Ihr herzliches Lachen, die wilden Wuschelhaare, die Soulstimme und der sichtliche Spaß, mit dem sie über die Bühne fetzt – Tina Turner euphorisiert ihre Fans. Klar, die ehemals schwarze Mähne ist angegraut, immerhin wird sie am 26. November 75 Jahre alt. Aber damenhaft-distanziert sind Turners Auftritte auch im Alter nicht geworden. Sie wirkt authentisch, und vielleicht macht das ihre Wirkung aus.
„Auf der Bühne bin ich Schauspielerin“, sagte die Sängerin mal in einem Interview, „aber nach dem Konzert werde ich wieder Tina.“ Dass die Rock-'n'-Soul-Ikone nicht nur für die Choreographie ihrer legendären Bühnenshows ein Händchen besitzt, bewies sie im Sommer 2013 bei ihrer Hochzeitsfeier am Zürichsee: Den weiblichen Gästen war als Dresscode die Farbe Weiß verordnet, während die Diva selbst in einer grün-schwarzen Robe antrat. Am Seeufer sollten große rote Tücher neugierige Blicke fernhalten, unter den Gästen waren Showgrößen wie David Bowie oder Oprah Winfrey. Mit 73 heiratete sie den 16 Jahre jüngeren deutschen Musikmanager Erwin Bach, mit dem sie seit Anfang der 90er Jahre in der Schweiz lebt.
Es war ein weiter Weg vom ländlichen US-Bundesstaat Tennessee auf die großen Bühnen dieser Welt. Am 26. November 1939 wird Anna Mae Bullock als Tochter von Landarbeitern in Brownsville geboren. Sie wächst in dem Baumwoll-Städtchen Nutbush auf, nach Trennung der Eltern bei Großmutter Roxanne und anderen Verwandten. „Ich wurde immer herumgeschoben. In meinem Leben gab es keine Stabilität“ sagt sie.
Anna Mae wird Mitglied im Chor ihrer Baptistengemeinde und entdeckt rasch, was ihr wirklich Spaß macht – singen und tanzen. Die Chance kommt 1958 in St. Louis, als sie den Musiker Ike Turner kennenlernt, der Anna Maes Talent sieht und für seine Band nutzt. Als „Ike & Tina Turner“ gehen sie auf Tour, haben Erfolg mit Songs wie „A fool in love“ und „River deep, mountain high“. Ike und Tina heiraten, Sohn Ronnie kommt 1960 auf die Welt.
Ein prügelnder Tyrann
Doch die Ehe ist eine Katastrophe. Wie Autor Mark Bego 2010 in „Tina Turner. Die Biografie“ schreibt, ist das Paarleben für Tina eher eine Gefängnisstrafe denn eine Liebesbeziehung. Der drogen- und sexsüchtige Ike erweist sich als prügelnder Tyrann. „Ich habe lange verschwiegen, was für ein Horror mein Leben war. Es war eines, das man unter den Teppich kehrt, von dem niemand erfahren sollte“, sagte Tina Turner 1996 in einem „Spiegel“-Interview.
„Es ist peinlich, geschlagen zu werden, privat nicht weniger als in der Öffentlichkeit, besonders, wenn Du zurückschlägst und nicht gewinnen kannst“. 1976 schafft sie es, sich zu trennen, verzichtet dabei auf Unterhalt und Rechte an der gemeinsamen Musik. Ihre Solokarriere nimmt nur langsam Fahrt auf, aber die Sängerin genießt es, endlich ungegängelt ihre Kreativität ausleben zu können. Ein Riesenerfolg wird 1984 das Album „Private Dancer“ mit dem Song „What's love got to do with it“, ihre erste Nummer eins in den Charts. Tina Turner ist 45, als sie mit „Private Dancer“ vier Grammys gewann. Wie ein selbstironischer Rückblick auf die Ehe mit Ike klingt ein Hit des Albums: „What's love got to do with it?“ (Was hat das mit Liebe zu tun?).
Nun folgt Hit auf Hit. Auch privat geht es bergauf. Tina Turner trifft Bach, damals Manager des Musiklabels EMI, sie verlieben sich, werden ein Paar. Und es lockt der Film. Turner steht in „Mad Max – unter der Donnerkuppel“, „Tommy“ und „Last Action Hero“ vor der Kamera. Zudem singt sie den Titelsong des Bond-Films „GoldenEye“.
Vor 188 000 Menschen
1993 wird ihr Leben verfilmt, benannt nach dem bitteren Song „What's Love Got to Do With It“. Angela Basset spielt Tina, Laurence Fishburne ist als Ike zu sehen. 1988 tritt sie in Rio de Janeiro vor 188 000 Menschen auf. Das Guinness-Buch der Rekorde führt sie als Solokünstlerin mit dem größten Konzertauftritt. Nach mehr als fünf Jahrzehnten im Showbusiness geht die Powerfrau im Herbst 2008 auf ihre – vorerst? – letzte Welttournee. Sie ist fast 70 Jahre alt, wirbelt aber über die Bühne wie eh und je. „Ich wollte schon immer Stadien füllen, weshalb also sollte ich zu Hause rumsitzen?“ 16 Konzerte gibt sie allein in Deutschland, singt ihre großen Hits wie „Simply the best“, „Proud Mary“, We don't need another hero“ oder „I can't stand the rain“, allesamt längst Klassiker.
Buddhismus als Kraftquelle
Mit „Nutbush city limits“ widmete Turner ihrem Heimatort einst einen Song. Seit September 2014 ist nun ihre alte Schule, die Flaggy-Grove-Zwergschule, ein Tina-Turner-Museum. Zu sehen sind neben Fotos vor allem Bühnen-Outfits, vom Leder-Mini bis zum Lurex-Glitzerkleid.
Wichtige Kraftquelle ist für Tina Turner die Spiritualität, genauer: der Buddhismus. Er helfe ihr, positiv zu denken und glücklich zu sein, erklärte sie im Zusammenhang mit dem Musikprojekt „Beyond“, das 2006 in der Schweiz auf Anregung des Dalai Lama gestartet wurde und sich für Gemeinsamkeiten jenseits aller religiösen, kulturellen und ethnischen Unterschiede stark macht.
An drei „Beyond“-Alben hat Tina Turner seit 2009 mitgewirkt. „Ich genieße es, nicht mehr zu arbeiten oder aufzutreten“, sagte sie nach ihrer Hochzeit. Und sie lerne jetzt intensiv Deutsch. Seit Januar 2013 ist sie Schweizer Staatsbürgerin.