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WÜRZBURG: Wo der Computer kuschelt und Yoko Ono Omo holt

WÜRZBURG

Wo der Computer kuschelt und Yoko Ono Omo holt

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    Komische Kommunikationsprobleme: F. W. Bernstein, Altmeister der Neuen Frankfurter Humorschule, zeichnete die Titelillustration für Herbert Scheurings Buch „Dings ist das neue Bums“.
    Komische Kommunikationsprobleme: F. W. Bernstein, Altmeister der Neuen Frankfurter Humorschule, zeichnete die Titelillustration für Herbert Scheurings Buch „Dings ist das neue Bums“. Foto: Illustration: F. W. Bernstein/Repro MP

    Wenn das Hirn zerbröselt und wie Schuppen aus den Haaren fällt, wenn im Kampf gegen immer mehr Anglizismen aus Johnny Cash ein Johann Bargeld wird, wenn nach iPhone und iPad endlich der iSchlips auf den Markt kommt und in der Gulaschsuppe surft, dann hat „Unterm Strich“ mal wieder Herbert Scheuring zugelangt.

    Seit 2001 gibt es in dieser Zeitung die tägliche Glosse auf der Titelseite. Einer der regelmäßigen Autoren ist Herbert Scheuring, der nun unter dem Titel „Dings ist das neue Bums“ sein drittes Buch mit einer Auswahl seiner gelungensten 1600-Zeichen-Werke veröffentlicht.

    Herbert Scheuring, 2008 mit dem mainfränkischen Sprachbewahrer-Preis ausgezeichnet, entlarvt Phrasendrescher, den Wildwuchs überflüssiger Anglizismen und anderes törichtes Geschwätz. So entsprang der Titel seines dritten Glossenbandes aus der sprachlichen Eigenart von Trendforschern, das Neue immer in Abgrenzung zum Bisherigen zu verdeutlichen. Da wird dann Bayern zum neuen Dortmund, regional zum neuen Bio, Facebook zum neuen Google und bei Scheuring eben „Dings zum neuen Bums“.

    Die Kunst der Übertreibung

    Apropos Facebook – die neuen, digitalen Medien haben es dem Doktor der Literatur besonders angetan. Mit Internet, Apple und Co. verbindet ihn eine durchaus inspirative Hassliebe. So erfindet er nicht nur den iSchlips und den flauschigen Kuschel-Computer, sondern gleich auch noch die iPan (iPfanne), mit der „auch der letzte Idiot“ etwas „gebacken kriegt“.

    Wenngleich er zum Thema der Smartphones auch wirklich Apokalyptisches zum Besten gibt: „Die Erdkruste wird sich in eine riesige berührungsempfindliche Benutzeroberfläche verwandeln, auf der ständig neue Apps erscheinen, die sich wie wuchernde Geschwülste ausbreiten, und die Luft wird erfüllt sein von der Kakophonie Abertausender Klingeltöne um Aufmerksamkeit buhlender Smartphones und dem dumpfen Brummen ihres millionenfachen Vibrationsalarms.“ Die der Glosse eigene Kunst der Übertreibung steigert der 52-Jährige, der über den Barockschriftsteller Grimmelshausen promovierte, immer wieder und sehr kunstvoll ins Abstruse. Bei seinem Wortwitz schreckt er auch vor dem eigentlich verpönten Namenswitz nicht zurück. Doch wenn er vom Messwein über den Papst-Assistenten Gänswein schließlich mit der „Gansheit unseres Wesens“ bei der Weihnachtsgans landet, kann man ihm vor lauter Schmunzeln nicht wirklich böse sein.

    Das sieht auch Eckhard Henscheid, selbst einer der eigenwilligsten deutschen Schriftsteller, so. Er schrieb das Nachwort zum neuen Glossenband, dessen Titelbild eine Karikatur von F. W. Bernstein schmückt. Zwei Satiriker und Humoristen, Vertreter der Neuen Frankfurter Schule, und ein Würzburger Zeitungsredakteur – geht das zusammen?

    Es geht, denn auch Scheuring beschäftigt sich mit Fußball und Philosophie oder besser mit „Philosophie und Rasenschach“. Mutig wagt er sich wie schon Robert Gernhardt an eine Fortschreibung von Ernst Jandls „Ottos Mops“: Fünf Glossen verfasst er mit jeweils nur einem Vokal. „Klimbim“ („Willi rigid: Bist' frigid?“), „Yoko Ono holt Omo“ und „Humbug“ („Kurt sucht Zuspruch nun und buhlt um Gudrun“) sind zweifelsohne mit die Höhepunkte dieses Glossenbandes. Als Vorbilder der 46-Zeiler erkennt Eckhard Henscheid in seinem Nachwort aber nicht nur Robert Gernhardt oder Gerhard Polt, sondern durchaus auch Loriot und Karl Valentin.

    Kritik und in der Folge Gelächter

    Doch Henscheid lobt in seinem Nachwort nicht nur Scheuring als „Sprachkomiker der wilderen Art“, sondern die Glosse „Unterm Strich“ insgesamt als „vielleicht nicht gerade das Beste, aber doch das Allerbeste an der Tageszeitung“. Ein Lob, in das der Mitbegründer der Satirezeitschrift „Titanic“ die anderen Autoren der Kolumne selbstverständlich einbezieht. Doch auch die Leserinnen und Leser bekommen ihr Lob weg. Vor allem dafür, dass Scheuring, der immer wieder auch mit Tabus spielt, nicht deutlich mehr „Leserwiderstand, Proteste und erschreckte Grimassen“ erntet. Sicherlich sei dies auch dem strategisch-taktischen Geschick des Glossenschreibers zuzurechnen, so Henscheid.

    Bei allem Humor, bei aller Satire, Herbert Scheuring ist immer auch ein kritischer Geist, der die Dinge sehr direkt und unverblümt beim Namen nennt. Auch wenn er die Hochsprache dafür verlassen muss. Dass auch dies nur gelegentlich zu Leserschelte führt, interpretiert Henscheid mit dem schönen Satz: „Offenbar hat man aber auch an den Frankfurt vorgelagerten Krümmungen des Mains ziemlich gut kapiert, dass Kritik und in der Folge Gelächter mehr aus der Nähe passiert und nur so funktionieren kann.“

    Was soll man dem noch hinzufügen?

    Herbert Scheuring: Dings ist das neue Bums. Was Unterm Strich bleibt (mit einem Nachwort von Eckhard Henscheid und einer Illustration von F. W. Bernstein, Verlag M. Naumann, 176 Seiten, 9,90 Euro). Erhältlich im Buchhandel, in allen Geschäftsstellen der Mediengruppe Main-Post und online unter: shop.mainpost.de

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