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SCHWEINFURT: Verliebt in eine Hexe: Wenn die Ehefrau zaubern kann

SCHWEINFURT

Verliebt in eine Hexe: Wenn die Ehefrau zaubern kann

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    Dysfunktionale Musterfamilie: Dass die Frau (Elisabeth Montgomery als Samantha) hexen kann und der Mann (Dick Sargent als Darrin) nicht, ist ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung der Dinge. Zumindest in den 1960er-Jahren.
    Dysfunktionale Musterfamilie: Dass die Frau (Elisabeth Montgomery als Samantha) hexen kann und der Mann (Dick Sargent als Darrin) nicht, ist ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung der Dinge. Zumindest in den 1960er-Jahren. Foto: Foto: Imago

    Noch so ein Fernsehdenkmal: „Verliebt in eine Hexe“ oder „Bewitched“, wie das Original heißt. Verhext. Jeder über 40 hat schon mal eine oder mehrere Folgen in der soundsovielten Wiederholung gesehen, jeder hat zumindest ein diffuses Bild von der Serie, die in den USA erstmals von 1964 bis 1972 lief und im Jahr 2005 als Spielfilm mit Nicole Kidman eine sehr, sehr erfolglose Wiederaufnahme fand. Die Serie des Senders ABC jedenfalls war erfolgreich genug, um NBC im Jahr 1965 zu bewegen, „Bezaubernde Jeannie“ als Konkurrenzveranstaltung ins Rennen zu schicken.

    Das Prinzip von „Bewitched“ ist schnell erzählt: ein Ehepaar, die Frau kann hexen, der Mann nicht. Was zu etlichen Verwicklungen führt. Aber warum eigentlich? Ist doch klasse, wenn einer hexen kann. Man zaubert sich die Dinge zurecht, wie man sie braucht, und wenn man dabei niemandem schadet, sollte das doch okay sein. Ist es aber nicht. Zumindest nicht für Darrin Stephens, einen Werbefachmann in New York. Dem eröffnet seine frisch Angetraute, Samantha, in der Hochzeitsnacht, dass sie eine Hexe ist. Darrin glaubt ihr erst nicht, und als sie es ihm mit ein paar harmlosen Hexereien bewiesen hat, braucht er erst mal einen Drink.

    In dieser Zeit ist der richtige Drink zur richtigen Zeit (also eigentlich immer) das Allheilmittel schlechthin. Die übelsten Ehekrisen sind im Nu entschärft, wenn die Frau dem Mann nur rechtzeitig einen Drink in die Hand drückt. Kaum zu glauben, was da permanent gesoffen wird, das gilt für „Bewitched“ ebenso wie für „Columbo“ und schließlich auch für „Mad Men“ (2007–2015), dessen Macher sich offenbar nicht nur bei den Trinkgewohnheiten ausgiebig von „Bewitched“ haben inspirieren lassen.

    „Mad Men“ spielt genau in der Zeit und genau an dem Ort von „Bewitched“, und es ist frappierend, wie sich nicht nur die Bilder gleichen – der Schnitt der Anzüge, die Kleider der Frauen, die Möbel, das gesamte Ambiente, vor allem aber die gesellschaftlichen Regeln. Das Mann bestimmt, die Frau gehorcht. Als Samantha ihr Geheimnis offenbart, weiß Darrin nichts Besseres, als ihr sogleich das Versprechen abzunehmen, niemals ihre Zauberkräfte einzusetzen. Nur so kann die natürlich Ordnung der Dinge wieder hergestellt werden. Während im Kino längst Persönlichkeiten wie Lauren Bacall, Katharine Hepburn oder Grace Kelly regieren, gehört das Fernsehen noch dem folgsamen Frauchen.

    Da braucht es noch nicht mal Zauberkräfte, dass ein Ehemann sich sehr schnell im Hintertreffen fühlt. So gesehen, ist die Ehe zwischen Samantha und Darrin Stephens hochgradig dysfunktional. Das wird sehr schön in einer Folge deutlich, in der Darrin partout keine neue Kampagne für einen besonders schwierigen Kunden einfallen will. Samantha sieht im Vorbeigehen die Entwürfe und schlägt, einfach so, einige Slogans vor. Darrin findet die Ideen großartig, für ihn ist aber klar, dass sie Samantha nur dank ihrer Gabe eingefallen sein können. Samantha ist sehr zu Recht sehr sauer, so sauer, dass ein Drink diesmal nicht reicht.

    Elisabeth Montgomery in der Rolle der Samantha ist so etwas wie das züchtige, intellektuelle Gegenstück zu Barbara Eden als Jeannie. Während die hyperaktive Jeannie vor allem ihren Spieltrieb auslebt, bemüht sich Samantha ernsthaft, die Normen der höchst durchschnittlichen Schlafstadtmittelschichtfamilie zu erfüllen.

    Was sie an dem Trottel von Darrin liebt, wird nie so richtig klar. In den ersten fünf Staffeln spielt ihn Dick York, der ein wenig an einen gerade so erwachsen gewordenen Alfred E. Neumann aus „Mad“ erinnert. Nach einem Unfall muss York aus der Serie aussteigen, ihm folgt Dick Sargent, der eine wesentlich glattere Version des Darrin spielt. Sargent ist eine jener Fernsehfiguren, die jeder schon irgendwo mal gesehen hat, tatsächlich hat er unter anderem in „Rauchende Colts“, „Drei Engel für Charlie“, „Columbo“, „Die Waltons“ und sogar bei „Bezaubernde Jeanne“ mitgespielt.

    Ihrer ewig lästernden Mutter Endora (Agnes Moorehead) gegenüber beschreibt Samantha ihren Mann so: „Er ist ein vollkommen normales menschliches Wesen.“ Endora, im Magazin „Harpies Bizarre“ blätternd, antwortet in affektierter Schockiertheit: „Das ist ja wohl das Schlimmste überhaupt, was man über eine Person sagen kann.“

    Das Leitmotiv von „Bewitched“ ist die Erkenntnis, dass immer die Frauen die Klügeren sind. So gesehen, ist die Serie durchaus feministisch. Wäre da nicht die Bereitschaft der Frauen, zum Schluss doch noch einzulenken, damit der Mann nur ja nicht sein Gesicht verliert. Aus heutiger Sicht kann das richtig empörend sein. Da ist zum Beispiel diese unselige Verflechtung von Arbeit und Privatleben. Darrins Chef Larry Tate (David White) ist ein distanzloser Stalker, der das Ehepaar bis in den Urlaub verfolgt, wenn Darrin mal wieder einen Kunden bei Laune halten soll.

    Das soll in einer Folge auch Samantha. Das fragliche Subjekt ist ein zudringliches Ekel, und Larry wie Darrin fänden überhaupt nichts dabei, wenn Samantha ihm ein wenig entgegenkäme. Doch die weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als den Kunden in einen Hund zu verwandeln, einen verdreckten Straßenköter, der dann auch noch das Pech hat, in einem Hundesalon so richtig durchgeschniegelt zu werden. Strafe muss sein.

    In jeder Folge aufs Neue porträtiert „Verliebt in eine Hexe“ eine Gesellschaft, die nicht viel mehr kennt als Anpassung, Erfolg und Konsum. Über die Jahre ändern sich zwar Kleider, Möbel und Frisuren, aber das Leitmotiv klingt fort. Immerhin: Der Ton wird leichter, und aus der beflissen anpassungswilligen Samantha wird eine echte Persönlichkeit.

    Seit 2008 gibt es alle acht Staffeln auf DVD – eine Möglichkeit also, den Wortwitz des Originals zu genießen, den diverse Synchronisationen für das deutsche Fernsehen der Serie so gut wie vollständig ausgetrieben haben. Aus heutiger Sicht ist „Bewitched“ aber – anders als die zeitlosen Spielfilm-Meisterwerke von Billy Wilder, Ernst Lubitsch, George Cukor oder Howard Hawks – vor allem ein historisches Dokument.

    Lesen Sie in der nächsten Folge: „Fargo“ oder Das Leben ist ein verschneiter Highway.

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