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Was Tom Buhrow an USA toll findet

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Was Tom Buhrow an USA toll findet

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    Tom Buhrow, Sabine Stamer: viele einzelne Fragen, immer eine gemeinsame Antwort.
    Tom Buhrow, Sabine Stamer: viele einzelne Fragen, immer eine gemeinsame Antwort. Foto: FOTO CINETEXT

    Tom Buhrow, der neue "Mr. Tagesthemen", und seine Ehefrau Sabine Stamer haben über zehn Jahre in den USA gelebt und gemeinsam das Buch "Mein Amerika - Dein Amerika" geschrieben. Gemeinsam standen sie auch Rede und Antwort - und legten Wert darauf, dass ihre Antworten als gemeinsame Antworten wiedergegeben werden. Am 7. Dezember kommt das Paar zu einer - bereits ausverkauften - Lesung in die Würzburger Stadtbücherei.

    Frage: Aus welcher Motivation heraus haben Sie ihr Buch geschrieben?

    Tom Buhrow/Sabine Stamer: Wir wollten unsere Erlebnisse und Erfahrungen teilen. Das eine, wahre Amerika gibt es nicht. Das Land erstaunt gerade durch seine Widersprüche und Kontraste. Auf der einen Seite die große Freiheitsliebe und freiheitliche Tradition, auf der anderen eingehende soziale Kontrolle bis hin zur Länge des Rasens im Vorgarten. Oder: Während Aufmerksamkeit für Gesundheitsthemen und Vorliebe für fettfreies Essen sehr verbreitet sind, erfreuen sich gleichzeitig die Fast-Food-Ketten großer Beliebtheit und Fettleibigkeit wird zur Volkskrankheit. Amerikaner leben mit diesen Gegensätzen, ohne den Drang zu verspüren, sie aufzulösen. Das ist das Faszinierende.

    Die Waffenkontrollgesetze sind in den USA umstritten. Für die einen sind sie Ursache der vielen Morde - für die anderen eine Frage des Überlebens. Gewöhnt man sich als Nicht-Amerikaner daran, dass Waffen zum Alltag gehören?

    Die Gesetze bieten sehr viele Schlupflöcher. Obendrein werden sie häufig nicht konsequent durchgesetzt. Freier Umgang mit Waffen bedeutet auf dem Land etwas anderes als in pulsierenden Großstädten. In den Metropolen ist der leichte Zugang zu Schusswaffen ohne Zweifel mit verantwortlich für hohe Mordraten. Nun blickt man als Normalbürger nicht ständig in die Mündung einer Pistole, man muss allerdings damit rechnen, dass geringfügigere Straftaten wie ein Handtaschendiebstahl mit Schießeisen durchgeführt werden. Viele Kleinkriminelle zögern keine Sekunde abzudrücken, und sei es auch nur für ein Portemonnaie mit Wechselgeld.

    Wie beeinflusst die Terror-Gefahr das alltägliche Leben in den USA?

    Am 11. September 2001 lebten wir nicht in den USA, sondern in Paris. Als wir wieder nach Washington zurück zogen, rüstete sich Präsident Bush für seinen Feldzug gegen Saddam Hussein und rechnete mit größeren Terrorattacken. Behörden, Firmen und Schulen bereiteten sich auf den Fall X vor. Ein "Familien-Bereitschaftsleitfaden" des Bürgermeisters flatterte in unseren Briefkasten und klärte uns auf über Fluchtrouten aus der Stadt und das Packen von Überlebenspaketen. Empfohlen wurde - für den Fall eines Giftgasangriffs -, mindestens in einem Raum Ritzen an Fenstern und Türen mit extrabreitem Lassoband dicht zu machen. In der Schule hatten alle Kinder Notköfferchen deponiert, für den Fall, dass es sicherer wäre, dort zu übernachten. Das schaffte für alle ein Gefühl der unmittelbaren täglichen Bedrohung. Bis heute gibt es keine komplette Entwarnung. Das Land befindet sich permanent im Code Yellow, in der mittleren Gefahrenstufe, die erhöhtes, aber eben nicht mehr hohes Risiko bedeutet. Das ist zum Normalzustand geworden.

    Wird sich Amerika jemals vom Schock des 11. September erholen?

    Dieser Anschlag hat die USA auf Dauer verändert. Aber Amerikaner haben grundsätzlich eine positive, nach vorne gerichtete Lebenseinstellung. Sie treffen Vorkehrungen - das Lassoband war innerhalb weniger Tage ausverkauft -, aber lassen sich von Ängsten nicht lähmen. Für die politische Führung wird der Hinweis auf den 11. September noch lange ein wohlfeiles Argument bleiben.

    Haben Afroamerikaner heute die gleichen Chancen wie weiße Amerikaner?

    Ja und nein. Es gibt keine institutionalisierte Benachteiligung mehr. Trotzdem: Die Gesellschaft ist nicht frei von Vorurteilen. So müssen zum Beispiel gemischte Paare immer noch dumme Bemerkungen ertragen. Es gibt immer noch eine Kluft. Die schwarzen und die weißen Bereiche der amerikanischen Gesellschaft haben zwar Berührungspunkte, aber im Grunde existieren sie nebeneinander. Schwarze wissen alles über die weiße Welt, erklärte uns eine Afroamerikanerin, aber Weiße wissen viel zu wenig über den schwarzen Alltag. Ihre Schwiegermutter zum Beispiel wunderte sich immer, warum sie als Afroamerikanerin eine Dauerwelle bräuchte.

    Was können wir Deutschen von den Amerikanern lernen?

    Vor allem den freundlichen, positiven Umgang im Alltag, der hier so häufig als oberflächlich abgewertet wird. Die Unkompliziertheit macht das Leben viel entspannter. Stellen Sie sich vor: Während Sie in einer Warteschlage stehen, macht jemand hinter Ihnen Komplimente über Ihren neuen Pullover. Das Stimmungsbarometer steigt sofort. Und obendrein passiert Ihnen so etwas noch mehrmals am Tag. Aber in Deutschland hat sich da viel gebessert.

    Ist Amerika noch immer das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten"?

    Ja, das ist das Tolle. Mal angenommen, jemand möchte seinen Beruf wechseln. Dann setzt der morgen eine Anzeige in die Zeitung und legt los. Es gibt keine bürokratischen Vorschriften, die ihn daran hindern, und keine miesepetrigen Freunde, die ihn davon abhalten. Im Gegenteil: Wer von seinen Plänen und seinem Können überzeugt ist, wird immer Zuspruch aus seiner Umgebung erfahren: Leg los, du schaffst das schon, heißt die Parole.

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