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SOMMERHAUSEN: Wer ist jetzt der bessere Hitler?

SOMMERHAUSEN

Wer ist jetzt der bessere Hitler?

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    Darf ein Deutscher überhaupt einen Nazi spielen? Hans Hirschmüller, Christian Buse und Stefan Wilhelmi (von links) als wartende Schauspieler in Franziska Walsers Stück „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm”.
    Darf ein Deutscher überhaupt einen Nazi spielen? Hans Hirschmüller, Christian Buse und Stefan Wilhelmi (von links) als wartende Schauspieler in Franziska Walsers Stück „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm”. Foto: Foto: Dita Vollmond

    Die Menschen haben das Gehör für die Musik der Sprache verloren, poltert Franz Prächtel ungehalten und lautstark. Und zieht hemmungslos über Regisseure her, die ihre Bühnenarbeit mit Videos und anderen Hilfsmitteln aufpeppen und damit verhindern, dass der Zuschauer eigene Bilder im Kopf entwickeln kann. Einzig Werktreue wird dem Autor, seiner Sprache und dem Geschehen auf der Bühne gerecht.

    Den Kopf leicht vorgeschoben, die Mundwinkel nach unten, tigert Hans Hirschmüller als Prächtel über die schwarze Bühne des Torturmtheaters in Sommerhausen, wo die ironisch-intelligente Komödie „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ von Theresia Walser unter der Regie von Erna Karacayli eine gelungene und viel beklatschte Premiere feiert.

    Warten auf den Auftritt in der Podiumsdiskussion

    Hirschmüller ist einer von drei Schauspielern, die auf ihren Auftritt in einer Podiumsdiskussion warten. Die Wartezeit der drei wird zunächst mit Schweigen gefüllt. Schließlich sitzen sich hier Konkurrenten gegenüber, zwei von ihnen haben schon einmal Hitler gespielt, der dritte war in der Rolle von Goebbels zu sehen.

    Langsam kommt ein Gespräch in Gang, das sich zu einem Wort-Scharmützel entwickelt, in dem sich Eitelkeiten, Ehrgeiz, Ruhmsucht und damit alle menschlichen Schwächen der Drei gnadenlos, aber höchst amüsant aufblättern. Prächtel, der sich ein Hitlerbärtchen unter die Nase gemalt, in seiner langen Theaterlaufbahn auch den „Hämlet“ gespielt hat und die Rolle des Macbeth als Vogelschiss gegen die des Hitler sieht, deklamiert, zitiert, knurrt, schimpft und streitet, dass es eine wahre Pracht ist.

    Wer den Hitler spielt, bleibt davon nicht unberührt

    Mürrisch, herrschsüchtig, arrogant tritt er gegen den Schauspielerkollegen Peter Löst auf. Er, Prächtel, hat sich so sehr in die Rolle hineingelebt, dass er vor sich selbst Angst bekam. Löst hat dagegen Hitler nicht als Menschen gespielt. Also, fragt er provokativ, wer war der bessere Hitler? Im Traum allerdings verfolgt Löst immer wieder der Gedanke, seine Frau denke in intimen Momenten, Hitler liege auf ihr. Christian Buse, der als Löst zwischen souverän, ängstlich oder zynisch changiert, kann seine Eifersucht auf den großen Kollegen nicht verstecken, flüchtet sich in ironische Kritik an dessen Pathos und Überheblichkeit.

    Dazwischen sitzt Ulli Lerch, gespielt von Stefan Wilhelmi. „Wer will schon als erster Goebbels spielen, und das in so jungen Jahren“, verkündet er stolz und mischt sich immer wieder tapfer in kuriose Wortgefechte ein, etwa mit der Frage, ob man als Deutscher überhaupt einen Nazi spielen dürfe.

    Das Wesen des Regietheaters – sehr anschaulich auf den Punkt gebracht

    Ein Highlight ist seine bildhafte Darstellung von Mut und Notwendigkeit des Regietheaters: Auf den Knien liegend, zerreißt er mit den Zähnen den Koran. Eine Stunde hochkarätiger schauspielerischer Leistungen, voll mit Witz und lustvollem Geplänkel, in der die Welt des Theaters urkomisch persifliert wird.

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