Vanessa Redgrave ist quasi die Queen Mum – die Königinmutter – der britischen Schauspielkunst. Für mehr als 100 Filme hat die Oscar-Preisträgerin vor der Kamera gestanden. Auch jenseits der 70 schlüpfte sie zuletzt noch in die Rolle der Elizabeth I. in Roland Emmerichs Shakespeare-Film „Anonymus“. Und zu ihrem 75. Geburtstag, den sie heute, Montag, 30. Januar, feiert, ist sie wieder irgendwo im Ausland unterwegs, wie ihre Agentur sagt. „Keine Zeit für Interviews.“
Dabei ist die gebürtige Londonerin keine, die nur still ihrer Schauspielkunst nachgeht. Sondern eine, die gern den Mund aufmacht und sich einmischt. Sie sei eine „Post-Renaissance-Frau“, sagte sie der Zeitschrift „Brigitte“, das heiße, „dass ich in einer Zeit lebe, in der es Frauen nicht verboten ist, ihren Kopf zum Denken und ihren Mund zum Sprechen zu benutzen“. Wegen ihres Hangs zum Politisieren heißt sie unter Kollegen „Mutter Courage“.
2006 Heirat mit Franco Nero
Redgrave stammt aus der bekanntesten Schauspieler-Dynastie der britischen Insel. Und will man der Legende glauben, gab es nie einen Zweifel daran, welchen Weg sie einschlagen würde. Am Tag ihrer Geburt stand ihr Vater Michael Redgrave in London mit Schauspiel-Legende Laurence Olivier in „Hamlet“ auf der Bühne. Unter tosendem Applaus des Publikums verkündete Olivier: „Heute Abend ist eine große Schauspielerin geboren.“ Er hatte damit völlig recht.
Redgrave trug dann auch ihren Teil dazu dabei, dass die Dynastie bis heute Bestand hat. Ihre beiden Töchter aus der Ehe mit dem Filmregisseur Tony Richardson – Natasha und Joely – blieben ebenso im Fach wie ihr Sohn Carlo aus der Verbindung mit dem Italowestern-Helden Franco Nero. Später war sie lange Jahre mit dem James-Bond-Darsteller Timothy Dalton zusammen. Der britische Schauspieler Liam Neeson („Schindlers Liste“) ist ihr Schwiegersohn.
Die Familie wurde in den vergangenen Jahren von Schicksalsschlägen tief erschüttert. Redgraves Tochter Natasha Richardson erlag im März 2009 nach einem Skiunfall 45-jährig einer Hirnverletzung. Ihr Bruder Corin und ihre Schwester Lynn starben im Frühjahr 2010 – beide an Krebs. „Jeder Moment, den ich mit ihnen erlebt habe, ist ein Geschenk für mich“, sagte Redgrave.
Die Liste ihrer Erfolge reicht von Klassikern wie „Blow Up“, mit dem ihr 1967 der internationalen Durchbruch gelang, bis hin zu „Anonymus“. Aus der Zeit dazwischen ragen Literaturverfilmungen heraus, von „Mord im Orient-Express“ (Agatha Christie) über „Das Geisterhaus“ (Isabel Allende) bis zu „Mrs. Dalloway“ (Virginia Woolf). Den Oscar bekam Redgrave, auch eine gefeierte Theaterschauspielerin, für ihre Rolle in „Julia“, als sie eine jüdische Widerstandskämpferin spielte.
Bei der Preisverleihung 1978 sorgte die PLO-Anhängerin für einen Skandal, als sie einige Gegendemonstranten als „Pack von jüdischen Ganoven“ bezeichnete. Ein typischer Redgrave-Auftritt. Früher war sie gegen den Vietnam-Krieg, gegen atomare Aufrüstung und die britische Nordirland-Politik. Heute ist sie gegen die Chinesen in Tibet und die Russen in Tschetschenien. Zuletzt sah man sie als Unicef-Botschafterin im Einsatz.
In Liebesdingen erlebte Redgrave an Silvester 2006 ein Happy-End. Sie heiratete Franco Nero, den Vater ihres Sohnes – nach einer über 30-jährigen Trennungsphase –, „weil wir irgendwie das Gefühl hatten, das feiern zu wollen“, sagte sie in einem Interview.