Suzanne Vega, die amerikanische Liedschreiberin mit der traurigen Stimme, ist gerade 52 Jahre alt geworden und bereits etwas länger als ihr halbes Leben gut im Geschäft. Am Freitag, 22. Juli, eröffnet sie in Würzburg in einem Doppelkonzert mit Beady Belle aus Norwegen den 5. Würzburger Hafensommer. Ein Gespräch mit Vega über traurige Gefühle und ihren Hit „Luka“.
Frage: Sie nehmen viele Ihrer Lieder neu, in akustischen Versionen, also ohne elektrisch verstärkte Instrumente auf und veröffentlichen sie nach Themen geordnet. Was ist der Grund dafür?
Suzanne Vega: Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe. Über die Jahre haben die Menschen immer wieder meine Produktionen kommentiert und auch kritisiert. Also dachte ich: Na gut, nehme ich alles so einfach wie möglich auf. Nur den Song mit sehr wenig Produktion. Ich ging davon aus, dass die Fans das mögen werden. Der zweite Grund ist der, dass ich nicht mehr bei einer Plattenfirma unter Vertrag bin, sondern auf meinem eigenen Label tun und lassen kann, was ich möchte. Mein letztes Album, „Beauty and Crime“, kam 2007 bei Blue Note heraus und verkaufte sich gut. Trotzdem haben sie mich dort entlassen. Außerdem kann ich bis ans Ende meines Lebens „Close-up“-Alben verkaufen und mein Einkommen damit sichern.
Man kann, speziell in ihrem neuen Gewand, nicht mehr sagen, von wann diese Lieder sind.
Vega: Danke, es war mir immer wichtig, Musik zu machen, die für immer relevant bleibt. Und zeitlos. Ab und zu lässt die Produktion einen Song altern. In ihrer nackten Erscheinungsform ist es leichter für die Songs, alterslos und unnostalgisch zu erscheinen.
Käme ein neuer Plattenvertrag für Sie in Frage?
Vega: Durchaus. Falls renommierte Firmen interessiert wären, würde ich das Angebot prüfen. Ich bin keine militante Verfechterin des Do-it-yourself-Gedankens. Vielmehr ist das jetzt für mich die einzige Möglichkeit, meine Karriere fortzusetzen.
Mögen Sie selbst Ihre Songs am liebsten nackt?
Vega: Nicht grundsätzlich. Ich liebe diese neuen Versionen, weil sie intim sind und ich sie live auf diese Weise spiele. Ich muss aber sagen, dass ich auch die Produktionen liebe, die ich mit meinem Ex-Mann Mitchell Froom gemacht habe, etwa jene von „Caramel“ auf „Nine Objects of Desire“. Unglücklicherweise besitze ich nicht die Rechte an diesen Songs und kann kein Geld mit ihnen verdienen.
Was haben Sie von der Dance-Version von „Tom's Diner“ gehalten, die 1990 weltweit die Charts anführte?
Vega: Fand ich super. Ich bin immer noch mit dem DJ befreundet, der den Remix gemacht hat. Das war eine sehr spaßige Reise in eine Welt, die ich nicht kannte. Ich bin ja keine cluborientierte Popkünstlerin. Auch heute wäre ich aufgeschossen, weitere meiner Songs in ungewohntem Gewand zu erleben. „Tom's Diner“ selbst wird ja bis heute gern als Sample im Hip-Hop oder in Werbespots verwendet. Ich hätte nicht erwartet, dass eine meiner Kompositionen so einen Siegeszug durch die kommerzielle Welt antritt.
Gehen Sie gern tanzen?
Vega: Nicht mehr so oft. Ich bin Mutter einer 17-jährigen Tochter, manchmal begleite ich sie zu Konzerten von Bands, die sie cool findet. Das ist Ruby schon peinlich genug, wenn ich mit will zu den Ting Tings oder so. Andererseits bin ich keine uncoole Mutter (lacht). Ich habe sie mal mitgeschleppt zu Gnarls Barkley, das hat ihr gut gefallen.
Sie kamen zur Musik, indem Sie in der Schule Gedichte schrieben und sie später vertonen wollten.
Vega: Genau, ich kam über die Worte. Mein Stiefvater wiederum hatte eine Gitarre, er sang immer die traurigen alten Folksongs, so bin ich aufgewachsen. Ruby hat längst nicht so viel Spaß an traurigen Folksongs wie ich.
Kommt das melancholische Element ihrer Lieder von diesen Erinnerungen?
Vega: Teilweise. Ich muss jedoch sagen, dass auch mein eigenes Leben nicht ohne Traurigkeit war, etwa, als mein Bruder vor neun Jahren früh verstarb. Ich schließe auch nicht aus, dass Melancholie mein natürlicher Zustand ist. Wobei die Leute, die mich kennenlernen oder zu meinen Shows kommen, oft verblüfft sind, dass ich so viel lache. Heute ist mein Leben relativ gut ausbalanciert, ich bin glücklich verheiratet, habe eine tolle Tochter, meine Musik . . . Alles ist gut.
Setzen Sie sich extra traurigen Gefühlen aus, um Musik zu schreiben?
Vega: Ich glaube, so ist das. Allerdings versuche ich, mich nicht auf diese Stimmung und diese Songfarbe zu verlassen. Bach oder Stevie Wonder beweisen, dass großartige Musik auf Basis großer Lebensfreude entstehen kann.
Als Sie 1987 Ihr wohl bekanntestes Lied, „Luka“, veröffentlichten, in dem es um ein misshandeltes Kind geht, war das Thema häusliche Gewalt noch ein Tabu. Hat ihr Lied das verändert?
Vega: „Luka“ war zu seiner Zeit ein radikaler Song. Es war damals höchste Zeit, diese Dinge in die Medien zu bringen. Das ist mir gelungen. Und so ist es bis heute geblieben. Auch die Gesetze sind deutlich geändert worden. Hat mein Song dazu beigetragen, dieses Thema auf die gesellschaftliche Tagesordnung zu bringen? Jein. Er war nicht ursächlich, aber er hat den Dialog beschleunigt.
Der Würzburger Hafensommer
Vom 22. Juli bis 14. August geht der 5. Hafensommer über die Bühne im Alten Hafen in Würzburg. Hinter dem Kulturspeicher gibt es (bis auf Montag, 25. Juli) jeden Tag ein Konzert oder eine Filmvorführung. Ein Auszug aus dem Konzert-Programm des Festivals: Freitag, 22. Juli, 20 Uhr: Doppelkonzert Suzanne Vega und Beady Belle; Samstag, 23. Juli, 20 Uhr: Doppelkonzert Jazzanova feat. Paul Randolph und Feindrehstar; Dienstag, 26. Juli, 20.15 Uhr: Phoneheads & Philharmonisches Orchester Würzburg; Donnerstag, 28. Juli, 20 Uhr: Klaus Doldinger's Passport Today feat. Classic Passport; Freitag, 29. Juli, 20.30 Uhr: Quadro Nuevo; Sonntag 31. Juli, 20 Uhr: Doppelkonzert Sophie Hunger und Marie Kvien Brunvoll; Freitag, 5. August, 20.30 Uhr: Erdmöbel. Weitere Infos und Karten: Tel. (0931) 36-20 10, Internet: www.hafensommer-wuerzburg.de