Er ist ein Wanderer zwischen Welten. Der Hamburger Pianist Johan (alias Joja) Wendt bewegt sich zwischen Jazz, Klassik, Pop. Am 7. Mai gastiert der 45-Jährige in der Würzburger Musikhochschule mit seinem Programm „Das Beste am Klavier“.
Frage: Sie sind schon ziemlich viel herumgekommen. Gibt es ein Konzerthaus in dem Sie noch nicht aufgetreten sind, es aber gerne einmal würden?
Joja Wendt: Oh ja, mein großer Traum ist die Semperoper in Dresden. Aber die sind sehr selektiv in der Auswahl ihrer Künstler. Meine Bemühungen, dort zu spielen zu dürfen, sind bisher leider fehlgeschlagen. André Rieu und Tom Gaebel haben es schon geschafft, aber ich leider noch nicht.
Welche Anforderungen stellen Sie denn an sich selbst?
Wendt: Natürlich habe ich eine gewisse Erwartung gegenüber mir selbst und meinem Klavierspiel. Man sagt ja: Für ein schlechtes Konzert muss man zehn – oder besser gesagt 20 – gute Konzerte spielen, um das wieder wettzumachen. Es spricht sich ja doch schnell herum. Insofern setzt man sich schon einem bestimmten Leistungsdruck aus.
Und was unterscheidet Sie von anderen Pianisten?
Wendt: Jeder Pianist ist verschieden. Ich würde sagen, es ist am ehesten das genreübergreifende Spiel. Ich bin weder ein reiner klassischer Pianist, noch ein reiner Jazz-Pianist. Ich spiele beides sehr gerne, aber ich habe auch Pop-Stücke im Programm – etwa von Stevie Wonder. Und ich versuche natürlich allem, was ich spiele, auch meine Handschrift aufzudrücken. Das soll schon alles nach Joja Wendt klingen.
Welches ist das schwierigste Stück, das Sie jemals gespielt haben?
Wendt: Vladimir Horowitz' Variationen über Bizets Carmen. Es wimmelt nur so von technischen Problemen, denen ich so vorher noch nicht begegnet bin. Die muss man schon richtig üben, um diese Schwierigkeiten alle hinzubekommen. Hinzu kommt, dass es keine Noten davon gibt. Nicht umsonst galt Horowitz seinerzeit als der Supervirtuose. Als er das Stück nach einer langen Konzertpause 1968 in der New Yorker Carnegie-Hall gespielt hat, ging ein Raunen durch die klassische Welt. Es ist wirklich sehr anspruchsvoll und kompliziert – und es gibt nicht viele Pianisten, die das spielen können. Da kann man schon ein bisschen stolz darauf sein.
Sie meinen, wenn man es geschafft hat, ohne vorher daran zerbrochen zu sein?
WEndet: Horowitz hat sein Leben gegeben, um so spielen zu können. Der hat ja wirklich seine ganze Jugend über geübt und hatte zwischendurch einen richtigen Burnout, als er 20 Jahre gar nicht konzertiert hat. Auch David Helfgott, den viele aus dem Film „Shine“ kennen, hatte ja starke psychische Probleme. Man sagt, er sei an Rachmaninoffs zweitem Klavierkonzert zerbrochen und autistisch geworden.
Es gibt einige Pianisten von dieser Sorte.
Wendt: Ja, sicher. Glenn Gould beispielsweise auch. Auf der menschlichen Ebene sind das für mich keine Vorbilder. Die haben in ihrer Jugend sozusagen nichts anderes getan, als sich mit dem Instrument auseinanderzusetzen. Dafür waren sie anschließend auch genial, aber die Intelligenz bleibt da ein bisschen auf der Strecke. So ein Typ wie Lang Lang ist da schon ein Segen, der sieht auch immer so knuffig und so drollig aus am Klavier. Klar ist der auch drin in der Musik, hat seine Jugend und sein Leben geopfert, um so fantastisch spielen zu können. Aber er ist gleichzeitig ein fröhlicher und lustiger Zeitgenosse. Man muss eben immer auch sehen, wer die Musik macht.
Haben Sie selbst denn auch schon mal eine Schaffenskrise gehabt?
Wendt: Wissen Sie, jeder Künstler hat so seine Krisen. Es gibt immer diese Momente, wo man sich die Sinn- und Zweckfrage stellt. Aber ich denke, das ist in anderen Berufen nicht anders. Aber für uns Künstler ist das natürlich besonders schwierig, weil man sich auch wirtschaftlich orientieren muss. Überlegen sie mal, wie viele Pianisten in Deutschland von ihrer Musik leben können. Mal ganz davon abgesehen, wie ich davon leben kann. Da gibt es nicht viele. Die meisten werden Lehrer oder sind bettelarm. Ich werde oft von jungen Leuten gefragt, wie das so ist, als Pianist sein Geld zu verdienen. Und ich kann immer nur sagen: Der Leidensdruck ist relativ hoch.
„Ich habe erst einmal Jura studiert“
Joja Wendt
Hatten Sie denn je einen anderen Berufswunsch als Pianist?
Wendt: Als Kind oder als Jugendlicher hätte ich nie zu träumen gewagt, dass ich jemals Pianist würde. Ich habe erst einmal Jura studiert, weil mein Vater wollte, dass etwas Ordentliches aus mir wird. Nach drei Semestern habe ich meinen Vater dann beiseite genommen und ihm gesagt, dass ich lieber Klavier spielen möchte.
Und wie hat Ihr Vater reagiert?
Wendt: Er hat sehr gut reagiert. Er sagte: Das kannst du gerne tun, aber dann musst du's auch richtig lernen. Dazu schicke ich dich ins Ausland. Und das hat er dann auch getan. Als ich mein allererstes Konzert gab, hatte er große Angst, dass sein Sohn sich in aller Öffentlichkeit lächerlich machen könnte, und war überglücklich, dass es anders gekommen ist. Ich habe meinen Eltern auch nie auf der Tasche gelegen, auch nicht während des Studiums. Ich habe immer mein eigenes Geld verdient.
Das heißt, Sie konnten schon früh von Ihrer Musik leben?
Wendt: Ja, zu Schulzeiten noch nicht, aber danach, während des Zivildienstes, und später dann während des Studiums. Da habe ich schon regelmäßig gespielt, auf Hochzeiten und Geburtstagsfeiern. Für 50 Mark die ganze Nacht! Das war für mich damals irre viel Geld. Dadurch konnte ich mich selbst ernähren, und meine Eltern sagten sich: Der liegt uns nicht auf der Tasche, dann lassen wir ihn mal machen (lacht).
Wer waren oder sind Ihre Vorbilder?
Wendt: Die meisten werden Ihnen wahrscheinlich nichts sagen, Barry Harris und Kenny Barron beispielsweise, zwei Bebop-Jazzmusiker. Oder Art Tatum und Keith Jarrett. Und dann gibt es da noch Victor Borge, einen Comedian und fantastischen klassischen Pianist. Der hat in Amerika den Status wie Loriot bei uns. Der Grandseigneur der Comedy. Ansonsten bin ich in erster Linie durch die Hamburger Szene beeinflusst.
Dort sind Sie ja auch von Joe Cocker entdeckt worden.
Wendt: Ja, im Sperl. Das war damals das Zentrum der Hamburger Blues-Szene. Da spielten Größen wie Abi Wallenstein, Inga Rumpf, Vince Weber und viele andere. Und da kam eben auch mal ein Joe Cocker rein, wenn er im Norden war und seinen freien Tag hatte. Und der hat mich da gesehen und mich gefragt, ob ich nicht am nächsten Tag sein Vorprogramm spielen möchte. Einfacher konnte er es ja auch nicht haben: keine schwierige Vorband, die lange aufbauen muss, Klavier hin, Joja ran und fertig (lacht). Und für mich war das natürlich eine tolle Sache. Das sind so Sternstunden im Leben. Und weil das so gut angekommen ist, hat er mich dann auf seine Deutschland-Tour mitgenommen. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum sich meine Karriere so entwickelt hat.
Welche Pläne haben Sie noch in musikalischer Hinsicht?
Wendt: Ich möchte gerne noch Rachmaninoff zwei spielen – ohne verrückt zu werden (lacht). Ansonsten bemühe mich ja nach wie vor sehr, das Genre Klavier aus der staubigen Ecke hervorzuholen. Wenn Sie mal auf die Straßen gehen und die Leute fragen: Mögen Sie Klaviermusik?, dann werden die meisten Ja sagen, aber ins Konzert gehen sie deswegen noch lange nicht, weil sie denken, das ist total langweilig.
Wobei Ihre Konzerte ja meistens ausverkauft sind.
Wendt: Das ist richtig. Aber es sind trotzdem immer noch sehr wenige Menschen, die diese Konzertkultur pflegen. Das ist immer noch so eine Nische. Ich möchte den Leuten einfach zeigen, dass Klaviermusik nicht zwangsläufig langweilig sein muss, sondern auch richtig spannend sein kann. Es steckt ja hinter jedem Stück auch eine Geschichte.
Erfordert Ihr enormes Arbeitspensum auch eine bestimmte Lebensweise – so wie bei Sportlern?
Wendt: Das Schlimmste für mich ist Alkohol. Wenn ich auf Tour bin und Alkohol trinke, dann bin ich am nächsten Abend immer so müde, selbst wenn ich ausschlafe. Das geht gar nicht. Früher habe ich nach der Show immer ein Bierchen getrunken und bin dann schön gemütlich ins Bett gegangen. Aber auf die Dauer hat mich das doch geschlaucht. Und dann habe ich komplett auf Alkohol verzichtet. Ich bin kein Abstinenzler oder Asket. Ich trinke gerne mal ein Bier oder einen schönen Rotwein mit meiner Frau. Aber während der Tour geht das einfach nicht. Das fällt mir dann aber auch nicht schwer. Dafür mache ich jetzt mehr Sport und ernähre mich gesund. Wenn man nicht fit genug ist, steht man das auch gar nicht durch. Es ist ja doch eine große Anspannung, wenn man auf der Bühne steht und spielt.
Vorverkauf für das Würzburger Konzert: Tel. (0 18 05) 60 70 70, im Internet unter: www.argo-konzerte.de