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Was die Würzburger Kirchenmäuse erzählen

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Was die Würzburger Kirchenmäuse erzählen

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    Gestatten, Dominik: Die Maus, die im Dom lebt, erzählt die Geschichten von den vielen anderen Würzburger Kirchenmäusen.
    Gestatten, Dominik: Die Maus, die im Dom lebt, erzählt die Geschichten von den vielen anderen Würzburger Kirchenmäusen. Foto: Zeichnung: Simone Mainka

    Der Würzburger Nachtwächter ist längst nicht mehr wegzudenken aus dem abendlichen Stadtbild. Nicht nur mit Menschen, ob Touristen oder Einheimische, die seinen Erzählungen lauschen, bekommt er es auf seinen Touren zu tun – im Lauf der Jahre hat er auch viele Mäuse kennengelernt, die alle eines gemeinsam haben: Se leben in einer der Würzburger Kirchen. Über die berichtet der Nachtwächter in den nächsten Monaten regelmäßig auf dieser Seite. Erzählt hat ihm die Geschichten Dominik, die Dom-Maus. Heute geht's los: Ich heiße Dominik. Ich bin eine Kirchenmaus. Ja, eine Kirchenmaus, eine ganz besondere sogar. Ich lebe im Würzburger Kiliansdom. Genauer gesagt in der Sakristei. Dort habe ich, gleich hinterm Sakristeischrank versteckt, meine gemütliche Mäuselounge. In dem kleinen Apartment lässt es sich feudal leben. Mir fehlt's an nichts: ein weiches Sofa mit Kuschelkissen, eine kleine Einbauküche, und mein Bad – nun ja, ein großes Wort – ist ein Fingerhut als Waschschüssel auf einem Kerzenstummel. Aber ich lebe nicht allein im Dom. Wir sind ganz schön viele. Was die Würzburger nicht wissen und schon gar nicht die Pfarrer, Nonnen und Mönche: Wir sind eine große Gemeinde von Kirchenmäusen. Was ich jetzt erzähle, muss unter uns bleiben. Versprochen?

    In jeder Kirche in Würzburg, in jeder Kapelle gibt es uns Kirchenmäuse. Und das nicht erst seit gestern. Wir sind praktisch mit Fertigstellung einer Kirche eingezogen und leben darin seit vielen Generationen. Mein Gott, wenn ich nur an all meine Freunde denke: die blinde Berta in der Kiliansgruft, gleich bei mir nebenan in der Neumünsterkirche. Ihre Familie lebt schon dort, seit man die drei Frankenapostel in der Gruft begraben hat. Dort drunten, ohne Licht, blind. Eine Familienkrankheit. Oder das Josele in der Marienkapelle. Ein lustiger Kerl.

    Eine jüdische Kirchenmaus

    Er ist Bademeister und – ich muss schon lachen wenn ich nur daran denke –, er ist beschnitten! Ja, er ist eben eine jüdische Kirchenmaus. Im Keller der Marienkapelle gibt's noch die ehemalige Mikwe, das Ritualbad der alten jüdischen Synagoge. Die wurde vor vielen Jahrhunderten zerstört, an ihrer Stelle entstand dann die Marienkapelle. Doch davon später. Oder der schrullige Burkard in der Burkarder Kirche. Sein Urahn zog dort ein, als Bischof Burkard die Kirche weihte. Ihre Wohnung haben sich die Burkardus-Mäuse hinterm Altar eingerichtet.

    Ich weiß die Geschichte und Geschichten von allen Kirchenmäusen und habe mir gedacht, dass es an der Zeit ist, eine Chronik oder ein Lexikon über uns Kirchenmäuse zu schreiben. So eine Art Mäusepedia. Ich kenne sie nämlich alle, die katholischen wie die protestantischen. Die allerdings sind anders als wir. Wie soll ich es sagen? Ja, sie leben einfacher, schlichter, geben auch weniger fürs Essen aus. Wenn der Satz „arm wie eine Kirchenmaus“ auf jemanden zutrifft, dann auf die Protestanten. Sie behaupten, wir katholischen Mäuse seien der Völlerei erlegen. So ein Unsinn! Gut, wir leben nicht schlecht von dem, was unsere Pfarrer uns übrig lassen. Aber deswegen muss man sich doch nicht gleich als was Besseres fühlen. Als Dom-Maus habe ich natürlich einen besonderen Status unter den Kirchenmäusen. Ich ministriere zum Beispiel jeden Sonntag mit dem Bischof bei der Sonntagsmesse. Da drüben hängt mein Ministrantengewand! Ich bin dann hinterm Altar, der Bischof davor, anders wäre es ja auch seltsam. Die Mäuse meiner Familie haben nun mal dieses Privileg. Cool, was?

    Zuerst besuche ich den Berthold und schreibe seine Geschichte auf. Der Berthold lebt gleich neben meinem Loch im Sakristeischrank. In der untersten Etage, wo der Dompfarrer den Messwein hat. Er ist zwar versoffen aber, ganz ehrlich gesagt, kein übler Kerl. Nächsten Samstag erzähle ich Ihnen von ihm.

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