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Würzburg: Kult um Viertel nach acht

Würzburg

Kult um Viertel nach acht

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    Thomas Gottschalk hat „Wetten, dass..?“ zwar nicht erfunden, war aber der wohl populärste Moderator der Sendung – hier 2005.
    Thomas Gottschalk hat „Wetten, dass..?“ zwar nicht erfunden, war aber der wohl populärste Moderator der Sendung – hier 2005. Foto: Foto: Ronald Wittek, dpa

    Was waren das doch noch für Zeiten, damals in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Als der Besuch von Kuli, Rudi, Blacky oder Tommy in deutschen Wohnstuben zu den manifestierten Selbstverständlichkeiten des Samstagabends gehörten. Stets pünktlich um 20.15 Uhr. Wobei sich der Terminus „pünktlich“ nur auf den Sendebeginn bezog. Die im Programmheft angegebene Schlusszeit hingegen war nur als sehr unverbindlicher Richtwert anzusehen, in etwa so verbindlich wie die Versprechen von Politikern vor der Wahl. Vor allem Kuli und Tommy erwiesen sich als Meister des Überziehens. Eine halbe Stunde mindestens gehörte zum guten Ton.

    Aber nahm es ihnen einer krumm? Eher nicht. Die Klassiker der Samstagabendshows wie „Einer wird gewinnen“, „Auf los geht's los“, „Am laufenden Band“ oder „Wetten, dass?“ waren Kult. Reine Straßenfeger mit Einschaltquoten von um die 80 Prozent. Wer da am Samstagabend um Viertel nach Acht etwas anderes plante als Fernsehgucken, konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen einsamen Abend hoffen.

    Frank Elstner etwa – der Erfinder und erste Präsentator von „Wetten, dass?“ – schaffte es von 1985 bis 1987 drei Jahre hintereinander, bei seinen sechs Sendungen im Jahr durchschnittlich mehr als 20 Millionen Zuschauer vor die Glotze zu locken.

    Die Moderatoren dieser Zeit – Hans-Joachim Kulenkampff, Rudi Carrell, Joachim Fuchsberger oder Thomas Gottschalk etwa – waren aber auch noch echte Entertainer, nicht wie manche ihrer Kollegen heutzutage nur stoische Verwalter von Sendezeit. Da war nicht nur der reine Wettstreit der Kandidaten um Punkte und Preise eine wahre Wonne. Sondern auch die modischen Extravaganzen, die sich ein Herr Gottschalk wieder leistete. Oder die scharfzüngigen Spitzen, die „Butler“ Martin Jente zum Ende der Sendung verlässlich gegen Hans-Joachim Kulenkampff fliegen ließ.

    „Natürlich ist es immer unser Ehrgeiz, dass die Menschen am Montag darüber sprechen, was bei uns am Samstag passiert ist“, hat Thomas Gottschalk einmal in einer Moderation gesagt. Und das gelang vielleicht bei keiner Show so wie bei „Wetten, dass?“ Als am 3. September 1988 Bernd Fritz, Redakteur des Satiremagazins „Titanic“ Gottschalk foppte und angeblich Buntstifte am Geschmack erkannte, war das in den Tagen danach längst nicht nur Gesprächsthema bei den 17,79 Millionen Zuschauern, die die Sendung laut ZDF-Statistik gesehen hatten.

    Gleiches gilt für den dunkelsten Moment der „Wetten, dass?“-Historie, als am 4. Dezember 2010 der 23-jährige Samuel Koch beim Versuch, auf ihn zufahrende Autos mit Sprungstelzen zu überspringen, schwer stürzte und seither gelähmt ist. Ein Unfall, der das schleichende Ende von „Wetten, dass?“ einläutete.

    Das Ende einer ganzen Epoche der Fernsehunterhaltung? Hat die gute, alte Samstagabendshow, diese Mischung aus Quiz, Entertainment und Musik, überhaupt noch eine Chance in Zeiten, da man am Montag nicht mehr über schummelnde Buntstiftlutscher spricht, sondern über D-Promis, die im australischen Dschungel in Ungeziefer baden oder Sangessternchen, die mit viel Glück wenigstens einen Ton treffen und Dieter Bohlen damit die Steilvorlage für ätzende Kommentare liefern? „Bei uns ja“, sagt Burchard Röver von der Pressestelle der ARD-Programmdirektion München.

    Dabei verweist er unter anderem auf „Verstehen Sie Spaß?“ Flimmerten die Streiche mit versteckter Kamera zunächst ab 1980 nur jeweils 30 Minuten lang durchs Abendprogramm, gelang es Kurt und Paola Felix ab 1983, die Sendung am umkämpften Samstagabend zu etablieren und zu Kult zu machen. Nach dem Abgang von Berufs-Spaßvogel Felix moderierten unter anderem Harald Schmidt und Dieter Hallervorden die Show, dann Frank Elstner – der sich übrigens als „Wetten, dass?“-Moderator selbst einmal von Kurt Felix kalt erwischen lassen musste – und mittlerweile Guido Cantz. Die Show ist damit mittlerweile sowas wie der Dinosaurier des Samstagabends geworden.

    Vom Konzept her von Anfang an nicht unumstritten, vom Zuschauer jedoch bis auf den heutigen Tag geliebt. Schadenfreude ist halt irgendwie doch die schönste Freude.

    Dass die Einschaltquoten für solche Shows rückläufig sind, gibt Röver unumwunden zu. Aber er verweist zurecht darauf, dass es zu den Glanzzeiten der Samstagabendshow nur drei frei über Antenne empfangbare Programme gab: ARD, ZDF und die Dritten. „Nach einer aktuellen Statistik sind es in diesem Jahr mittlerweile 79 Sender“, rechnet Röver vor: „Das TV-Angebot hat sich vervielfacht und damit haben sich auch die Zuschauer verteilt.“

    Auch bei den Mainzelmännchen vom Zweiten ist man vom Abgesang auf die Samstagabendshow weit entfernt. Ganz im Gegenteil. Auch hier setzt man auf neue Formate wie die Show „Das Spiel beginnt“, wo sich ein Team von Prominenten mit einem Kinderteam in den verschiedensten Gesellschaftsspielen misst – von Vier gewinnt bis zu Murmelmikado.

    Stefan Unglaube von der Hauptabteilung Kommunikation beim ZDF verweist diesbezüglich auf ein Interview, das Unterhaltungschef Oliver Heidemann kürzlich dem Magazin ProMedia gab und die Samstagabendshow mit einem Lagerfeuer verglich, an dem sich die ganze Familie noch immer gerne versammelt.

    Irgendwie tröstlich zu hören. Auch wenn die Häuptlinge heute nicht mehr Kuli, Blacky, Rudi oder Tommy heißen, sondern Jörg Pilawa, Kai Pflaume oder Johannes B. Kerner.

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