Achtung, lassen Sie sich nicht vom Titel der neuesten Inszenierung am Großen Haus in die Irre führen. Man könnte unter „Heiße Zeiten – Die Wechseljahre-Revue“ durchaus freche Moritaten zu den Wendejahren 1989/90 erwarten. Nirgendwo auf der Bühne im Theater Meiningen finden sich jedoch Hinweise auf die heißen Zeiten der friedlichen Revolution. Vor einem liegt der Wartebereich am Flugsteig B 73, Frankfurt Airport, Flug nach New York.
Unversehens sieht sich der Irritierte, der Politisches erwartete, mit Wendejahren konfrontiert, die er so auf der Bühne nicht vermutet hätte. An der Anzeigetafel über dem Wartesaal (Bühnenbild: Christian Rinke, Kostüme: Maira Bieler) steht es, weiß auf schwarz: „Klimakterium, das (altgriechisch). 'Leitersprosse', auch 'Lebensstufe'.“ Also: Es geht um die Wechseljahre der Frau.
Das Stück über die Jahren des hormonellen Wandels stammen aus der Feder eines Mannes, Tilmann von Blomberg, das Arrangement ist von Carsten Gerlitz, Regie führt Thomas Helmut Heep. Nur die neuen Wechseljahr-Texte zu den Popklassikern sind von einer Frau, von Bärbel Arenz.
Vier Energiebündel auf der Bühne - und dazu eine Band
Welche der seichten Klischees, selbstironischen Erkenntnisse, bitterbösen Kommentare, tiefsinnigen Geistesblitze und Jetzt-erst-recht-Proklamationen nun wem zuzuschreiben sind, spielt keine Rolle. Getragen wird die Handlung von wahrhaftigen Energiebündeln auf der Bühne, von Christine Zart als Hausfrau, von Anja Lenßen als Karrierefrau, Ulrike Walther als vornehmer Dame und Evelyn Fuchs als „Junger“. Um sie kümmert sich gelegentlich Virginia Breitenstein als Bodenstewardess, wenn sie nicht am Keyboard sitzt und ihre drei Kollegen von der Band unterstützt (musikalische Leitung: Thomas Kässens).
Wer die Damen kennt, weiß, dass sie ihren Rollencharakteren mächtig Feuer unter den Hinter legen. Bald lassen sie einen glauben, dass auch die ausgeübte Schauspielkunst zur Bewältigung von Lebensstufen beiträgt. Vier Frauen fliegen also nach New York, aus völlig unterschiedlichen Motiven. Der Abflug verzögert sich und sie müssen sich irgendwie miteinander arrangieren. Was sie eint: Sie befinden sich alle auf ihre Weise in Wechseljahren, nutzen aber höchst unterschiedliche Strategien, um den Tatsachen ins Auge zu blicken: Verdrängung. Stilles Leid. Illusion. Selbstvorwurf. Projektion. Oder Sex.
Flott arrangiert, frech interpretiert - und begeisternd präsentiert
Wie bei vielen erfolgreichen Meininger Musikrevuen lebt auch diese von flotten Arrangements und Choreografien und von frechen Interpretationen. Die Pop-Melodien transportieren neue Texte zur jeweiligen Befindlichkeit der Frauen. Die Worte kommen zwar, trotz Mikroports, akustisch selten gut rüber, aber ihre Präsentation animiert das nach langer Abstinenz schier ausgehungert wirkende Publikum zu spontanen Beifallsstürmen und am Ende zu Standing Ovations. Es wird einem etwas bange beim Tanz der Aerosole im Saal - vor den Nasen der da größtenteils maskenlosen Menschen.
Lässt man der eigenen Begeisterung freien Lauf, weil es der Nachbar ja auch tut? So bleibt ein leicht mulmiges Gefühl am Ende dieses Premierenabends, an dem vier Frauen dem Unvermeidlichen die Stirn bieten.
Vorstellungen erst wieder in der neuen Spielzeit. Infotelefon: 03693-451 222. www.staatstheater-meiningen.de