Einmal im Jahr feiern die Tiere Karneval, an einem geheimen Ort, den die Menschen nicht kennen. „Der Karneval der Tiere“ zählt zu den berühmtesten Werken des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns. Er komponierte es im Januar 1886 in einem kleinen österreichischen Dorf, eigentlich, um sich damit über Kollegen lustig zu machen. Zum Beispiel tanzen die Schildkröten den berühmten „Cancan“ von Jacques Offenbach, nur sehr viel langsamer. Auch Rossini oder Berlioz bekamen ihr Fett weg. Saint-Saëns schrieb nur die Musik – weil die Stücke so lustig waren und dem Publikum gut gefielen, erfanden später verschiedene namhafte Größen Geschichten dazu. Mit Michael Bully Herbig nimmt sich nun eine Größe der Jetztzeit des Werkes an. Mit der Kammerphilharmonie St. Petersburg tourt er als Sprecher – die Texte schrieb er selbst – durch die Lande. Am 6. Februar 2016 treten er und das Orchester im Würzburger Congress Centrum auf.
Frage: Dass Sie mit einem Klassikprogramm auftreten, damit hätte wohl keiner gerechnet.
Michael „Bully“ Herbig: Per se hab' ich da auch nicht mit gerechnet. Ich muss gestehen, meine Liebe zur klassischen Musik erst relativ spät erkannt zu haben – über orchestrale Filmmusik, etwa von John Williams. Da hab' ich gemerkt, was diese Musik mit mir macht und wozu ein Orchester in der Lage ist. Vor zwei, drei Jahren kam dann erstmals die Anfrage von einem Konzertveranstalter, ob ich mir das mit dem „Karneval der Tiere“ vorstellen könnte. Natürlich kannte ich „Karneval der Tiere“ in den Versionen von Sir Peter Ustinov und Loriot. Aber eigentlich hat's mich ja nicht auf die Bühne getrieben . . .
Das ist also was Neues für Sie?
Herbig: Absolut. Ich stehe in der Regel nicht mit einem Programm auf der Bühne. Voriges Jahr hatte ich mich dann für ein paar Monate ausgeklinkt, weil die Jahre zuvor ja doch recht wild waren. Ich wollte noch die Zeit mit dem Junior genießen, bevor er in die Schule kommt, und war auch relativ lange in Amerika. Als dann die Anfrage für „Karneval der Tiere“ noch mal kam – der Konzertveranstalter hat nicht lockergelassen –, hab' ich mir das Thema genau angeguckt und überlegt, ob mir überhaupt was dazu einfällt.
Es hätte keinen Sinn gemacht, beispielsweise die Texte von Loriot nur vorzulesen. Letztlich habe ich versucht, mich von der Musik inspirieren zu lassen und meine Version des Textes zu Papier gebracht. Anfang des Jahres haben wir das Ganze dann in drei Vorstellungen ausprobiert. Die wurden immer größer, und am Ende waren wir im Gasteig in München, und es kam – das kann man bei aller Bescheidenheit sagen – sehr gut an. Daraufhin haben wir gesagt: „Machen wir halt eine große Tour.“
Welche Texte sind beim Musikhören rausgekommen – satirische?
Herbig: Ich denk' mal, dass die Leute von mir jetzt keine wirklich seriösen, ernsthaften, tiefsinnigen Texte erwarten. Die Musik ist ja eh schon parodistisch und macht allein schon durch die Titel der einzelnen Stücke Vorgaben, ob das nun die Schildkröten sind, der Löwe oder der Schwan. Bei mir hat der Löwe Schizophrenie. Er denkt, er sei kein König, sondern der Kaiser, und die Schildkröten sind bei mir von der Security. Ein paar possierliche Tierchen hab' ich auch dazuaddiert, etwa die Nacktschnecke oder die Spinne, die sehr häufig im Netz unterwegs ist. Natürlich brauchen diese Tierchen auch Stimmen.
Also hab' ich in meinem – ich nenn's mal: eigenen – Stimmfundus gekramt. Da ist's dann zum Beispiel passiert, dass das Totenkopfäffchen wie der Boanlkramer aus dem „Brandner Kaspar“ spricht. Es fiel mir dann doch relativ leicht, die Texte zu schreiben, weil die Musik unglaublich inspiriert.
Wie muss ich mir Ihre Liebe zur klassischen Musik konkret vorstellen – hören Sie im Auto Wagner?
Herbig: Ach, das kommt drauf an. Es kommt vor allem drauf an, an welchem Projekt ich gerade arbeite. Weil Sie gerade von Wagner sprechen: Ich bin überzeugt, wenn's den heute noch gäbe, würde er Filmmusik machen. Und natürlich hätte Wagner die Filmmusik zu „Der Herr der Ringe“ geschrieben, hundertpro! Wenn man sich den Score von „Herr der Ringe“ anhört, hört man ja raus, wovon er inspiriert ist. Insofern gab's bestimmt den einen oder andern Komponisten von damals, der an Filmmusik große Freude gehabt hätte – wenn's den Film schon gegeben hätte. Die Jungs haben ja damals nichts anderes gemacht mit ihren Opern. Das waren ja letztlich Bilder im Kopf, die da erzeugt wurden. Wagners „Ring des Nibelungen“ ist wohl das beste Beispiel dafür.
Beim „Karneval der Tiere“ treten Sie also mit komischen Texten auf. In einem Interview im „Zeit“-Magazin haben Sie aber doch gesagt, dass Sie eigentlich den Komiker ablegen möchten . . .
Herbig: Diese Mechanismen in den Medien sind so erstaunlich. Denn in dem „Zeit“-Interview geht's nur ums Inszenieren, ums Filmemachen, um die Arbeit als Regisseur also – und nicht darum, in einem Film zu spielen. Vielleicht hätte ich das noch deutlicher machen sollen. Aber für mich war klar, dass es ums Inszenieren geht. In diesem Interview habe ich gesagt, dass der „Bullyparade“-Film für mich als Filmemacher der letzte in diesem Stil sein wird. Sprich: Als Regisseur schließe ich damit das Kapitel „Parodien“ mal ab.
Und was dann?
Herbig: Danach werd' ich mal einen Thriller inszenieren, weil ich das Genre liebe und generell auf Unterhaltungskino stehe. Manche haben dann aus dem Interview herausgelesen (amüsiert): „Bully will kein Komiker mehr sein.
“ Dann schreibt natürlich einer vom anderen ab, und überall liest man dann „Bully will kein Komiker mehr sein“. Sagen wir mal so: Ich habe keine Ambitionen, ernsthafte Rollen zu spielen. Und natürlich werde ich als Schauspieler, wenn ich irgendwo angefragt werde, mir genau überlegen, ob es passt oder nicht. Und von der Tendenz her, das weiß ich auch, wird mein Gesicht mit Komödie assoziiert (lacht).
Sie haben aber doch schon ernste Rollen gespielt.
Herbig: Jaaa . . . die waren aber immer auf eine gewisse Art und Weise humoristisch angehaucht. Selbst in einer Tragikomödie wie „Hotel Lux“ spiele ich einen Komiker. Das ist streckenweise zwar auch tragisch, hat aber durchaus humoristische Züge. Meine Lieblingsrolle ist sowieso der Boanlkramer. Ich weiß, dass ich als Darsteller auf ein gewisses Genre begrenzt bin, weil die Leute das andere nicht akzeptieren. Das find' ich so weit nicht tragisch. Aber als Regisseur einen Thriller zu inszenieren, in dem ich nicht selber mitspiele, das ist das, was ich mir jetzt vornehme. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich kein Komiker mehr sein will.
Es ist ja nichts Schlimmes, ein Komiker zu sein.
Herbig: Nein!
Ich glaub', das wird in Deutschland auch ein bisschen unterschätzt. Da zählen tragische Rollen einfach mehr.
Herbig: Das stimmt. Meine Erfahrung in den letzten 20 Jahren war: Wenn ein Schauspieler aus dem ernsten Fach kommt und plötzlich in einer Komödie spielt, dann jubeln alle, wie toll der das macht, nach dem Motto: „Der kann ja sogar lustig sein.“ Wenn ein Komiker eine dramatische Rolle spielt – nehmen wir mal den Boanlkramer –, dann halten die Leute das für selbstverständlich. Oder es heißt „jetzt schneidet er halt als Boanlkramer die Grimassen“ oder „ja,ja, das macht er ganz nett“. Aber umgekehrt ist es offensichtlich für die Leute eine größere Sensation, wenn jemand, der seriös gespielt hat, plötzlich auch lustig sein kann. Daraus kann man folgern, dass es offensichtlich schwerer ist, 'ne Komödie zu spielen als umgekehrt.
Sie drehen demnächst „Vier gegen die Bank“, mit Jan Josef Liefers, Matthias Schweighöfer und Til Schweiger. Regie führt Wolfgang Petersen. Legendär, seit er 1981 „Das Boot“ ins Kino brachte . . .
Herbig: Ja, es wird eine Gaunerkomödie. Das ist natürlich ein spitzenmäßiges Paket. Da kommt Wolfgang Petersen nach Deutschland, macht mal wieder einen Film nach gefühlten 30 Jahren mit einer derartigen Besetzung! Da kann man sich selbst schon als Glücksschwein bezeichnen. Da fällt mir ein, das Glücksschwein würde auch noch in den „Karneval“ passen (lacht).