Sehr geehrter Herr Glauber,
zugegeben, bei unserem ersten Treffen haben Sie mich beeindruckt. Als Sie an jenem Sonntagabend im Januar 2020 im Anzug aufs Eisenpodest eines Traktors kletterten, vor ihnen mehr als Tausend wütende Landwirte. Der Himmel über Iphofen im Landkreis Kitzingen war düster, die Stimmung aufgeheizt und Sie redeten über Nitrat, das über die landwirtschaftliche Düngung ins Grundwasser gelange. Sie versprachen, sich für ein besseres Netz an Messstellen einzusetzen, stellten aber klar, auf einen "Kuhhandel" beim Wasser würden Sie sich nicht einlassen.

In Ihrer Regierungserklärung ein paar Monate später riefen Sie die "Wasserzukunft Bayern 2050" aus und warnten: "Wir sind auf dem besten Weg in einen Grundwassernotstand!" Die Landschaft trockne aus. Wasser fehle in der Fläche und in der Tiefe. "Landschaften wie im Italo-Western" und "Bewässerungsnot wie in Spanien" könne es bald auch in Bayern geben, sagten sie. Deshalb solle Wasser ab sofort besser geschützt, verteilt und gespeichert werden: von Schwammstädten, über nachhaltige Bewässerungskonzepte bis hin zur Gewässer-Renaturierung.
Das Thema Wasser schien Ihnen wichtig. Mehr noch. Es sei "DAS Zukunftsthema nicht nur für Unterfranken, sondern für ganz Bayern", sagten Sie mir in einem Interview nach dem extremen Dürre-Sommer 2022. Drei Beispiele, warum ich Ihnen das leider nicht mehr glaube.
Beispiel 1: Als öffentlich wurde, dass CSU und Freie Wähler den Trinkwasserschutz im Landesentwicklungsprogramm aufweichen wollten, war Ihre dürftige Reaktion: Der Wunsch von Lebensmittelerzeugern, das knappe Gut gleichberechtigt mit der Bevölkerung nutzen zu können, sei legitim. In Privathaushalten werde kostbares Trinkwasser "ja auch die Toilette runtergespült". Mit anderen Worten: Dass Mineralwasser-Konzerne wie Altmühltaler in Treuchtlingen kostenlos 10.000 Jahre altes Tiefengrundwasser - das als eiserne Reserve für zukünftige Generationen gedacht ist - abpumpen, in Flaschen abfüllen und verkaufen, sei okay. Erst als Ministerpräsident Markus Söder das Vorhaben kassierte, sagten sie erleichtert: Es sei ein guter Tag für das Wasser.
Beispiel 2: Seit Beginn Ihrer Amtszeit wollen Sie den Wassercent einführen. Passiert ist: nichts. Das bei Industrie, Landwirtschaft und Weinbau sicher unpopuläre Vorhaben wurde auf "nach der Landtagswahl" verschoben. Bayern bleibt eines weniger Bundesländer, das keine Zusatzabgabe zur Sicherung der Wasserversorgung hat. Die Folge: Große Wassernutzer, die Millionen Kubikmeter jedes Jahr kostenlos aus dem Boden oder aus Flüssen pumpen, haben keinerlei Anreiz, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren. Warum auch?
Beispiel 3: Nach dem Dürre-Sommer 2022 verkündeten Sie auf einem Acker in Oberpleichfeld den Landwirten in der Bergtheimer Mulde die frohe Kunde: Der Staat beteilige sich finanziell an einer Machbarkeitsstudie für ein Bewässerungskonzept. Kein kritisches Wort zu dem riesigen rosa Elefanten, der in Form einer rückwärts laufenden Wasseruhr in der Luft stand. Nur so viel: "Vor Jahren hätte niemand gedacht, dass Wasser einmal so kostbar wird. Doch wir dürfen die einen nicht gegen die anderen ausspielen". Auch die Ämter hätten nichts falsch gemacht.

Und heute? Eine große Datenrecherche von Main-Post und Bayerischem Rundfunk legt offen: Das Ausmaß mangelhafter Kontrollen bei Wasserentnahmen ist riesig. Niemand in Unterfranken hat offenbar den Überblick darüber, wie viel Wasser tatsächlich aus Flüssen, Seen und dem Grundwasser gepumpt wird. Den Behörden fehlt es an Daten, an Personal und digitaler Infrastruktur, um Wasserentnahmen flächendeckend zu kontrollieren.
Allein beim Grundwasser sprechen wir von mindestens sechs Millionen Kubikmeter Wasser. Niemand weiß, ob diese Menge tatsächlich genutzt wird oder nicht. Damit könnte man mehr als 2000 Olympiaschwimmbecken füllen.
Motto "Lederhose und Leitzordner" bei Wasserentnahmen
In der Realität muss also niemand, der Wasser klauen will, den Aufwand betreiben, seine Wasseruhr rückwärts laufen zu lassen. Es genügt, die abgepumpte Wassermenge den Ämtern nicht zu melden. Statt Laptop und Lederhose lautet die Devise bei Wasserentnahmen in Bayern: Lederhose und Leitzordner.
Sagen Sie mir, Herr Glauber, wie wollen Sie eine Wasserstrategie für das Jahr 2050 entwickeln, wenn nicht einmal alle aktuell genehmigten Wasserentnahmen in Bayern in einer zentralen Datenbank erfasst sind, auf die alle Bezirksregierungen, Landrats- und Wasserwirtschaftsämter Zugriff haben?
Ohne digitale Wasserzähler, vernetzte Behörden, mehr Personal bei der Gewässeraufsicht, ohne die Aufhebung veralteter und teils unbefristeter Wasserechte und ohne einen Wassercent werden wir in Nordbayern tatsächlich bald "Landschaften wie im Italo-Western" und eine "Bewässerungsnot wie in Spanien" erleben.
Umweltminister stand für ein Interview nicht zur Verfügung
Für ein Interview standen Sie dem Rechercheteam leider nicht zur Verfügung, ließen uns aber mitteilen, dass Sie von den Behörden "einen sensiblen Umgang mit Wasser" und einen "konsequenten und strengen Vollzug" erwarten.
Von Ihnen, Herr Glauber, erwarte ich, dass Sie die Landtagswahl im Herbst mal kurz vergessen. Und sich an Ihr Zitat erinnern: Kein Kuhhandel beim Wasser! Das werden dann sicher auch Ihre Wählerinnen und Wähler honorieren.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Kleinhenz, Redakteurin
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