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Würzburg: Tage jüdischer Musik in Würzburg: Gegen den Antisemitismus mitten in der Gesellschaft

Würzburg

Tage jüdischer Musik in Würzburg: Gegen den Antisemitismus mitten in der Gesellschaft

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    Thomas Hummel leitet die Internationalen Tage jüdischer Musik, die am 16. November in Würzburg Station machen.
    Thomas Hummel leitet die Internationalen Tage jüdischer Musik, die am 16. November in Würzburg Station machen. Foto: Peter Adamik

    Thomas Hummel (53) ist Intendant des Usedomer Musikfestivals und Gründer des Orchesters Baltic Sea Philharmonic. Der Sohn des Würzburger Komponisten und Hochschulpräsidenten Bertold Hummel (1925-2002) leitet außerdem die Internationalen Tage jüdischer Musik. Die 2016 gegründete, deutschlandweite Veranstaltungsreihe steht unter der Schirmherrschaft von Zentralratspräsident Josef Schuster und wird vom Bundesinnenministerium und vom Antisemitismusbeauftragten der Regierung gefördert. In diesem Jahr, im Rahmen von "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland", sind zwei Teams unterwegs, um die neun Konzerte zwischen Potsdam, Köln, Würzburg oder Görlitz auf die Beine zu stellen. Am 16. November macht die Reihe mit einem Konzert im Würzburger Zentrum Shalom Europa Station.

    Was ist das Anliegen der Tage jüdischer Musik?

    Thomas Hummel: Ich finde es sehr wichtig, dass jüdisches Leben in all seiner Vielfalt sichtbar wird. Dass man mehr erfährt übereinander. Denn nur so kann man die Grenzen überwinden, die viele noch sehen. Das ist ja auch das Phänomen mit Pegida: Genau da, wo gar keine Ausländer sind, wird über sie geschimpft. Weil es sozusagen Unbekannte sind, auf die man sauer sein kann, weil sie einem angeblich die Jobs wegnehmen.

    "Das sind Welten, die wir überhaupt nicht kennen."

    Thomas Hummel über geistliche jüdische Musik

    Warum ausgerechnet Musik?

    Hummel: Musik überwindet am besten Grenzen. Es gibt zahlreiche wunderbare jüdische Kulturtage, auch punktuell Konzerte, aber reine Musikfestivals mit jüdischer Musik kaum. Vielleicht werde ich irgendwann von meinen Kindern gefragt: "Was hast denn Du eigentlich gegen Antisemitismus gemacht?" Da ist es schön, wenn ich so einen Beitrag leisten kann. Und je mehr wir sind, desto besser gelingt der Kampf gegen den Antisemitismus mitten in unserer Gesellschaft.

    Die Sängerin und Kantorin Sveta Kundish stellt jüdische Musik aus nahezu allen Teilen der Welt vor.
    Die Sängerin und Kantorin Sveta Kundish stellt jüdische Musik aus nahezu allen Teilen der Welt vor. Foto: Tobias Barniske

    Die meisten Leute verbinden jüdische Musik vor allem mit Klezmer, mit Stars wie Giora Feidman. In Würzburg bieten Sie geistliche jüdische Musik aus der ganzen Welt an. Was erwartet das Publikum da?

    Hummel: Die Sängerin und ausgebildete Kantorin Sveta Kundish bezieht mit ihrem Ensemble die Musiktraditionen aus verschiedensten Kulturregionen ein. Lieder, die zum Sabbat gesungen werden, aber je nach Erdteil sehr unterschiedlich sind – also in Ost-, Mittel- oder Westeuropa, im Nahen Osten, in den USA, in Marokko, im Jemen, Iran oder in Algerien. Das sind Welten, die wir überhaupt nicht kennen. Ich war auf dem Matthias-Grünewald-Gymnasium in Würzburg und habe dort sicher eine gute Ausbildung genossen. Aber wir sind kein einziges Mal in eine Synagoge gegangen. Im katholischen Religionsunterricht gab's mal zwei Stunden zum Thema Judentum, und danach hat man alles wieder vergessen. Da muss viel mehr gemacht werden. Wir sind alle Lernende an der Stelle.

    Wir beklagen ja, dass bei uns in Familie und Schule kaum mehr gesungen wird. Könnten wir da von jüdischen Familien lernen?

    Hummel: Es kommt darauf an, wie religiös eine Familie ist. Wenn am Sabbat und an Feiertagen die Regel befolgt wird, dass zum Beispiel kein Handy benutzt werden darf, dann wird die Familie wieder zum Mittelpunkt. Da beschäftigt man sich miteinander und singt eben auch gemeinsam – teilweise stundenlang. Davon kann man schon lernen. Die Synagoge ist außerdem ein Raum des Miteinander, da werden auch Feste gefeiert. Und noch ein wesentlicher Unterschied: Man geht eher in die Synagoge, um zu danken, nicht, um zu bitten.

    "Es gibt eine riesengroße Tradition bedeutender jüdischer Künstler, und die ist viel zu wenig präsent."

    Thomas Hummel

    Jüdische Musik hat ja auch die westliche Kunstmusik sehr stark beeinflusst.

    Hummel: Das stimmt, aber das ist uns viel zu wenig bewusst. Es gibt ein paar Stücke, die in dieser Tradition stehen, die immer wieder gespielt werden, etwa "Kol Nidrei" von Max Bruch, aber dann hört es schon auf. Es gibt akribische Listen aus der NS-Zeit mit unerwünschten Komponisten und Werken. Es ist so beschämend, wer da alles draufsteht – die größten Namen. Es gibt eine riesengroße Tradition bedeutender jüdischer Künstler, und die ist viel zu wenig präsent.

    Geht es also auch ums Gedenken?

    Hummel: Es ist ganz wichtig, dass niemals vergessen wird, was in der NS-Zeit passiert ist. Ergänzend zum historischen Erinnern sollte man unbedingt zeigen, wie schön jüdische Musik und jüdische Kultur sind. Da wurde in den letzten 50 Jahren viel zu wenig gemacht. Mit dem Gedenkjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" in nun ein Aufbruch spürbar.

    Das Konzert: Schätze jüdischer geistlicher Musik aus aller Welt. Sveta Kundish (Sopran) und die Regalim Kapelye mit Peter Kuhnsch, Patrick Farrell und Shingo: Di., 16. November, 19.30 Uhr, Jüdisches Gemeinde- und Kulturzentrum Shalom Europa, Würzburg. Karten: www.usedomer-musikfestival.de

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