Sie ist Deutschlands populärste Literaturkritikerin: Mit ihrer ZDF-Büchersendung "Lesen!" erreicht Elke Heidenreich mehr Zuschauer als das berühmte "Literarische Quartett" zu seinen besten Zeiten. Die von Heidenreich empfohlenen Werke kommen regelmäßig in die Bestsellerlisten - in denen landet die 63-jährige Journalistin aus Köln mit ihren eigenen Büchern auch selbst immer wieder. Das Erste hat nun die Geschichte "Die schönsten Jahre" aus Heidenreichs Erzählungsband "Der Welt den Rücken" verfilmt. Das Mutter-Tochter-Drama (Mittwoch, 17. Mai, 2015 Uhr, ARD) erzählt die Geschichte der erfolgreichen Reporterin Nina (Ulrike Kriener) und ihrer resoluten 80-jährigen Mutter Eva (Doris Schade). Ein Gespräch mit Heidenreich über Kriegsmütter und Versöhnung und das Loslassen.
Frage: Wie fühlt man sich denn, wenn man eine eigene Geschichte zur Verfilmung in fremde Hände gibt?
Elke Heidenreich: Ich habe früher viel fürs Fernsehen geschrieben, Filme und Serien, jahrelang. Dann habe ich damit radikal aufgehört und angefangen, Geschichten zu schreiben. Von den ersten Erzählungen habe ich keine einzige zur Verfilmung freigegeben. Später war ich schon nicht mehr ganz so empfindlich, da konnte ich loslassen. Deshalb habe ich die Rechte an den Geschichten "Silberhochzeit" und "Die schönsten Jahre" verkauft.
Die Verfilmung von "Silberhochzeit" mit Iris Berben lief schon im Ersten.
Heidenreich: Sie hat aber mit meiner Geschichte nicht mehr viel zu tun. In dem Film ging es um Eifersucht, das ist bei mir aber kein Thema, bei mir ging es um das Verschwinden von Leidenschaft nach 25 Jahren Ehe. Darum habe ich mich mit dem Film nicht so identifiziert.
Der Film "Die schönsten Jahre" handelt von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, die sehr authentisch geschildert wird. Die Story dürfte vielen Töchtern aus dem Herzen sprechen. Hat sie einen autobiographischen Kern?
Heidenreich: Man kann über nichts schreiben, was man nicht selber gefühlt hat, auch wenn man nicht alles eins zu eins selber erlebt haben muss. Es ist insofern autobiographisch, als ich viele der Gefühle aus der Geschichte kenne und selber eine schwierige Beziehung zu meiner Mutter hatte. Meine Mutter war nie ganz einverstanden mit mir, die war immer so viel stärker als ich, du lieber Gott. Sie war immer verblüfft, dass ich nicht mehr aus mir mache. Außerdem ist die Geschichte vieler Freundinnen mit rein gewoben.
Warum haben viele Töchter ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter?
Heidenreich: Ich kann das nicht grundsätzlich beantworten. In dem Fall, den ich beschreibe, geht es um die Kriegsmütter mit ihren Töchtern. Wir waren ja alle ungewollte Kinder, wer wollte denn 1942/43 schwanger sein? Das waren Kinder, die auf Kriegsurlaub gezeugt wurden, und die wurden sehr lustlos durch die Wiederaufbaujahre gezerrt, da entstand ein besonders heikles Verhältnis - zumal ja auch die Ehen nicht mehr gut waren, wenn die Männer aus dem Krieg zurückkamen.
Zwischen Mutter und Tochter in "Die schönsten Jahre" gibt es am Ende einer gemeinsamen Reise eine späte Versöhnung. Wollen Sie Leserinnen respektive Zuschauerinnen damit aufbauen?
Heidenreich: Man darf beim Schreiben nie an die Leser denken. Ich habe einfach versucht, mich daran zu erinnern, wie das mit meiner Mutter war. Ich bin mit ihr einmal nach Mailand gefahren, und auf der Reise haben wir vieles geklärt und viel miteinander geredet. Wenn man unterwegs ist, weg aus den eigenen vier Wänden, entsteht eine andere Stimmung.
Sie moderieren seit drei Jahren im ZDF die erfolgreiche Büchersendung "Lesen!". Wenn Sie Ihre eigenen Bücher besprechen müssten, würden sie vor Ihren kritischen Augen bestehen?
Heidenreich: Eigentlich ja, meine Erzählungsbände waren ja auch lange in den Bestsellerlisten, das sind also anscheinend Geschichten, die Menschen gerne lesen. Aber ich würde natürlich trotzdem nie eines meiner Bücher in meiner Sendung vorstellen, auch nicht die von meinem Mann, Bernd Schroeder, dessen Bücher ich liebe. Aber das verbietet sich von selbst.
Sie bekommen ja enorm viel Zuschauerpost, in vielen Briefen schütten Ihnen die Leute ihr Herz aus. Stecken da eigentlich Anregungen für neue Geschichten drin?
Heidenreich: Vor allem bekomme ich unseligerweise sehr viele Manuskripte, das ist eine große Belästigung. Ich kann gar nicht oft genug betonen, dass ich nichts davon lese. Ich schicke alles sofort zurück und habe dafür sogar extra eine Sekretärin eingestellt. Die Leute müssen begreifen, dass ich kein Lektor und kein Verlag bin, ich lese keine persönlichen Seelenergüsse. Das würde mich vollkommen überfordern.