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NÜRNBERG: Monster in Nürnberg: Ab ins Fegefeuer!

NÜRNBERG

Monster in Nürnberg: Ab ins Fegefeuer!

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    Dumm gelaufen: Luther hat das Fegefeuer abgeschafft. Also kommt er direkt in die Hölle – jedenfalls aus Sicht der Reformationsgegner („Luthers Eintritt in die Hölle“, um 1700).
    Dumm gelaufen: Luther hat das Fegefeuer abgeschafft. Also kommt er direkt in die Hölle – jedenfalls aus Sicht der Reformationsgegner („Luthers Eintritt in die Hölle“, um 1700).

    Hundertfünfzigtausend Jahre können sich ziehen. Dass man mitten im Feuer sitzt, macht die Sache nicht wirklich unterhaltsamer. Nein: Fegefeuer – da will keiner hin. Muss aber fast jeder. Denn wer könnte schon von sich behaupten, sein irdisches Dasein ohne eine einzige Sünde hinter sich gebracht zu haben? Nur komplett sündenfrei aber kommt der Mensch, beziehungsweise das, was von ihm den Tod überlebt, unmittelbar in den Himmel. Für alle anderen heißt es: Ungeläutert trittst Du nicht vor Gott – ab ins Fegefeuer! Das lehrt sinngemäß die katholische Kirche, die sich etwa beim Konzil von Trient (1545 bis 1563) mit dem Thema beschäftigte. Da wird auch erstmals der Begriff „Fegefeuer“ verwendet, alternativ ist von einem „Reinigungsort“ die Rede und den „dort festgehaltenen Seelen“. Freilich lehrt die Kirche nicht, dass jeder gleich 150 000 Jahre lang gesotten wird. Wer bloß mal falsch geparkt hat, kommt sicherlich mit weniger davon. Da reichen vielleicht ein paar Tage. Außer, man hat eine Feuerwehrzufahrt blockiert. Dann dauert's wahrscheinlich länger.

    Aber ernsthaft: Wie lange die Seele geläutert werden muss, bevor sie ins ewige Leben hinüber darf, legt kein Kirchendogma fest. Derlei bildet sich im Volksglauben heraus. Menschen malen sich gerne das aus, was sie sich eigentlich nicht vorstellen können, weil das Denkvermögen halt Grenzen hat. In solchen Fällen ersetzt die Fantasie das Wissen, mit oftmals drolligen Folgen.

    Und die Reichen sündigten

    Im Mittelalter, als die Idee vom Fegefeuer aufflammte, machte man sich ein äußerst detailliertes Bild. Es gab regelrechte Tarife, etwa „pro Sünde ein Jahr Fegefeuer“. Da können leicht ein paar Tausend Jahre auflaufen: Fünf bis sechs Sünden pro Tag – und ein 70-Jähriger hat 150 000 Jahre Fegefeuer vor sich. Klar, dass die Angst seinerzeit groß war und so real wie heute die vor einem mutierten Grippevirus. Gegen's Fegefeuer allerdings erfand man ein Gegenmittel: Ablassbriefe. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“, lautete der Slogan von Johann Tetzel (1460 bis 1519), einem der umtriebigsten Ablasshändler. Abhängig von der einbezahlten Summe wurde mehr oder weniger Flammenpein erlassen. Was zur Folge hatte, dass einerseits Arme oft das letzte Geld zusammenkratzten, um sich oder – auch das war möglich – einen lieben Verstorbenen zu retten.

    Andererseits glaubte mancher Reiche, er könne fröhlich und ohne Reue sündigen, wenn er nur genügend bezahle. Die Kirche machte gute Geschäfte mit dem Ablasshandel. Sogar der Bau des Petersdoms wurde teils mit Einnahmen aus Ablassbriefen finanziert.

    Einen Augustinermönch namens Martin Luther regte diese Praxis derart auf, dass er eine Rebellion vom Zaun brach: Der Missbrauch von Ablass und Fegefeuer ist ein Grund für die Reformation. Für Protestanten wurde das Fegefeuer letztlich abgeschafft.

    Ist doch nicht so schlimm!

    Genau besehen, ist Fegefeuer im katholischen Sinn aber nichts Schlimmes. Auch wenn er's im Moment, wo er so vor sich hinschmort, nicht glauben mag: Wer im Fegefeuer sitzt, hat beinahe schon gewonnen. Denn danach kann's nur noch aufwärts gehen, Richtung Himmel. Eine Wachsbüste vom Ende des 17. Jahrhunderts zeigt im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg einen im Fegefeuer Leidenden denn auch mit von Pein gezeichnetem Gesicht – aber mit hoffnungsvollem Augenaufschlag gen Himmel.

    Die dreidimensionale Darstellung ist Teil der Sonderausstellung „Monster“ (siehe Kasten). Sie passt zum Thema. Denn gleich daneben zeigt ein weiteres Kästchen, was nach dem Tod auch passieren kann: Die Darstellung der „Seele in der Hölle“ lässt das Monster im Menschen heraus, ein Monster, das vielleicht schon während seines irdischen Lebens in ihm schlummert. Und immer wieder auch erwacht, die Weltgeschichte beweist's.

    Uneinsichtigen Todsündern gesteht die katholische Kirche die Läuterung im Feuer nicht zu. Sie kommen direkt in die „Glut der ewigen Hölle“ und werden dort „auf immer gepeinigt“, wie Papst Innozenz IV. anno 1254 schrieb. Auch die bösen Protestanten gehen gleich zum Teufel. Logisch: Die haben ja kein erlösendes Fegefeuer. Und so reitet Luther im Germanischen Nationalmuseum auf einem Anti-Reformationsbild dem Tor zur Hölle entgegen. Dort erwarten ihn frohgemute Teufelchen – wenn das Wissen an seine Grenzen stößt, kommt Fantasie ins Spiel . . .

    Monster im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg

    Die Sonderausstellung „Monster: Fantastische Bilderwelten zwischen Grauen und Komik“ im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg verfolgt Monstermythen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Welche Typen haben sich herausgebildet, wie haben sie sich verändert? Die Ausstellung soll klären helfen, was wann als monströs galt, was Angst machte und wie Furcht instrumentalisiert wurde.

    Rund 200 Objekte – Bilder, Skulpturen, Filme, Spielzeug – sind zu sehen, vom Echternacher Codex bis zu Max Beckmanns Vampiren. „Zum Gruseln schön und schrecklich spannend“, wirbt das Museum. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Einmal, weil alte Darstellungen heute bisweilen amüsieren, zum anderen, weil Monster immer wieder auch für witzige Darstellungen genutzt wurden (etwa bei Christian Mosers „Monstern des Alltags“, das Bild rechts zeigt „Der Groll“). Das nimmt ihnen einiges von ihrem Schrecken.

    Dämonen, Monster, Vampire faszinieren Menschen zu allen Zeiten. Künstler bringen sie ins Bild, um den Betrachter zu schrecken. Das ist nicht erst seit der Entstehung des Horrorfilms so. Zahllose Höllendarstellungen seit dem Mittelalter mit ihren dämonischen Ausgeburten zeigen Szenen, die immer noch Albträume bereiten können. Fabelhafte Bestien und sexy Vampire wirken auch als Projektionen unserer Ängste und Sehnsüchte, denen man nachgeben oder die man bekämpfen kann.

    Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18, Mittwoch bis 21 Uhr. Bis 6. September. Der reich bebilderte Katalog (512 Seiten) kostet im Museum 39,90, im Buchhandel 52 Euro. GNM

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