Irish Folk gehört in den Pub. Oder auf die Straße. Aber in eine etwas angeranzte, große Halle? Nun, wenn er nicht allzu folkig, dafür umso poppiger und, ja, auch rockiger ist, auf alle Fälle. Wie gut das funktionieren kann, zeigte beim Rea-Garvey-Konzert in der s. Oliver Arena – Überraschung – im Vorprogramm Ryan Sheridan. Da steht der irische Kerl mit seiner Gitarre auf dem Extra-Bühnchen in der Mitte des Publikums, begleitet nur von einem Drummer, singt sich die Seele aus dem Leib und die Menge tobt. Dass es dann nach einer halben Stunde wunderbar fließend übergeht zu seinem Landsmann Rea Garvey auf der großen Bühne zeigt: Da sind zwei Hochkaräter am Start.
Den Entertainer in sich entdeckt
Als gäbe es den Einzug haltenden Herbst vor der Türe nicht, sorgen rund 4000 Fans drinnen für schweißtreibendes Klima. Es wird getanzt und gehüpft, mitgesungen – eben beinahe wie im schummrigen Pub an der Ecke. Rea Garvey und seine fünf Mitstreiter haben Bock auf Rock. Die Neonringe und der neonröhrengleiche Mikrofonständer passen zwar überhaupt nicht zur Musik, aber die neue Platte heißt halt „Neon“. Und von der gibt?s reichlich Kostproben.
Wie das filigrane „Water“, das der 45-Jährige zum Anlass für eine Ansprache nimmt: „In unserer Zeit konzentriert sich zu viel auf die schlechte Seite der Menschen. Es gilt sich wieder zu erinnern, wie schön das Leben sein kann. Wir sind die Guten. Und wir sind mehr.“ Dass er in diversen Fernseh-Formaten wie „Voice of Germany“ oder „Sing my Song“ den Entertainer in sich entdeckt hat, lässt sich nicht verstecken. Garvey plaudert, witzelt.
Irische Flagge am Röntgenring
Er rätselt, wie lustig es wohl ausgesehen hat, als sechs bärtige, große Iren genüsslich Eis am Würzburger Marktplatz geschleckt haben. Erzählt, dass sie am Röntgenring die irische Flagge entdeckt hätten. Und vom Ausflug in die Hügel um Würzburg, wo sie „Wein“ direkt vom Rebstock genascht hätten: „Die haben uns gesagt, dass wir das Weingut nicht betreten sollen, weil die da lesen. Und dass da auch ein Bulldog(ge) wäre. Da habe ich mir gedacht: Hä, intelligente Hooligans?“ Zu dieser Plauderstunde gehören einfach auch schlicht geklampfte Songs. Bitteschön, denkt sich Rea Garvey, gerne. In „Hometown“ geht?s neben der Veränderung seiner Lieblingsstadt Dublin auch um die eigene. Den Partykracher „Oh my Love“ startet er akustisch runtergebrochen.
Wer ist hier eigentlich der Star?
Und plötzlich steht Garvey auf der mittigen Mini-Bühne, mimt den Straßenmusiker („It?s a good Life“), auch im Duett mit Ryan Sheridan („Hold my Heart“). Spätestens beim gemeinsam geschriebenen „Stay, stay“ stellt sich angesichts der tobenden Fans die Frage: Hey, wer von den beiden ist hier eigentlich der Star?
Neben Konfetti-Kanonen hat Garvey, wieder zurück auf der Hauptbühne, auch optische Gags auf Lager. Dazu gehört ein Netzvorhang, der sich immer mal wieder vor die Band schiebt. Zu „Lions in the Cages“ tänzelt ein darauf projiziertes Flammenmännchen synchron zum Künstler, der von sich behauptet, sein Tanzen sähe aus wie das eines betrunkenen Affen beim Yoga. Er tut?s dennoch, singt aber Gott sei Dank auch noch ein Weilchen. Bis es mit „Wild Love“ erst mal fast rum ist, und mit den Zugaben („Can?t stand the Silence“, „Never giving up“) nach zwei höchst unterhaltsamen Stunden ganz.