Oliver Polak, 35, gilt als Deutschlands einziger jüdischer Stand-up-Komiker. Er sticht dort zu, wo es ohnehin schon richtig wehtut. Am Sonntag, 15. April tut er das im Bockshorn in Würzburg. Ein Gespräch über die Comedybühne als Metaebene und darüber, wie weit Humor gehen darf.
Frage: Sie thematisieren das Verhältnis von nichtjüdischen und jüdischen Deutschen. Hat es viel Überzeugungsarbeit gebraucht, damit Ihre satirischen Betrachtungen „Ich darf das, ich bin Jude“ und Ihr rabenschwarzes „Jewsical Jud süß-sauer“ überhaupt entstehen konnten?
Oliver Polak: Für mich war es selbstverständlich, solch ein Buch zu schreiben. Ich wusste nicht, ob es überhaupt jemanden interessiert. Glücklicherweise ist es dann ein Bestseller geworden. Mir geht es in erster Linie um Humor, Comedy und Absurdität und nicht ums Judentum. Mich interessiert die Frage „Was finde ich selber komisch?“ und nicht die Überzeugungsarbeit. Manchmal sitzen Leute im Publikum und denken: „Hä, Juden dürfen wieder auftreten? Wusste ich noch gar nicht.“ Juden sind ein bisschen wie Panda-Bären: Es gibt nicht mehr so viele. Deshalb gucken sich die Leute lieber einen an, bevor es zu spät ist. Es ist Satire.
Kabarett ist ein weiter Begriff. Intelligente politische Satire kann damit ebenso gemeint sein wie seichte Comedy. Wo ordnen Sie sich selbst ein?
Polak: Ich bin Unterhaltungskünstler. Ich sehe mich nicht als Kabarettist, eher bin ich ein Stand-up-Comedian. Vieles, was unter Kabarett läuft, ist eher Wellness-Kabarett. Da steht jemand auf der Bühne, der ist links. Das Publikum fühlt sich gut unterhalten und glaubt zudem, etwas Gutes getan zu haben. Ich finde es nicht interessant, wenn Kabarett und Comedy immer nur auf Zustimmung arbeiten. In Deutschland werden oft Ressentiments in Gags verpackt: „Frauen können nicht einparken“, „Schwarze haben einen großen Penis“, „Alle Türken essen Döner“. Fakt ist, das Ressentiment wird bestätigt, obwohl es noch nicht mal stimmt. Das ist absurd, denn ich finde, Ressentiments sollten zerstört werden. Leute, die ich für ihren Humor schätze, sind Ricky Gervais oder Sarah Silverman. Man bewegt sich immer auf dem schmalen Grat, missverstanden zu werden. Alles andere ist nicht interessant.
Ihr Humor ist anarchistisch. Ist es ein typisch jüdischer Humor?
Polak: Ich weiß gar nicht, ob es einen jüdischen Humor überhaupt gibt. Wenn es ihn aber gibt, dann ist er bitterer als der englische. Ein Hauch Antisemitismus ist mit drin, Selbstmitleid, Selbstkritik, ein Stück Wahrheit. Mein Humor ist weder jüdisch noch nichtjüdisch, weder platt- noch hochdeutsch. Ich blicke einfach aus meinem Winkel auf die Welt. Es geht um Humor und Stilmittel, nicht um Abrechnungen. Die Comedybühne ist für mich eine Metaebene, die mir eine realitätsverfremdende, stilisierte und auch oft überspitzende Präsentationsform bietet. Ernst Busch war ja 1954 als Mephisto auch nicht wirklich der Teufel. Er spielte ihn nur . . . oder? Aber vielleicht ist das auch egal.
Einer Ihrer Bühnengags lautet: „Ich vergesse die Sache mit dem Holocaust – und Sie verzeihen uns Michel Friedman.“ Darf man solche Juden-Witze machen?
Polak: Manchmal kamen Leute und meinten: „Sagen Sie mal, ist das nicht ein bisschen hart?“ Denken die denn, ich meine das ernst? Das ist absurd, wenn alles, was man sagt, für bare Münze genommen wird. Es ist fucking Comedy.
Ihr Vater hat als deutscher Jude mehrere Konzentrationslager überlebt und ist nach dem Krieg in seine Heimatstadt Papenburg zurückgekehrt. Konnte das seinen Humor nicht erschüttern?
Polak: Meinen Humor und das Quatschmachen habe ich auf jeden Fall von meinem Vater. Von meiner Mutter habe ich eher mitgekriegt, wie man Panzer fahren könnte im Falle eines Krieges.
Wie muss man sich die Familie Polak aus Papenburg vorstellen – haben Sie sich beim Abendessen gegenseitig Witze übers Judentum erzählt?
Polak: Ich kam mir manchmal selbst vor wie in einer Comedy-Sitcom. Als ich zwölf Jahre alt war, hatte ich mir ein Skateboard gekauft, das ich aber immer nur getragen habe, weil ich nicht mal einen Ollie machen konnte. Irgendwann beschloss ich, mir die Haare komplett abzurasieren. Mein Vater guckt mich an und sagt: „Oh Gott, der Junge sieht aus wie ein Neonazi!“ Und die Reaktion meiner Mutter: „Der Junge sieht aus wie ein KZ-Häftling!“
Welche Musik hat Ihre Jugend geprägt?
Polak: Papenburg und Musik war immer schwierig, im Laden gab es eigentlich nur die Scorpions, Dire Straits und Genesis. Als Whitney Houston gestorben ist, dachte ich mir: Hoffentlich bleiben die Scorpions noch lange gesund. Sonst müsste man nämlich überall deren Musik hören – ein Albtraum. Ich hoffe die Pfeifen werden noch lange leben.
Schätzungsweise 90 Prozent der Deutschen haben keinen Kontakt zu Juden. Wollen Sie das ändern?
Polak: Ich habe kein Gästebuch. Wenn ich zum Beispiel an einem späten Samstagabend in der Mix-Show auftrete und die Leute schon viel getrunken haben, dann will man mit denen auch nicht unbedingt noch sprechen. Ich finde, über Gags muss man nicht diskutieren, da gibt es nichts zu analysieren. Manchmal versuchen Leute auch, sich an einem zu therapieren. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung.
Wie gut sind die Deutschen über das Judentum informiert?
Polak: Das weiß ich gar nicht. Ich bin ja selber ein Deutscher. Vielleicht sind die Juden in Deutschland erst durch Hitler zu Juden geworden. In meiner Show geht es um Ehrlichkeit und um Wahrhaftigkeit, der Holocaust wird nicht weggelacht. Er ist ein Teil von Deutschland. Ich mache Comedy mit Widerhaken.
Thilo Sarrazin behauptet, alle Juden teilten ein bestimmtes Gen. Wie denken Sie über solche Thesen?
Polak: Ich habe mich darüber gefreut. Wenn die Deutschen irgendwann aussterben, dann überlebe ich ja quasi. Natürlich schüttele ich über Sarrazins Thesen mit dem Kopf und denke: Ihr seid fertig, alle!
Wie viel von dem Antizionismus der Gegenwart ist eine Reaktion auf die politische Lage in Nahost – und was ist eine neue Form alten Judenhasses?
Polak: Viele Deutsche haben scheinbar das Bedürfnis, Israel zu kritisieren. Ich habe selten erlebt, dass die Türken dafür kritisiert werden, was sie mit den Kurden machen. Es geht immer nur um Israel, um Juden. Ich bin mir sehr sicher, dass da eine Kompensation stattfindet, um etwas rauszulassen, um sich Luft zu machen. Am Ende ist das ganz klarer Antisemitismus. Wenn heute das Wort „Jude“ fällt, ist es schon negativ behaftet. Überspitzt gesagt: Außer Madonna findet kein Nichtjude irgendeinen Juden geil. Bei Michel Friedmans Skandal um Kokain hieß es, er hätte damit dem Judentum geschadet. Als Christoph Daum eingestand, gekokst zu haben, sagte niemand, er hätte dem Christentum geschadet. Das ist doch absurd.
Bei aller Komik ist Ihr Programm im Kern eigentlich traurig. Sie beschreiben ja eine Gesellschaft, in der der Antisemitismus Alltag ist.
Polak: Ja, aber auch Rassismus. Ich habe kürzlich die Show eines Kollegen gesehen, der stand in einer Arena vor 8000 Leuten. Im Publikum waren auch viele Türken. Das ist purer Rassismus, der da auf der Bühne herrschte, und bestimmte Ressentiments wurden auch noch bestätigt. Es gibt ja das Sprichwort „Der Klügere gibt nach“. Ich finde, das ist gar nicht wahr. Wenn dem wirklich so wäre, dann sind ja irgendwann die Dummen an der Macht. Jeder Künstler macht halt das, was er macht auf der Bühne. Und wenn jemand meint, mit blankem Rassismus zu punkten, finde ich das überhaupt nicht lustig. Es ist beängstigend, wenn das Publikum dazu auch noch frenetisch klatscht. Bei einer Karnevalssitzung hatte sich kürzlich eine Deutsche als Türkin verkleidet und die übelsten rassistischen Witze gemacht. So was stimmt mich nicht traurig, aber genau deshalb mache ich vielleicht das, was ich mache.
Oliver Polak – Sprachrohr eines neuen, selbstbewussten Judentums in Deutschland?
Polak: Nein. Jeder soll für sich sprechen. Ich halte es für falsch, einen Menschen zum Sprachrohr einer ganzen Gruppe zu erheben. Und wir wissen ja, wie so was auch mal schnell in die Hose gehen kann.
Oliver Polak in Würzburg
Der Komödiant, Jahrgang 1976, geboren in Papenburg im Emsland, machte sein Abitur am Carmel College, einem jüdischen Internat in England. Nach einem Praktikum bei VIVA in Köln trat er als Co-Moderator bei Viva-Family auf und moderierte ein Jahr lang den „Disney Club“ auf RTL. Er spielte in der Sat.1-Comedy-Serie „Zack“ mit. Seit 2002 war er als Udo in der TV-Serie „Bernds Hexe“ zu sehen. 2003 zog er nach Berlin und nahm Schauspielunterricht, Anfang 2006 begann er, Stand-up-Comedy zu machen. Mittlerweile tourt Polak durch ganz Deutschland. Am Sonntag, 15. April, gastiert Polak um 20.15 Uhr im Bockshorn in Würzburg. Eintrittskarten unter Tel. (09 31) 4 60 60 - 66.
DVD-Tipp: Ich darf das, ich bin Jude! Live! (1 DVD, Sony/Spaßgesellschaft, Laufzeit ca. 140 Minuten, mit Bonusmaterial)