In diese Zeit erhitzter Gemüter und gegenseitigen Misstrauens fiel die Eröffnung der achten Abteilung im Pariser Louvre, die sich den Künsten des Islam widmet, und das über die rein religiöse Bedeutung hinaus. Es gehe darum, „das leuchtende Gesicht einer unendlich vielfältigen und reichen Zivilisation zu präsentieren“, erklärt Museumsdirektor Henri Loyrette. Dass die Dauerausstellung gerade in diesem Kontext eröffnet werde, zeige, dass sie notwendiger sei denn je.
Schon ihre Ankündigung am 14. Oktober 2002 durch den damaligen Präsidenten Jacques Chirac war ein gutes Jahr nach den Terroranschlägen in den USA und zwei Tage nach dem El-Kaida-Attentat auf Bali mit 202 Toten erfolgt. Chiracs Nachfolger Nicolas Sarkozy unterstützte das Projekt, François Hollande kam nun zur Eröffnung. Es handelt sich um die größte bauliche Veränderung des ehemaligen Königspalastes und renommierten Museums im Zentrum von Paris, seit vor mehr als 20 Jahren die moderne Glaspyramide den neuen Eingang bildete und das Finanzministerium auszog, um ganz der Kultur Platz zu machen. Die neue Sektion ist kaum weniger spektakulär: Die Architekten Mario Bellini und Rudy Ricciotti haben im Visconti-Innenhof ein sich wellendes Dach aus Glas und Stahl mit Schrägstützen und Tausenden von goldenen Metalldreiecken erbaut und damit einen reizvollen Gegensatz zwischen historischen Fassaden und Avantgarde-Architektur geschaffen. Bellini nennt es eine „Düne aus Gold, den Flügel einer Libelle, einen fliegenden Teppich“: „Aber man darf das nicht zu oft wiederholen. Das würde heißen, dass es nicht für sich selbst spricht.“
Das aber tut es. Das Glasdach filtert das ins Parterre einfallende Licht, das den ersten Teil der Ausstellung beherbergt, und fächert es weiter ins Untergeschoss. Angeboten wird ein chronologischer Spaziergang durch zwölf Jahrhunderte und über drei Kontinente, die Präsentation einer riesigen Zivilisation, die sich von Spanien bis Indien ausgebreitet hat. Fast 3000 Kunstwerke auf insgesamt 2800 Quadratmetern schlagen einen faszinierenden Bogen durch Raum und Zeit: Keramikgefäße und filigrane Öllampen, Goldschmiedekunst, riesige Teppiche, opulente Türportale und prachtvoll schillernde Wandmosaike – als Höhepunkt dabei Rekonstruktionen der Großen Moschee von Damaskus, die im 19. Jahrhundert zerstört wurde. Oder das orientalische Bassin, von den Mamelucken angefertigt und während der Kreuzzüge nach Frankreich gebracht, wo es als Taufbecken von Louis XIII. diente.
Der Begriff des Islam ist bewusst weit gefasst und bezieht auch nicht-muslimische Völker mit ein sowie die fortdauernde Durchmischung der Kulturen. Kuratorin Sophie Makariou spricht vom jahrhundertelangen wechselseitigen Einfluss von Islam und westlicher Welt und dem Versuch einer Ergänzung statt Abgrenzung: „Dem Islam seine Größe wiedergeben und nicht den Dschihadisten zu überlassen, ist fundamental.“
An den Kosten von 98 Millionen Euro beteiligten sich Mäzene massiv. Während der französische Staat nur ein Drittel und auch der Louvre selbst nur 11,5 Millionen beitrugen, stammt ein Viertel vom König von Marokko, dem Emir von Kuwait, dem Sultan von Oman und der Republik Aserbaidschan, außerdem gaben der saudische Prinz al-Walid ben Talal und französische Konzerne wie Total und Lafarge Geld. Nur mit dieser Hilfe konnten die Künste des Islam den Platz bekommen, den sie verdienen, erklärt Museumsdirektor Loyrette – für eine der schönsten und vollständigsten Sammlungen islamischer Kunst weltweit.
Öffnungszeiten: Mo., Do., Sa. und So. von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Mi. und Fr. von 9 bis 21.45 Uhr.