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Interview mit Angela Winkler: Indianergesänge im Regen

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Interview mit Angela Winkler: Indianergesänge im Regen

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    „Ich wollte eigentlich immer Sängerin werden“: Angela Winkler (unten mit Mario Adorf in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ und ganz unten rechts als Spelunken-Jenny in einer Berliner Inszenierung von Brechts „Dreigroschenoper“).
    „Ich wollte eigentlich immer Sängerin werden“: Angela Winkler (unten mit Mario Adorf in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ und ganz unten rechts als Spelunken-Jenny in einer Berliner Inszenierung von Brechts „Dreigroschenoper“). Foto: Fotos: Harald Hoffmann, Cinetext (2)

    Man könnte Angela Winkler stundenlang zuhören. Nicht nur wegen dieses wunderbaren, aus einem Glucksen heraus entspringenden Lachens: Die Schauspielerin ist auch mit 67 noch Kind geblieben. Bekannt geworden durch Schlöndorffs „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ und später in der Oscar-prämierten Grass-Verfilmung „Die Blechtrommel“ zu sehen, feierte sie jahrzehntelang auch auf Theaterbühnen Erfolge. Nun hat Winkler ein Album mit Lieblingsliedern besungen: Auf „Ich liebe dich, kann ich nicht sagen“ sind Klassiker und unbekanntere Chansons zu hören. Ein Gespräch über Kraft und Macht der Musik, über Singen im Regen und das Leben auf dem Land.

    FRage: Träumten Sie tatsächlich schon als Kind davon, später mal auf der Bühne zu singen?

    Angela Winkler: Ich wollte eigentlich immer Sängerin werden – und bin dann irgendwie zur Schauspielerei gekommen. Als ich 15 Jahre alt war, habe ich einen Film gesehen, der mich unglaublich fasziniert hat: „Plötzlich im letzten Sommer“ mit Elizabeth Taylor. Danach war es um mich geschehen, und ich wollte Schauspielerin werden.

    Was hat für Sie als Kind das Singen bedeutet?

    Winkler: Singen hat natürlich auch immer etwas mit Träumen zu tun – ich habe etwa in Tunnels Mozarts „Königin der Nacht“ angestimmt. Und meine Mutter erzählt immer, ich sei so ein stilles Kind gewesen, hätte an Pfützen gesessen und gesungen.

    Formen Musik und Gesang ein Kind in seiner Persönlichkeit?

    Winkler: Ich finde es schon schön, wenn Kinder singen können. Das kam ja nicht nur von meiner Mutter, sondern auch aus mir heraus, wenn wir nackig in den Regen hinausgelaufen sind und unsere Indianergesänge im Regen angestimmt haben. Singen hat ja auch mit Fantasie und Freiheit zu tun. Deshalb finde ich es schade, wenn man in der Schule nicht mehr diese alten Volkslieder lernt.

    „Ich will keine Memoiren schreiben. Das interessiert mich nicht.“

    Angela Winkler

    Was gefällt Ihnen denn an Ihrem Gesang?

    Winkler: Ich singe wirklich wahnsinnig gerne, und als ich vor einigen Jahren mal in Montepulciano gesungen habe, fiel mir auf, dass die Menschen durch meinen Gesang berührt wurden. Im Theater habe ich eine Rolle und spiele einen anderen Menschen – wenn ich aber singe, dann bin das ich, und meine Stimme berührt einen anderen oder eben auch nicht. Das finde ich spannend, sich allein darauf zu konzentrieren und daran zu arbeiten, denn anders als die Tiere kann der Mensch mit seiner Stimme so unglaublich viel ausdrücken, Trauer, Freude, Schmerz.

    Lässt sich im Gesang noch mehr ausdrücken als im Sprechtheater?

    Winkler: Man kann mehr berühren durch Gesang, deshalb wird in Filmen wie im Theater ja auch Musik eingesetzt, das steigert die Emotionen. Da können die Schauspieler ganz wild schreien, plötzlich ertönt eine Melodie, und man kommt in eine andere Welt. Musik hat schon eine ganz große Kraft und Macht.

    Ist es für Sie dabei von Vor- oder Nachteil keine klassische Gesangsausbildung zu haben?

    Winkler: Ich glaube, das ist von Vorteil. Als wir letztes Jahr diesen Volksliederabend gemacht haben, hat Thomas Quasthoff mir gesagt: „Angela, du singst so, wie die Sänger eigentlich singen sollten.“ Ich habe ja nicht den Atem eines Sängers, die können riesige Bögen spannen, aber weil ich den nicht habe, mache ich halt eine Pause. Die vermag ich zu füllen, weil ich Schauspielerin bin.

    Volker Schlöndorff hat zu Ihrem 60. Geburtstag geschrieben: „Man sieht keinen Film oder kein Stück mit Angela Winkler, sondern man sieht einen Film oder ein Stück über Angela Winkler.“ Hören wir nun auch Lieder über Angela Winkler?

    Winkler: Das könnte man sagen . . . Aber ich weiß nicht . . . Das ist mir zu sehr an den Haaren herbeigezogen, und ich finde es auch ein bisschen beleidigend und maßlos, oder? Ich möchte doch auch, dass andere diese Lieder singen und diese Gefühle haben.

    Haben Sie schon mal eine Rückschau gehalten?

    Winker: Das gibt's in meinem Leben nicht. Ich habe vier Kinder, da kann ich nicht Rückschau halten (lacht). Deshalb brauche ich immer wieder meine Ruhe, um ein Lied oder ein Gedicht zu schreiben oder mal wieder ein Bild zu malen. Ich will auch keine Memoiren schreiben, das interessiert mich nicht.

    Eine Selbstbetrachtung, die so gar nicht zu dem Bild passt, das andere gern von Ihnen entwerfen – als eine Frau, die nicht von dieser Welt scheint.

    Winkler: Ach, das ist doch auch so ein Klischee. Ich bin doch voll in dieser Welt drin, finden Sie nicht?

    Doch, aber wie kommt es, dass von Ihnen gern auch dieses Bild eines Menschen fern von allem Alltäglichen gezeichnet wird?

    Winkler (lacht): Die haben alle Sehnsüchte. Aber ich bin doch voll erdig, arbeite wie eine normale Hausfrau und habe vier Kinder aufgezogen, und wenn die mich in Tschechows „Kirschgarten“ oder Brechts „Mutter Courage“ gesehen hätten, hätten sie auch nie solche Sätze geschrieben.

    Bei der Verleihung des Gordana-Kosanovic-Theaterpreises wurden Sie als eine „rettende Zumutung vor dem Abdriften in die Banalität“ beschrieben . . .

    Winkler (lacht): Eine rettende Zumutung – das ist ja irre ausgedrückt. Aber es trifft das, was eigentlich ein Schauspieler tun sollte: Er sollte auf der Bühne der Banalität entspringen und eine Zumutung sein, das haben mir auch viele Menschen geschrieben, dass ich oft eine Zumutung bin. Aber ich empfinde das als etwas Positives, da steckt eine ungeheure Kraft drin.

    Wir haben über viel gesprochen, aber noch kein Wort über „Die Blechtrommel“ oder „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Gehört das nicht dazu, wenn man ein Interview mit Ihnen führt?

    Winkler: Ich finde es schön, wenn Sie die beiden Themen nicht erwähnen. Erwähnen Sie lieber, dass ich filmen möchte: Ich möchte mit Fatih Akin arbeiten, den finde ich wunderbar, er versteht so viel vom Leben. Oder auch mit Tom Tykwer, ein ganz gescheiter, junger Regisseur. Und dann habe ich jetzt mit Tim Fehlbaum einen Horrorfilm gemacht.

    Reizt Sie Film mehr als Theater?

    Winkler: Nein, aber ich habe jetzt halt so viel Theater gespielt. Mir tun noch nicht die Beine weh, ich kann noch laufen, hören, sehen – also, warum soll ich nicht filmen (lacht)? Zumal die Filmarbeit mehr zu meinem jetzigen Leben passt: So kann ich auf dem Land leben, zwei Monate einen Film machen und wieder zurück aufs Land – wenn ich Theater spiele, muss ich immer vor Ort sein.

    Klingt, als hätten Sie genug vom Leben in Berlin.

    Winkler: Wenn meine Tochter Nele jetzt in eine WG zieht, dann hält mich auch nichts mehr in Berlin. Ich lebe sehr gern hier, aber ich will nicht immer da leben, sondern wieder so, wie ich früher gelebt habe. Auf dem Land höre ich die Vögel zwitschern, das Meer rauschen und habe einfach mehr Muse. In der Stadt ist immer wieder Sirenengeheul, und dann denke ich: Schon wieder der nächste Kranke, schon wieder der nächste Tote. Oh Gott, gleich bin ich dran (lacht).

    Angela Winkler

    Die Schauspielerin, geboren am 22. Januar 1944 in Templin, brach mit 17 Jahren die Schule ab, um Schauspielerin zu werden. 1967 erhielt sie ihr erstes Theaterengagement in Kassel. Ihr Kinofilmdebüt gab sie 1969 als Dienstmädchen in Peter Fleischmanns „Jagdszenen aus Niederbayern“. „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Volker Schlöndorff nach der Erzählung von Heinrich Böll machte sie 1975 zum Star. 1979 spielte sie die Mutter von Oskar Matzerath in Schlöndorffs Oscarprämierter Filmadaption des Günter-Grass-Romans „Die Blechtrommel“. Angela Winkler lebt mit dem Bildhauer Wigand Witting in Berlin und in Frankreich und ist Mutter von vier Kindern. Ihre Tochter Nele wurde mit einem Down-Syndrom geboren.

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