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WÜRZBURG: Warum Mozart kein Wunderkind war - oder doch

WÜRZBURG

Warum Mozart kein Wunderkind war - oder doch

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    Eine Doppelbegabung: Professor Michael Sendtner ist studierter Musiker und Konzert-Gitarrist und Leiter des Instituts für Klinische Neurobiologie an der Uniklinik Würzburg.
    Eine Doppelbegabung: Professor Michael Sendtner ist studierter Musiker und Konzert-Gitarrist und Leiter des Instituts für Klinische Neurobiologie an der Uniklinik Würzburg. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Wer die beiden Stichworte „Mozart Wunderkind“ googelt, bekommt in 0,39 Sekunden 194 000 Ergebnisse. Mit drei Jahren besser Klavier gespielt als andere in ihrem ganzen Leben, mit fünf Jahren das erste Menuett komponiert, mit sechs auf Tournee, mit 13 erste Aufträge von Fürstenhöfen und Opernhäusern. Klar, Wolfgang Amadeus Mozart – ein echtes Wunderkind, Inbegriff des Genies. Und war er sich darüber nicht selbst bewusst?

    „Ein Mensch von mittelmäßigem Talent“, schreibt der Komponist aus Paris im September 1778 an den Vater, „bleibt immer mittelmäßig, er mag reisen oder nicht, aber ein Mensch von superieurem Talent (welches ich mir selbst, ohne gottlos zu sein, nicht absprechen kann) wird schlecht, wenn er immer in dem nämlichen Ort bleibt.“

    Superieures Talent also, überragende Gabe – doch was ist dran, am Wunderkind-Mythos. Beim Mozartfest, das in den vergangenen Woche die (musikalische) Reife hinterfragte, diskutierte Intendantin Evelyn Meinung das nun mit dem Würzburger Neurobiologen Professor Michael Sendtner. Nicht nur, weil der Mediziner Nervenzellen des Gehirns erforscht, sondern auch, weil er selbst Profimusiker an der Bayerischen Staatsoper war und Musik studiert hat mit Konzertdiplom für klassische Gitarre und Laute.

    Das Gehirn und seine Plastizität

    Was ist Hochbegabung und Talent, was Übung und schierer Fleiß? 1400 bis 1600 Gramm schwer ist unser Gehirn, sagt Sendtner, und in der Entwicklung des Organs würden weit mehr Nervenzellen angelegt, als später genutzt, gebraucht würden. „Ein unglaublicher Überschuss und nicht sehr effektiv, so was macht die Natur normalerweise nicht.“ Dafür zeichne eine „unglaublich hohe Plastizität“ das Gehirn aus, sagt der Neurobiologe – mit einer versteckten Ermunterung auch im Alter noch ein Instrument zu lernen: „Diese Plastizität bleibt das ganze Leben lang erhalten.“

    Reife, das sei zunächst einmal „technische Perfektion, das Handwerkszeug dafür zu haben, ein Stück so zu interpretieren, wie man es sich vorstellt.“ Dass Mozart mit einem IQ von 150 bis 165 (Durchschnittswert: 100) hochintelligent war – „da gibt es keine Frage!“, sagt der Mediziner und Gitarrist. Den Begriff der Hochbegabten müsse man indes abgrenzen von den „Hochleistern“: „Ein Hochbegabter will alles selber machen und schreibt sich seinen eigenen Fingersatz. Ein Hochleister hört ganz genau zu.“

    Wunderkinder von heute sind nicht die Wunderkinder von früher

    Unsere Bilder von „Wunderkindern“ hätten mit den Vorstellungen von Mozarts Zeitgenossen und dem „göttlichen Genie“ der Romantik wenig gemein, sagt der Neurowissenschaftler und weist auf die psychologische Forschung der jüngeren Zeit. Und was man heute wisse: „Genetik spielt eine ganz geringe Rolle. Das Entscheidende ist das Umfeld!“

    Nach den neuesten Untersuchungen nimmt die Neurowissenschaft an, dass unsere kognitiven und motorischen Fertigkeiten höchstens zur Hälfte genetisch vorgegeben sind – also das Talent. Die anderen 50 und mehr Prozent werden durch Umwelteinflüsse, Erziehung, Training bestimmt. Es gebe so viel in Mozarts Biografie, „wo er ganz normal erscheint, wie alle anderen in seiner Altersgruppe auch“. Wäre da nicht dieses herausragende Talent in der Musik und Mozarts Gabe und Kreativität, so unfassbar viel Musik in so kurzer Zeit zu schreiben (23 000 Notenseiten in der kurzen Lebenszeit von 36 Jahren) Seiten und über die Hörgewohnheiten der Zeit hinaus Neues zu schaffen.

    Fähigkeit, Wille, soziales Umfeld

    „Von superieurem Talent“ also – und dann erwähnt der 58-jährige Wissenschaftler noch, dass „Energie und Wille sehr gut zu sein, von hochbegabten Kindern immer selbst ausgehe. Und dass es sogenannte Wunderkinder schaffen, ein Stück Kindheit, Kindlichkeit ins Erwachsenenalter mitzunehmen und zu bewahren. So wie Mozart.

    Was beim Zuhörer nach dem Gespräch zwischen Intendantin und Neurobiologe also im Gehirn haften bleibt: Die außerordentliche Leistung der Spitzenmusiker beim Mozartfest ist Fähigkeit mal Wollen mal Möglichkeit.

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