Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG/ROTHENBURG: Wer dem Moses Hörner aufsetzte

WÜRZBURG/ROTHENBURG

Wer dem Moses Hörner aufsetzte

    • |
    • |

    Wer die Kirche San Pietro in Vincoli zu Rom besucht, findet dort neben Ketten, die einst angeblich den heiligen Petrus fesselten, auch die Statue eines bärtigen Mannes mit Hörnern. Der Teufel? Von wegen: Es ist Moses. Kein Geringerer als der große Michelangelo hat den Mann, der die Israeliten aus Ägypten führte, gehörnt in Marmor gehauen. Und der berühmte toskanische Maler und Bildhauer (1475 bis 1564) war nicht der Einzige, der Moses Hörner aufsetzte.

    Dementsprechend muss nicht bis Rom fahren, wer einen gehörnten Moses sehen will. Ein Trip nach Rothenburg ob der Tauber genügt. Auch im Kreuzgang des ehemaligen Dominikanerinnen-Klosters – heute Reichsstadtmuseum – steht der Gehörnte. Die lebensgroße Moses-Figur entstand um 1380, also lange vor Michelangelos Skulptur. Ursprünglich war der Sandstein-Moses, der eine Gesetzestafel trägt, außen am Langhaus der Rothenburger Jakobskirche angebracht. Um das Original vor der Witterung zu schützen, befindet sich dort heute eine Kopie.

    Die lateinische Bibel

    Der Moses-Typ war in der frühchristlichen Kunst noch nicht festgelegt. Er wurde unter anderem als bartloser Mann mit einem Zauberstab dargestellt. Der Typus „strenger bärtiger Gesetzgeber“ begann sich erst nach der Karolingerzeit, also zu Beginn des 11. Jahrhunderts, durchzusetzen. Ab dem 12. Jahrhundert sind gehörnte Moses-Darstellungen bekannt. Dabei ging es weniger darum, dass Bildhauer und Maler den charismatischen Führer der Israeliten mit Hörnern als Symbole von Kraft und Macht ausstatteten. Sie hielten sich nur an den Text des Alten Testaments. Dort, im Buch Exodus (Kapitel 34, Vers 29), hieß es, dass Moses Hörner trug, als er vom Berg Sinai herabstieg – jedenfalls in der lateinischen Übersetzung, der sogenannten Vulgata. Die war seit dem 8. Jahrhundert in der westlichen Christenheit gebräuchlich.

    Doch die Vulgata lag mit ihrer Übersetzung so falsch wie der Schüler, der Vergils „Arma virumque cano“ mit „Liebe, Wein und Hund“ übersetzt. Das Wort „Keren“ (Strahl) des hebräischen Originaltextes wurde in der Vulgata fälschlicherweise mit „Cornu“ (Horn) übersetzt. Kleine Ursache – große Wirkung. Eigentlich müsste Moses' Haupt also nicht von Hörnern, sondern von Strahlen umgeben dargestellt werden.

    Doch trotz diverser Richtigstellungen, unter anderem durch Thomas von Aquin Mitte des 13. Jahrhunderts, hielt sich der gehörnte Moses in der Bildenden Kunst bis ins 16. Jahrhundert hinein. Dann wurden derartige Darstellungen offiziell durch die Kirche verboten. Was dem Ganzen nicht wirklich ein Ende setzte, auch weil Künstler späterer Jahrhunderte sich nicht durch kirchliche Gebote einengen ließen. Der Romantiker Julius Schnorr von Carolsfeld verpasste auf seinem Bild „Moses und Aaron vollführen das Schlangenwunder vor dem Pharao“ dem Israeliten-Führer zwei Strahlen, die wie Hörner wirken. Ein geschickter Kompromiss . . .

    Ein Übersetzungsfehler aus dem Hebräischen könnte auch Maria zur Jungfrau gemacht haben. Die Septuaginta ist die über Jahrhunderte – meist vor Christi Geburt – gewachsene griechische Übersetzung des hebräischen Alten Testaments. Sie übertrug Jesaja 7,14 so, dass der Vers auf Deutsch heißt: „Siehe die Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären.“ Was nicht korrekt ist, weil die Septuaginta das hebräische „alma“ mit „parthénos“ übersetzte. Das griechische Wort bedeutet Jungfrau – das ursprüngliche, hebräische aber lediglich „junge Frau“. Weil sich die Denker des frühen Christentums (und die griechisch schreibenden Evangelisten) eher auf die Septuaginta stützten als auf den hebräischen Urtext und den Jesaja-Vers als Vorhersage der Geburt Jesu interpretierten, könnte die „Jungfrau“ Maria durch einen Übersetzungsfehler in den christlichen Glauben gerutscht sein. Dabei war sie vielleicht bloß eine „junge Frau“. Doch die Gelehrten streiten. Auch jüdische Bibel-Ausleger weisen darauf hin, dass „alma“ in anderen Zusammenhängen im Alten Testament auch Jungfrau bedeuten kann, meldet das jüdische Online-Magazin hagalil.com.

    Das Kamel und das Nadelöhr

    Beruht der weit verbreitete Spruch „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt “ womöglich auf einem Missverständnis? Als Ausspruch Jesu findet er sich im Evangelium nach Markus Kapitel 10, Vers 25. In einigen Handschriften – Originale der Evangelien sind uns nicht überliefert – steht statt des griechischen „Kamälon“ das Wort „Kamilon“. Im Deutschen bedeutet das „Seil“ oder „Schiffstau“ und klingt als Bild wahrscheinlicher. Eine Mehrheit kritischer Textforscher tendiert allerdings zum bekannten Kamel.

    Über falsche Übersetzungen stolpern auch die größten Geister. Der Titel von Richard Wagners Oper „Parsifal“ ist schlichtweg falsch. Der Texter und Komponist nahm als Vorlage das berühmte Versepos Wolframs von Eschenbach. Da heißt der Held „Parzivâl“. Wagner änderte die überlieferte Schreibweise, weil er gelesen hatte, „Parsifal“ sei aus dem Arabischen abgeleitet und bedeute „reiner Tor“. Das kam seiner Sicht der Figur entgegen, ist aber eine Fehlübersetzung. „Parsifal“ bleibt trotzdem eine der berühmtesten Opern der Musikgeschichte.

    Daten & Fakten

    Reichsstadtmuseum Rothenburg Das Museum im ehemaligen Kloster der Dominikanerinnen zeigt neben historischen Räumen religiöse und Volkskunst, mittelalterliche Waffen, Judaika und Gemälde. Öffnungszeiten: November bis März 13–16 Uhr, April bis Oktober 10–17 Uhr. Internet: www.reichsstadtmuseum- rothenburg.de

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden