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BAD BRÜCKENAU: Joe Cocker: Der Rockmusiker im Interview

BAD BRÜCKENAU

Joe Cocker: Der Rockmusiker im Interview

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    Joe Cocker: „Manchmal versuche ich einfach nur, einem bereits bekannten Song ein anderes Feeling zu verleihen.“
    Joe Cocker: „Manchmal versuche ich einfach nur, einem bereits bekannten Song ein anderes Feeling zu verleihen.“ Foto: Foto: dpa

    Mit einer Stimme, geformt aus Whiskey und Zigaretten, bellt der gelernte Installateur Joe Cocker seit 45 Jahren Blues- und Soul-Hits nur so heraus. Zu den größten Erfolgen des Briten gehören „With a little Help from my Friends“, „Up where we belong“ und „You can leave your Hat on“. In den 1970er und 80er Jahren hatte Cocker massiv mit Drogen und finanziellen Problemen zu kämpfen. Heute, mit 68, ist er clean. Jetzt stellt er sein aktuelles Werk, „Fire It Up“, vor, unter anderem am 25. August im Bad Brückenauer Schlosspark. Ein Gespräch über seine Stimme, Drogen, Bären – und den Klassiker „With a little Help from my Friends“.

    Frage: Sie sind mit Coverversionen berühmt geworden. Was macht einen guten Song aus?

    Joe Cocker: Darüber könnte ich stundenlang diskutieren. Ich brauche eine Komposition eigentlich nur einmal zu singen und schon fühle ich, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Mein Bauch sagt mir jedenfalls, dass die neue Platte nicht die schlechteste ist. „You don’t know what you’re doing to me“ zum Beispiel ist eine ganz pfiffige Nummer. Ich wurde gefragt, ob ich hier über meine Frau sänge. Nein, das tue ich gerade nicht. Ein Song ist ein Medium, beim Singen vollziehe ich eine mentale Transformation. Aber eigentlich kann man das einem Außenstehenden gar nicht erklären.

    „Zigaretten, Alkohol, Drogen – so entstand Joe Cockers einzigartige Stimme“, war mal in einer großen Zeitung zu lesen. Sehen Sie das auch so?

    Cocker: Sagen wir es mal so: Viele halten mich bloß für einen Bluessänger. Aber diesmal haben wir Sachen ausgewählt, bei denen sogar meine Gitarristen ins Schwitzen kamen. Ich nehme mir die Freiheit, auf meinem 23. Album auch Songs zu singen, die nicht offensichtlich auf die Charts abzielen. Ich bin ein sehr natürlicher Sänger, alles, was aus mir herauskommt, passiert spontan. Ich kann keine Noten lesen, und auch mit der Tonleiter habe ich mich eigentlich nie beschäftigt. Anfangs sang ich meine Songs ein oder zwei Tonlagen tiefer, ich wusste ja gar nicht, dass ich auch höher kommen konnte.

    Sie glauben nicht an die Schule der Rockmusik?

    Cocker: Nein. Ich bin mein Leben lang ohne Lehrer ausgekommen. Manchmal stößt man natürlich an seine Grenzen. Als ich vor ein paar Jahren in London mit Eric Clapton auf der Bühne stand, fragte der Meister mich, in welcher Tonart der Song sei, den wir als Nächstes spielen wollten. Da musste ich leider passen (lacht). Ich habe ja normalerweise jemanden dabei, der sich mit so was auskennt. Langsam komme ich an einen Punkt, wo ich spüre, dass meine Stimme nicht ewig durchhalten wird.

    In Ihrer Jugend betrieben Sie Raubbau an Ihrer Gesundheit. Lässt sich manches wiedergutmachen?

    Cocker: Ich rauche nicht mehr. Die Auftritte in verqualmten Clubs und Bars fordern heute ihren Tribut. Mein Stimmvolumen von einst werde ich wahrscheinlich nie mehr zurückgewinnen. Aber die Wissenschaft macht ja ständig Fortschritte.

    Wollen Sie musikalisch mit der Zeit gehen?

    Cocker: Ich bin ein Rhythm’n’Blues-Sänger. Die alte Schule, Sie wissen schon. Natürlich könnte ich jetzt versuchen, auf Teufel kommt raus eine moderne Platte zu machen. Ich würde sagen, der Titelsong des Albums, „Fire it up“, ist das größte Zugeständnis an die Gegenwart, zu dem ich fähig bin. Natürlich will ich irgendwie auch zeitgemäß klingen und gehört werden. Warum sollte man das Feld der Jugend überlassen?

    Worin unterscheiden Sie sich von der jungen Generation der Rocksänger?

    Cocker: Nun, ich bin im England der Nachkriegszeit aufgewachsen. Leute wie Eric Burdon und ich nahmen sich die schwarzen Rhythm’n’Blues-Sänger zum Vorbild. Wir wollten immer tief in die Materie eintauchen und wirklich etwas anstoßen. Mein jetziger Produzent, Matt Serletic, sagt immer, Musik reflektiere die Zeit, in der man lebt. Die Kids von heute suchen in der Musik nicht mehr nach dem Dringlichen. Mein Stil hat sich nach und nach entwickelt, ich habe mein Handwerk noch von den Pionieren Chuck Berry, Little Richard und Ray Charles gelernt.

    Ringo Starr sagte einmal, je älter er werde, umso mehr lerne er dazu. Was haben Sie in letzter Zeit dazugelernt?

    Cocker: Ich weiß heute, dass meine Stimme am besten klingt, wenn ich frisch aus den Bergen in Colorado nach Los Angeles ins Studio komme. Ich singe dort immer live mit Band. Da können Sie sich ja ausrechnen, wie viel Kraft es kostet, elf Songs jeweils acht- oder neunmal hintereinanderweg zu singen, bis eine Fassung wirklich zufriedenstellend klingt. Die Platten, die ich in den 70ern mit Denny Cordell gemacht habe, klingen in meinen Ohren auch heute noch toll, weil die Musik einem direkt ins Gesicht peitscht. Am „With a little Help from my Friends“-Album haben wir unheimlich pingelig gearbeitet, ohne die Songs glattzubügeln. Die Hits sind einfach passiert. Ich habe das Gefühl, dass wir damals viel relaxter Musik machten.

    Singen Sie deshalb am liebsten Ihre alten Songs?

    Cocker: Ich sage es mal so: Man muss versuchen, sich seine alten Songs neu zu erfinden. Den Text von „With a little Help from my Friends“ kann ich im Traum aufsagen, klar. Viel schwieriger ist, solch einen Titel nach all den Jahren noch glaubwürdig zu interpretieren. Aber es hilft, wenn du Musiker im Rücken hast, die richtig gut ausflippen können. Meine Begleiter sind ja um einiges jünger als ich. Wenn mich mein musikalischer Leiter manchmal so von der Seite anguckt, dann denkt er bestimmt insgeheim: „Mein Gott, wie hat der das bloß alles überlebt?!“ (lacht).

    Ist es leichter, veröffentlichte Stücke auf eigene Art zu interpretieren als selbst zu komponieren?

    Cocker: Was mich betrifft: Ja. Ein extremes Beispiel dafür ist gerade „With a little Help from my Friends“. Meine gospelartige Fassung ist Meilen entfernt vom Beatles-Original. Aber so weit gehe ich nicht immer. Manchmal versuche ich einfach nur, einem bereits bekannten Song ein anderes Feeling zu verleihen.

    Benutzen Sie Facebook und Twitter, um die Netzgemeinde mit Ihrer Musik bekannt zu machen?

    Cocker: Nein, da halte ich mich lieber raus (lacht). Meine E-Mails schreibe ich mit dem Ein-Finger-System. Die Vorstellung, morgens aufzuwachen und sofort kommunizieren zu müssen, ist furchtbar. In den Bergen in Colorado habe ich eh keinen Netz-Empfang. Es ist ein ganz anderes Leben. Sobald ich zu Hause bin, ziehe ich die Stecker raus. Ich bin aber nicht weltfremd, ich besitze schon auch ein iPad, ich lese viel. Wenn ich mit jemandem kommunizieren will, dann weiß ich auch, was ich tun muss.

    Gehen Sie ganz allein in die Berge?

    Cocker: Manchmal kommt meine Mistress mit. Meist ziehe ich aber allein mit unseren Hunden los. Es sind gute Gefährten. Hinter unserem Grundstück beginnt die Wildnis. Dort gibt es Bären. Aber genau das ist faszinierend: auf der einen Seite Pferde und Kühe, auf der anderen Berge und Bären. Als wir unser Grundstück vor 20 Jahren kauften, war es spottbillig. Weil es halt so weit draußen liegt. Wenn ich aufwache, fällt mein Blick auf einen Dreieinhalbtausender. Und kein Nachbar weit und breit! Manche Freunde, die mich besuchen kommen, halten die Einsamkeit nicht aus. Oben in den Bergen war ich auch schon mal im Schnee eingeschlossen. Aber ich will dort einfach nicht mehr weg.

    Und wie wappnen Sie sich gegen Bären?

    Cocker: Ich habe immer Pfefferspray dabei. Das ist natürlich witzlos. Keine Ahnung, was ich tun würde im Fall einer Bärenattacke. Ich trage aus Prinzip keine Waffe. Ich hätte mehr Angst, mich selbst zu verletzen als den Bären.

    In den USA besitzt fast jeder eine Waffe.

    Cocker: Es gibt eine auf unserer Farm. Meine Frau hat sie irgendwo versteckt, ich möchte gar nicht wissen, wo. Ich bin ein alter Hippie, wissen Sie. Und trotzdem bin ich auch mit ein paar Republikanern befreundet. Unter den Farmern bei uns da draußen gibt es ja nur Republikaner. Die politische Gesinnung wird praktisch weitervererbt. Wie manche Konservative über Frauen und Abtreibung denken, finde ich furchtbar.

    2007 wurden Sie von Prinz Charles zum Officer of The Order of the British Empire, kurz: OBE, ernannt. Ist Elizabeth II. noch immer Ihre Königin?

    Cocker: Ich besitze eine Green Card, weil ich mit einer Amerikanerin verheiratet bin. Aber bis heute habe ich mich nicht dazu durchringen können, die US-Staatsbürgerschaft zu beantragen. Als gebürtiger Brite ist meine Loyalität gegenüber der Queen ungebrochen. Aber als mein Manager mir die Nachricht überbrachte, dass ich zum OBE ernannt werden sollte, war ich echt überrascht. Ich meine, ich lebe seit 1975 in Amerika. Normalerweise ehren die Briten keinen ihrer Leute, der von der Bildfläche verschwunden ist.

    Karten für Cockers Auftritt am 25. August in Bad Brückenau unter: Tel. (09 31) 60 01 - 60 00, im Internet: www.eventim.de

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