipper in Not war, und du weißt, wer du bist.

    Das war die Zeit vor der Flut der privaten Fernsehprogramme, vor DVD und YouTube. Heute scheint es, als laufe jede jemals gesendete Serie jederzeit auf einem der Kanäle, für die man auf der Fernbedienung mehrere Tasten drücken muss. War früher jede Generation auf einem gemeinsamen Zeitstrahl unterwegs, so herrscht heute eine Art Ubiquität der medialen Erinnerungen, eine Allgegenwart der Eindrücke – alles findet gleichzeitig statt, eine Vergangenheit gibt es nicht mehr, weil die Erfahrungen der Vergangenheit jederzeit durch die Gegenwart verifiziert und damit entzaubert werden.

    Vielleicht ist bei „Flipper“ die Verklärung am stabilsten, weil die Serie, gedreht von 1964 bis 1968, so konsequent in ihrer Utopie verharrt. „Flipper“ ist eine Version des Paradieses auf Erden, eine Ahnung, wie die Welt sein könnte, wenn immer die Menschen – und Tiere – guten Willens die Oberhand behielten. Schon die Tatsache, dass ein Delfin sich praktisch verbal mit seinen Menschen unterhält, ist hochgradig utopisch. Heute wissen wir längst, dass die Delfine während der Dreharbeiten hartem Stress ausgesetzt waren und dass sie nach deren Ende in Depression verfielen, weil sie plötzlich keine Ansprache mehr hatten. Delfine gehören nicht in Gefangenschaft. Sie sind ohne uns besser dran, und Kuscheltiere sind sie schon gar nicht. Vermutlich sind sie ohnehin viel schlauer als wir.

    Douglas Adams hat das in seiner sechsbändigen Trilogie „Per Anhalter durch die Galaxis“ sehr schön auf den Punkt gebracht. Hier verlassen die Delfine die Erde kurz bevor diese zerstört wird, um einer Weltraum-Umgehungsstraße Platz zu machen. Sie waren hier gewesen, um den Menschen zu studieren, und nun ziehen sie weiter: „Macht's gut und danke für den Fisch.“

    Doch damals prägten Sandys tiefsinnige Dialoge mit Flipper unser Bild von der Kommunikation Mensch–Tier: Es war ungeheuer tröstlich zu wissen, dass es dieses tiefe Einverständnis zwischen den Spezies geben konnte. Hinzu kam die paradiesische Atmosphäre, in der sich das alles abspielte. Viele hatten damals nur einen Schwarz-Weiß-Fernseher, aber sie hätten jederzeit beschworen, in welch wunderbaren Grün- und Blautönen das Meer vor Florida leuchtete. Man sah vielleicht keine Farben, aber diese magische Spiel des Lichts, das sah man. David Hockney hat genau diese Art Zauber in seinen Pool-Bildern eingefangen: Wasser, das eigentlich gar nicht nass ist. Das im Grunde nur ein Medium der Schwerelosigkeit ist, eine Verheißung der Freiheit.

    Und dazu dieses heimelige Bullern von Klarinette, Oboe und Flöte – selten hat die Musik in einer Fernsehserie so suggestive Kraft gehabt.

    „Flipper“ ist in jeder Hinsicht ein Idyll. Allerdings ein bedrohtes Idyll. Zwei Jungs und ihr Vater, die den ewigen Sommer in einem Haus am Meer verbringen. Der Vater, Porter Ricks, ist irgendwie dafür verantwortlich, dass das Paradies ein Paradies bleibt, die Jungs, Sandy und Bud, müssen offenbar nie zur Schule oder auch nur zum Einkaufen. Sie sind immer mit nacktem Oberkörper unterwegs, und doch erkälten sie sich nie. Sie müssen keine kratzigen Pullis anziehen, keine albernen Pudelmützen aufsetzen.

    Dafür müssen sie die ständigen Übergriffe der Außenwelt abwehren. Bösewichter etwa, die unbedingt Gift ins Meer kippen wollen. Oder eine wertvolle Blutspende fällt ins Wasser und muss von Flipper hochgetaucht werden. Er versteht immer sofort, was zu tun ist, und meistens weiß er lange vor den Menschen, dass Gefahr droht. Diese Gabe allerdings hat Flipper nicht für sich gepachtet. Es gibt einen wunderbaren Cartoon, auf dem ein Hund sich gerade an einem Rednerpult einrichtet, sein Manuskript ordnet, die Brille, das Mikrofon zurechtrückt. Der Text dazu: „Ich glaube, Lassie will uns etwas sagen.“

    „Flipper“ ist, wenn man so will, die Krönung der Tierserie. Schlaue Hunde, schlaue Pferde, das war schon damals nichts Besonderes mehr, aber ein schlauer Delfin, das hatte was. Dagegen war die Antwort aus Australien, „Skippy das Buschkanguru“, nicht annähernd so charismatisch. Da war sogar der Hubschrauber mit den dicken Schwimmrümpfen irgendwie faszinierender. Natürlich verliert auch die Legende „Flipper“ in den Augen des Erwachsenen einiges von ihrer Magie. Aber wenn heute die Plots doch reichlich albern erscheinen – das impressionistisch selbstvergessene Spiel von Klängen, Licht, Luft und Wasser, das wirkt immer noch.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden