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WÜRZBURG: Interview mit Hannes Ringlstetter

WÜRZBURG

Interview mit Hannes Ringlstetter

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    Hannes Ringlstetter: „Ich weiß um meine Fähigkeit, etwas zu verändern: Die ist relativ gering.“
    Hannes Ringlstetter: „Ich weiß um meine Fähigkeit, etwas zu verändern: Die ist relativ gering.“ Foto: Foto: Konzertagentur FRiedrich

    Kabarettist, Schauspieler, Musiker – Hannes Ringlstetter ist Multitalent. Am Samstag, 1. Dezember, gastiert er mit Stephan Zinner im Würzburger Bockshorn. Ein Gespräch über Pumuckl, ein Schlüsselerlebnis und das klassische Politkabarett, das er so gar nicht mag.

    FRage: In Ihrem Programm mit Stephan Zinner geht's auch ums Überleben. Was tun Sie, um zu überleben in unserer Gesellschaft?

    Hannes Ringlstetter: Das geht sicher nur mit Humor. Und eine der wichtigsten Sachen, die man lernen kann in diesem modernen Leben ist, dass man sich nicht so wichtig nimmt. Bei dieser totalen Individualisierung gibt es ja auch den Reiz, sich selber wahnsinnig wichtig zu nehmen. Ich glaube, dass das Gegenteil viel sinnvoller ist. Mal wieder zu checken, dass man extremes Glück hat, wenn man in einer zivilisierten Gesellschaft lebt und frei ist und labern kann, was man will. Aber dass man dabei eben auch immer bedenkt, dass es seine persönliche Meinung ist, seine Sicht auf die Dinge, und dass es auch ohne einen super weitergeht.

    Nimmt sich nicht jemand, der gerne im Fernsehen auftritt und seine Sicht der Dinge öffentlich auf Bühnen unters Volk streut, ziemlich wichtig?

    Ringlstetter: Aber das ist ja nicht das Gegenargument. Natürlich darf man mit dem, was man kann, eine Haltung haben und sagen: Ich bin da gut, ich hab' was zu sagen. Mir geht es um die innere Haltung. Dass man, wenn man das Glück hat, ein Talent zu besitzen, sich auch darum kümmert. Es ist wichtig, dass man sich einen Wert gibt. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man sich wichtig nimmt. Immer, wenn ich feststelle, ich nehme etwas zu ernst, auch diesen ganzen Fernsehkrampf, dann merke ich: Es stresst mich. Dann vergleich' ich mich mit anderen, dann ist die Gefahr der Gier da, dass man immer höher, schneller, weiter will. Wenn man sich bewusst macht, dass das alles nicht so wichtig ist, dann findet man auch besser seinen Platz. Ich glaube aber, dass das in jedem Job so ist.

    Sie haben offenbar mehr als ein Talent. Was schreiben Sie in einen Fragebogen in die Spalte „Beruf“?

    Ringlstetter: Ich bin einfach ein Entertainer. Ein Unterhalter. Ein Unterhalter mit Haltung (er lacht).

    Warum soll denn Pumuckl Schuld daran sein, dass Sie Kabarettist geworden sind?

    Ringlstetter: Weil Pumuckl der erste Anarchist war, den ich kennen gelernt habe, das fand ich super. Und zum Zweiten war er der Erste, den ich parodiert habe.

    Sie haben Hans Clarin parodiert, nicht Pumuckl.

    Ringlstetter: Das hab' ich nicht gewusst, dass das der Hans Clarin war. Ich dachte erst, ich parodiere Pumuckl. Später habe ich gecheckt, ich parodier' eigentlich nur die Stimme, also Hans Clarin. Pumuckl war der Anfang, dann kamen die ganzen Österreicher. Mein Vater hat mich mit Helmut Qualtinger aufgezogen und mit Reinhard Mey.

    Ui . . .

    Ringlstetter (lacht): Weiter auseinander geht's kaum, ja. Und ich bin dann zwischendurchgerutscht mit Fredl Fesel. Irgendwie total absurd, aber das zieht sich so durch mein ganzes Leben.

    Sie haben die Bühne mal als Ihr Wohnzimmer bezeichnet. Also fühlen Sie sich dort doch noch ein wenig heimischer als vor der Fernsehkamera?

    Ringlstetter: Das, was man am längsten macht, dabei fühlt man sich am sichersten. Und auf die Bühne gehe ich, seit ich acht oder neun war. Ich hatte noch nie Angst, wenn ich auf die Bühne geh'. Ich fand das immer geil.

    Sie kennen kein Lampenfieber?

    Ringlstetter: Ich habe schon eine Anspannung. Wenn ich die mal nicht mehr habe, dann höre ich auch auf. Dann ist es Routine, dann ist es für den Arsch. Aber ich habe nicht, was viele Kollegen haben, diese Nervosität vorher: Klappt das jetzt, oder nicht? Das habe ich nicht. Sobald ich draußen bin, geht's mir gut.

    Woher kommt diese exhibitionistische Ader?

    Ringlstetter: Das mag daran liegen, und das meine ich gar nicht so tiefschürfend, wie es vielleicht klingen mag, dass sehr viele Bühnenmenschen, mich eingeschlossen, extrovertiert sind, aber eigentlich nicht offen. Ich fühle mich privat in extrem kleinen Runden am wohlsten. Ich mag keine Gelage, wo viele Menschen sind und verschiedene Gespräche durcheinanderlaufen. Ich bin kein offener Mensch, der da sitzt und alles rausballert. Ich brauche dazu eine Form. Und die Bühne ist die beste Form. Für mich. Das ist sicher auch ein bisschen schizophren. Ich habe schon festgestellt, dass ich das Talent habe, zu unterhalten, auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite, wenn mich jemand jetzt konkret zu meiner Person etwas fragt, bin ich eigentlich relativ unsicher, weil ich nie weiß, welcher Gedanke jetzt der richtige ist, von den vielen, die ich habe.

    Mir scheint's, dass sich Ihre Unsicherheit in Grenzen hält.

    Ringlstetter (lacht): Neulich ist bei einem Auftritt mal die Technik ausgefallen, klassischer worst case, Eigentlich. Ich find' sowas super!

    Viele bekommen in so einer Situation die große Krise . . .

    Ringlstetter: Und ich freu' mich drüber. Weil ich weiß: Jetzt gibt's kein Netz und keinen doppelten Boden mehr.

    Woher kommt Ihre Gewissheit, sich auf sich selbst verlassen zu können?

    Ringlstetter: Ich bin nicht grundsätzlich stark und selbstvertrauensdurchtränkt. Das bin ich nicht. Ich bin nur so froh, dass es was gibt, wo ich mich auf mich verlassen kann. Ich habe ein Schlüsselerlebnis, das habe ich noch nicht oft erzählt: Es war ein Vorspielabend in der Grundschule, bei der Übertrittsfeier zum Gymnasium. Weil ich Klavier spielen konnte, bin ich aufgetreten, vor den ganzen Eltern, Lehrern, Schülern. Ich hab' Schostakowitsch gespielt. Ich hatte das geübt natürlich, ich habe nie vom Blatt gespielt, immer auswendig. Nach fünf Minuten hatte ich einen totalen Blackout, wusste überhaupt nicht mehr, wie es weitergeht. Da habe ich mir gedacht, das weiß ich noch: Okay, jetzt musst Du russisch fühlen und die Gestik dazu abliefern und irgendwo unten, in den tiefen Tasten, extrem wild rumhantieren, dann wird das niemand merken, dass es gar nicht Schostakowitsch ist. Es hat super funktioniert – außer dass mein Vater in der ersten Reihe komplett erbleicht ist (er lacht). Da habe ich gemerkt, dass mein viel größeres Talent ist, etwas zu überspielen als zu spielen. Das kommt mir sehr zugute.

    Ihr großes Vorbild soll Tony Soprano sein, aus der TV-Serie „Die Sopranos“, ein Mafiaboss, der wegen Panikattacken in psychotherapeutischer Behandlung ist. Soprano ist ein Inbegriff von Sein und Schein . . .

    Ringlstetter (er lacht): Tja, sehen Sie! Tony ist eine extrem unsichere Person in Wahrheit, der in der Rolle des Mafiabosses extrem sicher ist. Deswegen liebe ich ihn. Mafiaboss, das kann er super. Und alles andere kann der nicht. Der kann eigentlich gar nix, außer Mafiaboss. Der kann Ehe nicht. Der kann Vater nicht. Der kann mit sich selber nicht. Der kann Freundschaft nicht. Das kann ich schon, nebenbei . . .

    Ich wollte gerade fragen: Welche Gemeinsamkeiten Soprano/Ringlstetter gibt's noch?

    Ringlstetter (er lacht): Es gibt viel Ähnliches. Aber das große Glück, das ich habe, ist, dass meine Freundschaften 20, 25 Jahre alt sind. Ich war emotional nie angewiesen auf das Business. Überhaupt nicht. Ich freu' mich, wenn ich Kollegen mag. Aber meine wirkliche Freundschaften kommen aus ganz anderen Bereichen, die nichts mit Beruf zu tun haben, sondern eher mit Biertrinken mit 15 am Baggerweiher.

    Wie wichtig ist so eine Erdung?

    Ringlstetter: Ohne geht's gar nicht. Ich finde ja, dass ein wirklicher Künstler diese Mischung braucht aus Fantasie, Gedanken fliegen lassen und der totalen Bodenständigkeit. Sonst kannst Dir gleich am Hauptbahnhof Heroin kaufen.

    Ihre Karriere fing vor zwei, drei Jahren das Fliegen an.

    Ringlstetter: Ich bin schon skeptisch, was Erfolg angeht. Für mich ist wirklicher Erfolg etwas anderes. Wenn man dauernd unterwegs ist wie ich, und das mit dem Familienleben unter einen Hut kriegt, das verbuche ich als Erfolg. Oder dass meine Sozialisationen intakt sind. Dass ich mit meinem Management ein menschliches Verhältnis pflege und nicht ein geschäftliches. Und dass ich ein Publikum habe, das spürt – das empfinde ich als großen Erfolg. Das merke ich oft nach den Auftritten, dass die Leute genau diese Mischung spüren: Auf der einen Seite ist der Typ verrückt. Auf der anderen ist der komplett geerdet. Das dieses Feeling rüberkommt, das ist ein Erfolg, weil das heißt, dass ein Publikum und ein Künstler sich wirklich gefunden haben. Und nicht nur durch einen Medienhype zusammengeführt sind.

    Weil Sie authentisch wirken?

    Ringlstetter: Für mich macht alles andere keinen Sinn. Für mich ist es wichtig, mein Privatleben größtenteils aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, genauso wie es wichtig ist, dass ich mich in meiner Person innerlich nicht trenne zwischen dem, der daheim Scheiß macht, weil er dazu Lust hat, und dem, der auf die Bühne geht. Die Persönlichkeit ist dieselbe. Wenn ich das auch noch machen müsste, dass ich mich psychisch abspalte und auf der Bühne in 'ne Kunstfigur schlüpfe, das wäre furchtbar.

    Es gibt bekannte Kollegen von Ihnen, die genau das tun: Frank-Markus Barwasser, Georg Schramm . . .

    Ringlstetter: Wenn ich schauspielern will, nehme ich eine Rolle an. Dann lerne ich einen Text, zieh' mir was an, lerne, was im Drehbuch steht und sag' das auf. Das heißt nicht, dass ich das Andere schmälern will, überhaupt nicht. Das ist ein schauspielerischer Ansatz der Bühnenarbeit. Ich habe nur für mich beschlossen: Wenn ich alleine auf die Bühne gehe, dann gehe ich als ich. Dann kann ich am besten das sagen, was ich will. Andere haben das Problem, dass sie als sie manches nie sagen würden. Zum Beispiel der Georg, der Schramm, der würde wahrscheinlich vieles, was er als Dombrowski sagt, nie als Georg Schramm sagen. Bei mir gibt's nichts, was ich nicht auch als ich sagen könnte.

    Sie haben keine Tabus?

    Ringlstetter: Ich habe einen Wertekodex für mich, in meinem Leben. Aber ich habe keine Tabus. Wenn ein Künstler Tabus hat, dann kann er aufhören. Es geht einfach nur darum, was man tun will und was nicht. Ich will halt Menschen nicht beleidigen. Nicht, weil es ein Tabu ist, sondern weil ich da kein Bock drauf hab', weil ich den Sinn nicht sehe. Weil ich glaube, dass in der Zeit, in der wir leben, das Gegenteil, nämlich Menschlichkeit, das viel bessere Mittel ist, um etwas zu erreichen. Und nebenbei: Ich glaube, dass gute Unterhaltung in vielen Dingen politischer ist und mehr verändert in den Menschen als das Abbeten von Merkel-Witzen oder das Wiederholen von Merkel-Beleidigungen.

    Sie sind kein großer Priol-Fan . . .

    Ringlstetter (lacht): Na ja . . . Bin ich wirklich nicht. Warum soll ich sagen, dass ich's bin, wenn ich es nicht bin? Ich mag diese Art nicht. Das hat sicher seine Berechtigung, und Urban ist handwerklich super, da gibt es überhaupt keine Zweifel. Aber bei mir geht's schon damit los: Ich war dreizehn Jahre in der Schule, und dann fünf Jahre an der Uni, ich hab' kein Bock mehr, dass vor mir einer auf- und abläuft und mich belehrt. Damit bin ich durch. Ich will nicht mehr in die Schule (er lacht).

    Dann mögen Sie auch das klassische Politkabarett nicht so, oder?

    Ringlstetter: Ich habe überhaupt keine Freude am deutschen Politkabarett. Ich mag halt Sittengemälde auf der Bühne. Ich mag es, wenn einer ein kleines Beispiel nimmt, an dem die ganze Welt sichtbar wird.

    Wie es Hader und Polt so gerne tun.

    Ringlstetter: Genau so, ja! Das mag ich. In meinem Programm sagt dieser Typ, der Reisinger Sepp, den Satz: „Warum soll ich wegfahren? Mir gefällt's ja daheim schon nicht . . .“ Das ist eine viel größere Watsch'n dem Leben gegenüber, oder vom Leben, man weiß es nicht genau, als wenn ich sag': „Der hat Hartz IV und weiß nicht, wie er die nächsten Wochen . . . “ Das ist einfach eine Philosophiefrage: Was will man hören, was will man erzählen? Ich will halt Geschichten hören. Und erzählen. Und keine Statements.

    Klassische Politkabarettisten kommen ja auch gerne mal mit dem erhoben Zeigefinger daher . . .

    Ringlstetter: Mein Problem mit dem Politkabarett ist ja, auf den Punkt gebracht, dass Menschen auf die Bühne gehen, sich über Politiker aufregen und dabei genauso reden wie Politiker. Wenn das einer so gut kann und so analysieren kann und ihm so viel dran liegt, dann soll er verdammt noch mal in die Politik gehen und das ändern. Ich weiß um meine Fähigkeit, etwas zu verändern: Die ist relativ gering. Ich kann Lieder schreiben, das ist das große Glück, dass man mit Musik Gedanken, die nicht so einfach sind, oft leichter transportieren kann. Das ist das große Privileg der Musik, durch die Melodien, durch den Rhythmus gehen sie direkter in den Menschen. Ich habe mir angewöhnt, Gedanken, die mir mit reiner Sprache zu schwer zu vermitteln sind, in ein Lied zu packen. Ich merke dann, ich komme direkt an die Seele hin, und dann ist die Bereitschaft, es aufzunehmen auch viel größer, als wenn ich das runterbrüll. Mein Lieblingsauftrittstag ist ja der Freitag . . .

    . . . da ist das Publikum eher kaputt von der Arbeitswoche . . .

    Ringlstetter: . . . genau. Die sind völlig am Arsch, und eigentlich wollen die gar nicht mehr hin zum Auftritt, wenn sie um fünf, halb sechs heimkommen und ihnen einfällt: „Ach Scheiß, wir haben ja noch diese Karten.“ Eigentlich wollen die direkt auf die Couch. Und dann kommen sie, und ich finde es eine der schönsten Aufgaben, die man haben kann, die Leute zweieinhalb Stunden später zu entlassen mit einer Leichtigkeit, weil sie es vergessen haben, wie es ihnen vor zweieinhalb Stunden ging. Das ist ein politischer Vorgang: Der verändert was. Der Mann wird seine Frau anders behandeln, er wird seine Kinder anders behandeln, als er es sonst gemacht hätte. Da kenne ich mich aus, das ist klein, das ist nichts Weltverbesserisches, da geht es nur darum, was wir alle sind: Menschen, die versuchen, durch dieses Leben zu stolpern.

    Hannes Ringlstetter

    Der Kabarettist, Musiker, Schauspieler, TV-Moderator und Buchautor, geboren am 2. Juni 1970 in München, studierte in Regensburg Germanistik und Geschichte. Ringlstetter gründete die Musikgruppe Schinderhannes, spielte Theater und in TV-Serien wie „Lady Mayerhofer“ oder „Balko“. Seit November 2011 ist er in der ARD-Vorabendserie „Heiter bis tödlich“ zu sehen. Ringlstetter ist regelmäßig in der Sendung „Grünwald Freitagscomedy“ und verschiedenen Satiresendungen zu Gast. Gemeinsam mit Stephan Zinner gastiert Ringlstetter am 1. Dezember um 20.15 Uhr im Würzburger Bockshorn. Karten unter: Tel. (09 31) 4 60 60 66 und Tel. (09 31) 37 23 98.

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