Am 21. und 22. Dezember gastiert der Zwei-Meter-Mann als König George VI. in dem Stück „Die Rede des Königs (The King's Speech)“ im Schweinfurter Theater. Ein Gespräch über einen stotternden König, sein Image als Bond-Bösewicht und das Pokern.
Frage: Wie häufig haben Sie sich den Film „The King's Speech“ angesehen?
Götz Otto: Ich habe den Film einmal gesehen, damals, als er rauskam. Da habe ich gerade in Australien gedreht. Seitdem habe ich ihn nicht noch mal angeguckt, nicht, weil ich ihn nicht gut fand oder nicht interessant. Aber ab dem Moment, ab dem klar war, dass ich den stotternden König in dem Stück spiele . . .
. . . vor dem Film stand ja das Bühnenstück, das aber nie aufgeführt worden war.
Otto: Das Theaterstück gab's zuerst, ja. In den 80er Jahren hatte der Drehbuchautor David Seidler die Geschichte recherchiert, aber er hatte einen Deal mit Queen Mum, die ja auch vorkommt. Sie war die Frau von George VI., den ich spiele. Die Abmachung war, dass das Stück nicht herauskommen darf, solange Queen Mum lebt, weil es sie emotional zu sehr betraf. Dann ist sie gestorben, Seidler arbeitete den Stoff zu einem Theaterstück um. Ich glaube, die Mutter von dem Filmregisseur machte ihren Sohn auf das noch unveröffentlichte Stück aufmerksam. So ist letztlich dann erstmal der Film entstanden.
Der gleich vier Oscars bekam, als bester Film, für die beste Regie und das Originaldrehbuch, außerdem erhielt Hauptdarsteller Colin Firth den Goldzwerg für die Rolle, die Sie nun auf der Bühne geben. Vergleicht man sich da nicht automatisch mit dem Filmvorgänger?
Otto: Nein, ich versuche das so zu spielen, wie ich es für richtig halte, und orientiere mich an nichts anderem als an der textlichen Vorgabe, an der Figur, wie ich sie mir zusammenbaue, und an der Situation, dass ich auf 'ner Bühne stehe und nicht direkt vor der Kamera. Das ist ein großer Unterschied, da muss man ganz anders spielen. Da wäre es hinderlich, wenn ich versuchen würde, die Oscar-prämierte Darstellung von Herrn Firth nachzumachen. Das wäre grauenvoll.
Was haben Sie eigentlich mit den 50 000 Euro gemacht, die Sie bei einer Pokerveranstaltung im Fernsehen gewonnen haben?
Otto: Was ich damit gemacht habe? Ich habe vier Kinder, viele Mäuler, die jeden Tag gestopft werden müssen (er lacht). Ich habe mir kein Auto gekauft oder sowas.
Pokern Sie regelmäßig?
Otto: Nein, nein, ich habe seitdem nie wieder gespielt, weil ich mir dachte, so eine geile Nummer passiert nie mehr. Zu dem Zeitpunkt, Ende 2010, haben wir gerade „Iron Sky“ gedreht, und ich habe während der Dreharbeiten ein Buch gelesen. Es gibt diese Reihe, „Apple For Dummies“, „Driving For Dummies“ und so weiter. Ich habe „Texas Hold'em For Dummies“ gelesen. Mit diesem Buch habe ich mich auf die Sendung vorbereitet. Es hat geklappt. Das war großartig. Da sollte ich dem Verlagschef noch danken (er lacht).
Sie drehen regelmäßig auch international. Was machen Sie denn richtig, oder was machen viele Ihrer deutschen Kollegen falsch?
Otto: In diesem Punkt sind falsch und richtig die verkehrten Parameter. Ich hatte natürlich riesengroßes Glück mit Bond und auch mit „Schindlers Liste“. Wenn man einmal einen Fuß in so einem Markt hat, dann ist es viel, viel einfacher, da weiterzumachen. Ich habe den großen Vorteil, dass ich Englisch und Französisch fließend spreche, ich habe auch schon auf Norwegisch und Spanisch gedreht. Sprache ist nicht mein Feind, das ist ein großer Vorteil. Aber im Prinzip muss man sagen: Natürlich hilft so etwas wie Talent oder Ausstrahlung. Aber der größte Faktor unseres Berufes ist und bleibt Glück.
Ihre Rolle als Stamper, Handlanger des Bösewichts in dem Bond-Film „Der MORGEN stirbt nie“, haben Sie angeblich einem Geniestreich zu verdanken. Sie sollen nur 20 Sekunden Zeit gehabt haben, um sich bei Produzentin Barbara Broccoli vorzustellen . . .
Otto: Das war so absurd, ich dachte: „Was soll ich denn da jetzt sagen?“ Ich bin doch nicht Dieter Thomas Heck, dass ich in 20 Sekunden ein Vorstellungsgespräch hinkriege.
Deshalb haben Sie angeblich gesagt: „I'm big, I'm bad, I'm bald, I'm German. Five Seconds, keep the Rest.“ („Ich bin groß, ich bin böse, ich bin glatzköpfig, ich bin Deutscher. Fünf Sekunden, behalten Sie den Rest.“). Da gehört viel Mut dazu.
Otto: Och, da kann ich nur einem inspiratorischen Funkenflug danken. Ich habe darüber in keinster Weise nachgedacht. Und mit Mut hat das auch nix zu tun. Ich hatte vorher lange mit dem Regisseur gesprochen, und der hat immer nur gefragt: „Was haben Sie denn bisher gemacht?“ Da konnte ich nicht viel vorweisen außer Theater, und das war ihm offenbar nicht genug. Dann kam ich eben zur Produzentin, und zu verlieren hatte ich ja eh nichts mehr. So hab' ich nun eine nette Anekdote (er lacht).
Stört Sie das Image Bond-Bösewicht eigentlich noch?
Otto: Es gab eine Zeit, aber auch nicht lange, in der ich dachte: „Mensch, Leute, reduziert mich doch nicht auf Bond-Bösewicht, außerdem: Was soll das denn sein? Ich bin Schauspieler.“ Ich habe die Rollen nicht gezählt, die ich seitdem gespielt habe, aber trotzdem heißt es: Bond-Bösewicht. Das ist ein Stigma, klar, aber es gibt sicherlich dramatischere und schrecklichere Stigmata als Bond-Bösewicht. Die Tatsache, dort gespielt zu haben, hat mir auch international viele Türen geöffnet. Es sind nicht immer Mega-Kassenschlager dabei und häufig auch Filme, die bei uns gar nicht laufen, leider. Aber wenn man, so wie ich, knapp zwei Meter groß ist, dann gibt's auch gar nicht so viele Rollen. Ich bin gottfroh, dass ich so viele Märkte bespielen kann, dass ich in Frankreich, Spanien und Skandinavien arbeiten kann. Weil ich schon auch ein besonderer Typ bin. Und da hat Bond selbstverständlich geholfen, um mir diese Märkte zu eröffnen.
Unabhängig davon – es wird wohl auch größere schauspielerische Herausforderungen geben als den Stamper, oder?
Otto: Ja, natürlich, wobei: Es war auch gar nicht so einfach (er lacht). Aber Sie haben natürlich vollkommen recht: Die schauspielerische Herausforderung ist bei Actionfilmen generell, egal, wen man spielt, überschaubar.
König George VI. ist eine andere Liga?
Otto: Auf jeden Fall.
Wie schwierig ist es, stottern zu lernen? Oder fiel es Ihnen leichter, weil Ihnen Sprachen liegen?
Otto: Es gibt sicherlich Rollen, mit denen muss man sich nicht so viel und intensiv beschäftigen. Was natürlich enorm mit dem Stottern zu tun hat. Das ist nicht einfach, vor allem, weil es natürlich wirken muss. Ich kann natürlich stttttttttttoootttttttttern, stooooootttteeeeeeern. Irgendwie. Aber das Publikum muss es glauben, es darf kein technischer Vorgang bleiben. Ich habe mich mit dem Selbsthilfeverband der Stotterer in Verbindung gesetzt, ich war bei ein paar Logopäden, habe meinen alten Sprechlehrer aus der Schauspielschule getroffen. Ich habe mir auch diverse Übungen geben lassen, damit ich dieses Stottern nicht auf ewig beibehalte (er lacht).
Ein ganz wichtiges Werkzeug eines Schauspielers ist die Sprache . . .
Otto: Ich lerne wahnsinnig viel gerade. Ich rede gerne, und manchmal kommt auch der eine oder andere Satz aus meinem Mund, der bei ein bisschen Reflexion vielleicht nicht rausgekommen wäre. Es ist hochinteressant: Wenn man auf der Bühne steht und stottert – wie viel Zeit man hat, einen Gedanken zu fertigen . . . Es gibt diesen schönen Aufsatz von Kleist „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“. Es ist toll zu realisieren, wie viel Zeit man hat, einen Gedanken zu formulieren. Das sollte ich in mein sonstiges Leben implantieren (lacht).
Götz Otto in Schweinfurt
Der Schauspieler, geboren am 15. Oktober 1967 in Offenbach, besuchte die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz und die Münchner Otto-Falckenberg-Schule. Noch während seiner Ausbildung übernahm er Rollen am Schillertheater in Berlin und an den Münchner Kammerspielen. Im Fernsehen war Otto in unterschiedlichsten Genres zu sehen – von Action über romantisches Melodram bis zur Komödie. Er spielte in „Polizeiruf“- und „Tatort“-Folgen mit sowie in den „Wanderhuren“-TV-Filmen. Derzeit ist er im Kino in „Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät“ und „Cloud Atlas“ zu sehen. Otto ist verheiratet, hat drei Töchter und einen Sohn und lebt mit seiner Familie in München. Am Freitag, 21., und Samstag, 22. Dezember, gastiert Otto mit Steffen Wink und dem Stück „Die Rede des Königs (The King's Speech)“ im Schweinfurter Theater. Karten gibt es unter: Tel. (0 97 21) 51 - 49 55 oder 51 - 0.