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LANGENPROZELTEN: Kultige Theaterhöhle

LANGENPROZELTEN

Kultige Theaterhöhle

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    Kultig: Der Zuschauerraum der Langenprozeltener Spessartgrotte ist wie eine Höhle gestaltet.
    Kultig: Der Zuschauerraum der Langenprozeltener Spessartgrotte ist wie eine Höhle gestaltet. Foto: Foto: Ralph Heringlehner

    „In der Stadt wäre es leichter“, sagt Helga Hartmann. Es ist eine Feststellung. Sie jammert nicht. Auch Neid auf die Kollegen in den Städten klingt nicht durch. Helga Harmann betreibt ein Theater auf dem Land – erfolgreich. Schließlich gibt es die Spessartgrotte in Langenprozelten seit 32 Jahren. Als sie ihr Theater 1986 eröffnete, prophezeiten ihr genügend Leute – darunter auch angebliche Szene-Kenner – ein schnelles Scheitern.

    Es ist ja auch einigermaßen mutig, in dem Dorf bei Gemünden (Lkr. Main-Spessart) nicht nur Kultur zu machen, sondern auch noch davon leben zu wollen. Gut 2000 Menschen wohnen dort zwischen der Bundesstraße 26 und Main. Langenprozelten hat kein Renommee als Touristenort wie das etwa gleich große Sommerhausen (Lkr. Würzburg). Das liegt zudem vor den Toren der Großstadt Würzburg. Das Sommerhäuser Torturmtheater ist zwar dennoch kein Selbstläufer. Es tut sich aber leichter, an Publikum zu kommen als die Spessartgrotte.

    Weitab von großen Städten

    „Wir könnten schon mehr Zuschauer brauchen“, sagt Helga Harmann. Auch das ist eine Feststellung und keine Klage. In der näheren Umgebung sei kaum Publikum zu finden – denn dort ist vor allem Landschaft, die Fläche eher dünn besiedelt. Würzburg ist 50 Kilometer entfernt, nach Aschaffenburg sind es 60 Kilometer, nach Frankfurt 100. Trotzdem: „Viele Zuschauer kommen aus dem Raum Aschaffenburg, sogar aus Frankfurt, aus Bad Kissingen, Bad Mergentheim und natürlich auch aus Würzburg“, so die Theaterleiterin.

    „Die Leute kommen deswegen von weit her, weil wir gut sind“, sagt die 68-Jährige selbstbewusst. Ebenso selbstbewusst gibt sich die Privatbühne in ihrem Internetauftritt und auf dem Schild an der Hausfassade: „Das Theater in Mainfranken“ wirbt man vollmundig, als gäbe es kein Mainfranken Theater, kein Stadttheater in Schweinfurt und nicht die äußerst rege Privattheaterszene in Würzburg. Hartmann hält den selbstbewussten Auftritt nicht für überzogen: „Ich kenne viele Theater in Deutschland und bin überzeugt, dass wir manches besser können.“

    Die Zeit des Laientheaters ist lange vorbei

    Qualität ist wichtig, weiß Helga Hartmann. Die Zeiten, als die Spessartgrotte eine Laienbühne war, seien seit „zehn, wenn nicht 15 Jahren“ vorbei. Jetzt stehen Profis auf der Bühne. Die werden für die entsprechende Rolle gecastet, bevor sie engagiert werden. Das malerisch verwinkelte Haus, dessen Geschichte ins 12. Jahrhundert zurückreicht, bietet auch Wohnraum für Mimen, die von weiter her kommen.

    Helga Hartmann sitzt an einem Tisch im ehemaligen Schankraum – die Spessartgrotte war einst das Gasthaus „Zum goldenen Engel“ – und grübelt: „Es ist ja nicht so, dass ich von Anfang an auf ein Theater hingeplant habe.“ Das habe sich eher entwickelt, „durch vorsichtiges Probieren“. Ursprünglich hatte sie die Spessartgrotte als Kleinkunstbühne etablieren wollen. Ab Juni 1986 bot sie Gastspiele von Kabarettisten an. Georg Schramm, Dieter Nuhr und Urban Priol traten auf. Doch Hartmann musste einsehen, dass das zu teuer wurde. Um die Auftritte bezahlen zu können, „hätte ich jedes Mal mindestens 200 Leute im Publikum haben müssen“. So etwas läuft bestenfalls in einer größeren Stadt, aber eben nicht am Rand des Spessarts.

    Langsames Vortasten zum Theaterbetrieb

    Also tastete sie sich in Richtung Theater vor. Das erste Kinderstück kam 1988 heraus. 1989 ging mit der Komödie „Die Perle Anna“ die erste eigene Abendproduktion über die Bühne. Hobbyschauspieler drückten die Produktionskosten, und irgendwie kommt die Spessartgrotte nun sogar mit Profis über die Runden und bringt sieben, acht Premieren pro Jahr heraus.

    Profis und Qualität kosten, was die Finanzierung nicht einfacher macht. Zuschüsse der öffentlichen Hand und das, was der Förderverein einbringt, machten nur einen kleinen Teil des Budgets aus, so Hartmann. Den Löwenanteil muss die Bühne selbst erwirtschaften. Zwischen 30 und 80 Leute sitzen normalerweise im Zuschauerraum. Wenn ein Hit wie „Honig im Kopf“ gespielt wird, sind auch mal alle 99 Plätze belegt. Mit Eintrittsgeldern allein lässt sich aber kein Theater finanzieren. Hartmann: „Ohne Gastronomie ginge es nicht.“

    Die Kombination aus Kunst und Kulinarischem dient nicht nur der Finanzierung des Hauses; sie sei für Manchen ein weiterer Grund, das Theater in der Provinz anzusteuern. Dazu kommt noch das bemerkenswerte Ambiente: Der Zuschauerraum im ersten Stock ist mit künstlichen Stalagtiten wie eine Grotte gestaltet – daher auch der Theatername. Das Design-Relikt aus den 70ern, in denen das „in“ war, wirkt heute retromäßig-kultig.

    Ein bisschen mehr Engagement

    Es geht auch nicht ohne extremes Engagement. Die Theaterchefin muss sich um die Verwaltung kümmern, um die Engagements; sie wählt die Stücke aus – wegen des größeren Zuschauerinteresses fällt der Spielplan komödienlastig aus – führt Regie, betätigt sich als Autorin, steht am Ausschank. Sohn Andreas (48), das einzige ihrer sechs Kinder, das im Theater mitmacht, sorgt fürs Bühnenbild, bedient während der Aufführungen die üppige Lichtanlage und werkelt auch noch, mit einer Hilfskraft, in der Küche. Manchmal hilft ein Freund.

    Ein Nine-to-Five-Job ist Theater nie. Weitab von den Städten darf's noch ein bisschen mehr Engagement sein. Ans Aufhören habe sie dennoch niemals gedacht, sagt Helga Hartmann. Bislang sei man noch immer durch finanzielle Engpässe geschlüpft. Das Haus immerhin ist seit Jahrzehnten im Familienbesitz. Doch auch die Immobilie kostet. Vor zwei Jahren habe man das Dach neu decken müssen, sagt Helga Hartmann. Als Feststellung. Sie jammert nicht. Und hat noch immer Lust aufs Theatermachen – draußen auf dem Land in ihrer Theaterhöhle.

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