Weißer Papiermüll, stellenweise mannshoch, dominiert die Bühne der Kammerspiele im Würzburger Mainfranken Theater (Bühnenbild: Elsa Limberg). Fünf grauweiß gewandete Gestalten betreten sie: Menschen, zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort, einem Ort des Schreckens, einem Bahnhof, der in wenigen Augenblicken, oder soeben oder vor Stunden, Schauplatz eines Bombenanschlages sein wird oder war.
Doch die vom Darsteller-Quintett minutiös erzählte, gleichsam dokumentarische Chronologie des Terroraktes ist nur eine Ebene in Jan Neumanns „Fundament“. Viel wichtiger sind dem Autor die Auswirkungen des Attentats auf die fünf, aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammenden Menschen: Was bleibt übrig nach einem solchen Ereignis? Was sind die Fundamente, auf denen unser Leben steht? Wodurch und wie stark sind sie zu erschüttern? Mit der konzentriert-stimmigen, comedyhafte Elemente nicht verleugnenden Interpretation liefert die Berlinerin Monika Steil ein überzeugendes Würzburger Regie-Debüt.
In nahezu Brecht'scher Manier bietet das Stück fünf modellhafte Lebensentwürfe, von denen die einen sterben, die anderen überleben. Die Buchhändlerin Bettina Lauterbach (famos: Marianne Kittel) bleibt zumindest äußerlich unbeschädigt. Weil sie als Einzige im vorangegangen Psycho-Workshop ihre beruflichen Zwänge und ihr familiäres Desaster offenbart hat? Dagegen bleibt die zweifach geschiedene Single-Frau Marianne Krüger-Kaufmann (überaus nachhaltig: Petra Hartung) im eigenen Sterben so empfindungslos wie beim Tod ihres Vaters. Sinnloses Opfer wird auch Vorzeige-Werbe-Guru Dr. Friedrich Kremm, dessen selbstgefälliges Gutmenschentum in seiner gnadenlosen Überheblichkeit Georg Zeies gehörig karikiert. Zu den Augenzeugen zählt der politisch engagierte Student Benjamin Ullrich (von Kai Christian Moritz im Mix aus souveräner Gelassenheit und heißem politischen Engagement gegeben) und der dauerredende, sich in allen Weltreligionen auf Sinnsuche befindliche Frührentner Wolfgang Röhrig (Alexander Hetterle, der in der Figur des Kursleiters dem Ganzen noch eins draufsetzt).
„Fundament“ stellt mehr Fragen, als es Antworten liefern kann. Und ist insoweit das ideale Stück für neugierige Sinnsucher, die auch eine gehörige Portion ironischer Kurzweil genießen wollen.
Nächste Vorstellungen: 22., 26. und 29. März. Karten: Tel. (09 31) 39 08-124