Ja gut, die Stimme ist wirklich gewöhnungsbedürftig. Mulder klingt anders. Irgendwie glatter, unpersönlicher, austauschbarer. Die Fans jedenfalls sind nicht amüsiert. Ansonsten ändert sich nichts in der neuen, sechsteiligen Staffel von „Akte X“, die am Montag bei Pro7 angelaufen ist.
Wirklich nichts. Es gibt die beschaulichen Ausflüge in die amerikanische Provinz, um den ganz besonders rätselhaften Todesfall aufzuklären. Es gibt das stachelige oder schleimige Monster der Woche, das uns so ans Herz gewachsen ist. Der ewig schlecht gelaunte Walter Skinner ist wieder dabei (er hat es immer noch nicht ganz an die Spitze des FBI geschafft) und sogar der Krebskandidat. Und es gibt natürlich weiterhin die ganz große Verschwörung, die auch die wildesten Fantasien des verbohrtesten Aluhutträgers in den Schatten stellen dürfte.
Apropos Verschwörung: Ein nicht ganz unwichtiges Detail ist dann doch anders. Es waren all die Jahrzehnte nicht die Aliens selbst, die für allerhand Schabernack sorgten, sondern Menschen, die mit gekaperter Alien-Technologie zugange waren.
Das hier zu verraten, obwohl manche Zuschauer Folge eins vielleicht aufgezeichnet haben und noch nicht dazu gekommen sind, sie anzuschauen, ist in diesem Fall in Ordnung. Denn im Grunde ging es bei „Akte X – die unheimlichen Fälle des FBI“ nie darum, wer wirklich wohinter steckte. Enthüllungen waren und sind hier immer dramaturgische Matrjoschkas: Jede Lösung wirft immer nur ein noch größeres Rätsel auf.
Die Serie von Chris Carter lief in den USA erstmals von 1993 bis 2002 und wurde unerreichtes Vorbild vieler weiterer Mystery-Serien. Sie huldigt in den ersten neun Staffeln und zwei Spielfilmen dem Prinzip der folgenlosen Ungeheuerlichkeit: Die FBI-Agenten Fox Mulder und Dana Scully entdecken, enthüllen, überführen permanent Mutanten, Seelenwanderer, Zeitanomalien, Killerviren, niederträchtigste Komplotte und natürlich außerirdische Interventionen aller Art, und es passiert – nichts.
Nun kommt also 14 Jahre nach dem – vorläufigen – Aus Staffel zehn als Miniserie, lange erwartet, lange ersehnt. Die Protagonisten sind erwartungsgemäß gealtert (und wir mit ihnen). Bei David Duchovny waren wir via „Californication“ (derzeit auf Tele 5) über die Jahre dabei, insofern sind die Veränderungen wenig überraschend: Mulder, nicht unattraktiv zerknittert, mit leichtem Bauchansatz und ein wenig steif in der Hüfte, tauscht das T-Shirt wieder gegen den schlecht sitzenden Anzug des mittelgut bezahlten Regierungsbeamten.
Gillian Anderson war als Scully die vielleicht schönste Frau im Fernstehen überhaupt. Schön ist sie natürlich immer noch. Doch in der Rolle wirkt ihr Gesicht eigenartig maskenhaft. Ob das an der Schminke, an digitaler Nachbearbeitung oder anderen Gründen liegt (etliche Zuschauerinnen haben da eigene Theorien) – es dauert bis Folge vier, bis diese Dana Scully wieder zu (beinahe) alter Form aufläuft.
Es lohnt sich, zum Vergleich ein, zwei alte Folgen anzuschauen: Mulder war ein echtes Milchgesicht. Wie er es außerdem schaffte, in diesen wahnsinnig raumgreifenden Mänteln über Stock und Stein zu turnen, bleibt ein weiteres ungelöstes Rätsel der Mystery-Serie. Ansonsten: hölzerne Dialoge, behäbige Schnitte, körnige Bilder. Und doch: Das Amerika der Akte X ist und bleibt für die Fans so etwas wie eine externe Heimatwelt, deren verlässliche Beständigkeit in der Unbeständigkeit aller Naturgesetze liegt.
Die Neuauflage lässt sich schlüssigerweise denn auch reichlich Zeit, um wieder in Fahrt zu kommen. Erst in Folge drei geht's im Grunde richtig los – die ist schräg, selbstironisch und komödiantisch bis an den Rand der Parodie.
In der Verlässlichkeit liegt die Stärke der Serie ebenso wie ihre Schwäche: Dass nun Sven Gerhardt und nicht mehr Benjamin Völz den Mulder synchronisiert (Grund sind offenbar Honorarfragen), ist im skandalsüchtigen Netz schon als „Synchro-Gate“ ausgerufen worden. Aber wie soll man sonst damit umgehen, wenn ein langjähriger Begleiter durch die Wirren des Lebens und des Universums plötzlich ganz anders klingt?
Die nächsten Folgen: jeweils montags, 15., 22., 29. Februar, 7. und 14. März, 21.10 Uhr, Pro7.