Ob die Sonne scheint oder Regen fällt: Wetter ist immer ein heißes Thema. Vor 60 Jahren, noch bevor das Fernsehen in Deutschland seinen Regelbetrieb aufnahm, flimmerte die erste Wetterkarte über den Bildschirm. Ein Meteorologe des Seewetteramts Hamburg malte am 29. November 1951 vor einer Kamera mit Kreide Hochdruck- und Tiefdruckgebiete auf eine Schiefertafel, fertig war die erste TV-Wetterprognose. Seitdem haben viele Meteorologen das Wetter vorhergesagt, seit 25 Jahren ist auch Gunther Tiersch dabei: Der 57-Jährige verrät den Zuschauern im Anschluss an die „heute“-Nachrichten im ZDF, ob es warm oder kalt wird. Der promovierte Meteorologe, der 1968 im zarten Alter von 14 Jahren bei den Olympischen Spielen in Mexiko als Steuermann des Deutschland-Achters Olympiasieger im Rudern wurde, ist seit 1998 auch Leiter der ZDF-Wetterredaktion in Mainz. Ein Gespräch über schönes Wetter und falsche Prognosen.
Frage: Seit 60 Jahren wird im Fernsehen das Wetter vorhergesagt. Wieso sind die Menschen so von Sonne und Wolken, Regen und Schnee fasziniert?
Gunther Tiersch: In erster Linie natürlich, weil jeder direkt davon betroffen ist, weil es in jedem Gefühle auslöst. Jeder freut sich doch, wenn die Sonne scheint, weil er dann raus kann. Übers Wetter kann man sich täglich freuen – oder eben aufregen.
Man hat den Eindruck, dass extreme Wetterlagen häufiger sind als früher.
Tiersch: Dieses Phänomen beobachten wir Meteorologen auch. Seit es wärmer geworden ist, und ich will da mal die vergangenen 20 Jahre als Zeitraum nehmen, sind die Wetterextreme stärker geworden. Das heißt, wir haben einen wesentlich häufigeren Wechsel von warm zu kalt, aber auch die Gewittertätigkeit hat sich verstärkt, mit der Tendenz zu mehr Niederschlag und Hagel – da gab es in den letzten Jahren ja im Sommer immer wieder Rekordwerte.
Eine Folge des Klimawandels?
Tiersch: Ja, das muss man wohl so deuten, weil wir natürlich wissen, dass eine wärmere Atmosphäre mehr Energie hat und es deshalb zum Beispiel mehr Unwetter gibt. Die Meteorologen und Klimatologen sind sich weitgehend darin einig, dass der zum großen Teil vom Menschen verursachte Klimawandel da ist.
Es passiert nicht selten, dass Sie und Kollegen völlig falsch liegen.
Tiersch: Eine falsche Vorhersage kann schon passieren, natürlich treffen nicht alle Prognosen ins Schwarze. Aber von zehn Vorhersagen stimmen unseren Erfahrungen zufolge immerhin neun. Die als falsch empfundenen Vorhersagen rühren manchmal auch daher, dass wir den Leuten nicht optimal vermitteln konnten, was wir wissen. Sie sind also in der Regel eher ein Problem der Kommunikation als ein Problem falscher Werte.
Werden Sie nach einer falschen Prognose auf der Straße angesprochen?
Tiersch: Klar, das kommt schon vor. dass mich Leute beim Bäcker ansprechen und sagen: „Na, das habt ihr aber nicht richtig vorhergesagt.“
Früher war der Wetterbericht eine bierernste Angelegenheit, heutzutage wird er flapsiger präsentiert.
Tiersch: Es geht heutzutage gar nicht mehr anders, und ich finde auch, ein gewisser Humor steht dem Wetterbericht ganz gut an. Abgesehen von Unwetterkatastrophen ist das Wetter immer auch etwas, über das man sich mit Freude unterhält, und deshalb müssen wir das auch ein bisschen unterhaltsam präsentieren. Es darf nur nicht auf Kosten des Informationsgehalts gehen.
Sie sind, verglichen mit einigen Kollegen, ein eher nüchterner Wetterfrosch.
Tiersch: Das empfinde ich aber anders. Ich versuche, meine Begeisterung über das Wetter dem Zuschauer nahe zu bringen. Wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe im Wetterbericht, dann kann ich auch unterhaltsamer sein, und das ist auch mein Ziel. Es muss aber kein Bauerntheater sein, ich will authentisch bleiben.
Also keine Show a la Kachelmann?
Tiersch: Er hat in den neunziger Jahren eine gewisse Bewegung reingebracht, gar keine Frage, aber eine Weiterentwicklung war dann nicht da. Ich bin sicher auch etwas mutiger geworden und habe mir damals schon die Frage gestellt, wie ich ein bisschen lockerer werden kann bei der Vorhersage des Wetters. Ich sehe aber heute im deutschen Fernsehen niemanden, der aus der Reihe tanzt und von der recht seriösen Informationsvermittlung wesentlich abweicht.
Und welches Wetter gefällt Ihnen am besten?
Tiersch: Beruflich immer das Wetter, wo etwas passiert: Gewitterfronten, starker Schneefall, solche Sachen. Privat habe ich es, so wie die meisten Menschen auch, am liebsten mild und sonnig.