Rock-, speziell Metal-Festivals sprießen in der Region nur so aus dem Boden – in Geiselwind gab's am Wochenende gleich einen Doppelpack: freitags das Heidenfest mit allerhand Prominenz aus dem Bereich Viking- und Folk-Metal, samstags das Deutschrock-Monster-Festival, ausverkauft dank der Südtiroler Überflieger von Frei.Wild.
Heidenspaß auf dem Heidenfest – zugegeben, es gibt bessere Kalauer, aber kaum ein besseres Sammelsurium aus der Ecke der Viking-, Folk-, Piraten-, Pagan- und Mystik-Metaller. Spaß machten die neun Bands irgendwie alle, selbst die nachmittäglichen Anheizer wie Trollfest oder Todtgelichter. In Text, Klang und Auftreten ist immer ausreichend Ironie verpackt, so dass das ganze Gehabe um Sagenwelten und große Krieger nicht ins Peinliche rutscht. Das teils recht abenteuerliche Publikum weiß damit umzugehen.
Drollige Polka-Elemente
Auf geradlinigem Rhythmus-Teppich stolzieren Gitarren-Riffs und -Soli irgendwo zwischen atemberaubendem Tempo und träumerischer Verspieltheit. Wenn dazu stimmliche Akrobatik wie bei der russischen Kapelle Arkona kommt, in der die klassisch geschulte Maria „Mascha“ Archipowa wandlungsfähig ihre Geschichten von Heldentum, Tod und Wiedergeburt erzählt, dann ist das Metal feinster Schule. Klar kann's auch mal schlicht-rustikal ausfallen wie bei den schottischen Piraten von Alestorm oder eine Spur zu intellektuell wie bei den Österreichern von Dornenreich. Hand und Fuß hat's aber.
Wie bei Turisas. Sie führen am Freitag das finnische Abschluss-Trio an, musikalisch präzise, stimmlich gewaltig, aber mit einer Prise zu viel Synthi und Schminke. Letztere ziert auch die Körper von Finntroll, die es trotz drolliger Polka-Elemente eine Portion härter angehen, nicht zuletzt durch die Growls, die düstere Variante des gutturalen Gesangs, von Mathias Lillmanns, der sein Handwerk erheblich besser versteht als der etwas monotone Kollege und Ex-Ensiferum-Shouter Jari Mäenpää von Wintersun. Die beschließen das Heidenfest dennoch mit einer bemerkenswerten Mischung aus melodischem und doch bretthartem Death-Metal sowie episch-verspieltem Folk.
Sieben oder acht Minuten lange Stücke wie „Starchild“ sind freilich nicht jedermanns Sache – der ein oder andere Heide unter den rund 700 Fans wirkte ob der geballten Ladung beinahe ein wenig überfordert. Überfordert dürfte tags darauf kaum jemand gewesen sein. Deutschrock der Marke Serum 114, Extrabreit (hoppla, ja die NDW-Ikone!) oder Frei.Wild ist viel zu direkt angelegt, um seine Gefolgschaft zu irritieren. Drauf aufs Gaspedal, Texte wie eine Faust mitten in die Magengegend und Spaß, Spaß, Spaß. Eine Mischung, die schon seit Jahren läuft, Deutschrock hat sich etabliert, füllt die Säle. In Geiselwind kommen 3500 Fans in die ausverkaufte große Eventhalle – und bereuen nichts.
Zwar ist die Zeit der extrabreiten Hagener definitiv vorbei, dafür tut sich ansonsten im Reich der simplen, aber eingängigen Tonfolgen einiges: Während die Engel in Zivil im Onkelz-Covern stecken geblieben sind und Edelweiss ein bisschen arg viel AC/DC ist, haben sich 9mm Assi Rock'n'Roll (ja, die heißen wirklich so) eine eigene Nische geschaffen – Punk, Metal, Rock und genau der Schuss Motörhead-Rotzigkeit, der sie bald aus dem Insider-Status herausheben dürfte. Ein Bonbon haben sie auch parat: Plötzlich hüpft Ex-Böhse-Onkelz-Gitarrist Matt „Gonzo“ Röhr auf die Bühne – um seine neue Soloscheibe zu promoten, aber auch, um 3500 wilden Jungs und Mädels glasige Augen zu bescheren.
Gegen Extremismus
Überhaupt ist das alles nicht so hart und fies, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Unter dem Dach der Aktion „F.E.K.9 gegen Extremismus“ finden auch Punks und Skins ihre tanzbare, schnelle Musik, wie einst in den Siebzigern, ohne politische oder gewalttätige Auswüchse. Bands wie Kärbholz oder Betontod liefern Oi- und Street-Punk mit Spaß und Qualität – wenn da halt nicht die stimmlichen Problemchen wären.
Die haben auch Frei.Wild, doch Sänger Philipp Burger hat nach zehn Jahren so viel Charisma entwickelt, dass das gar nicht weiter ins Gewicht fällt – ohnehin übernehmen die Fans beinahe jeden Refrain stimmgewaltig. Den gesanglichen Höhepunkt des Deutschrock-Monster-Festivals liefert ausgerechnet der Rausschmeißer weit nach Mitternacht: Ski King nennt sich der Entertainer, der noch 300 Leute in der Halle hält und sie mit stark gemachten Rock- und Heavy-Interpretationen im Johnny-Cash- oder Elvis-Presley-Gewand bestens unterhält – ganz allein und doch die Bühne füllend. Respekt.