Man hatte es kaum mehr zu hoffen gewagt: Nach einer unruhigen bis hyperaktiven ersten Konzerthälfte fand Simone Kermes doch noch zu sich – und endlich auch zur Musik. Die temperamentvolle Sopranistin, die in der Barockmusikszene seit einigen Jahren Furore macht, kennt man als Stimme ohne Grenzen, die einfach alles wuppt.
All dies schien ihr beim Kissinger Sommer zunächst abhandengekommen zu sein. In einem wild durcheinandergewürfelten Programm von verjazztem Barock bis Schubert, Gershwin und Bernstein war sie 60 Minuten lang völlig außer sich. Sie suchte Halt in Slapstick-Einlagen, nervösen Tänzchen und aufdringlichen Moderationen – und fand ihn nicht. Ob in Nicola Porporas „Alto Giove“ oder Rossinis „Chanson Espagnole“: Die Stimme klang matt, die musikalische Gestaltung wirkte zerfasert und unfokussiert.
Schuberts „Erlkönig“
Im legeren Ambiente des bewirteten Max-Littmann-Saals ließ Schuberts „Erlkönig“ in Kermes' Fassung völlig kalt. Trotz Daniel Heides pianistischer Steilvorlage fiel die berühmte Ballade zu schrill, zu theatralisch und auch äußerlich zu bewegt aus, um ihre Schaurigkeit auch nur aufschimmern zu lassen.
Star der Stunde war zweifellos das Jazztrio „Ensemble Metamorfosi“: Daniel Heide (Klavier), Matthias Eichhorn (Kontrabass) und Jan Roth (Schlagzeug) begleiteten Kermes stets zurückhaltend und delikat. Ohne groß Aufhebens zu machen, trafen sie das Wesen der Musik immer auf den Punkt – besonders schön in den gesangslosen Zwischenspielen nach Bach-Vorlagen und dem Ensemble-Solostück „Intermezzo Metamorfosi“.
Im zweiten Konzertteil öffnete sich Kermes' Stimme, fand sie zurück zu ihrer eindringlichen Schönheit und Strahlkraft. Nun lüpfte sie die hysterische Maske und drang ein in den Kern der Musik. In Gershwins „Bess, you is my women now“ (im Duett mit Bassbariton Daniel Kotlinski) präsentierte sie nun Linien statt Bruchstücke, Bekenntnisse statt Plattitüden. Diese Steigerung setzte sie fort in Händels berührender Arie „Lascia ch?io pianga“ und Bernsteins „Glitter and be gay“.